Heute stelle ich dann drei Haftentscheidungen vor.
Ich beginne mit dem OLG Schleswig, Beschl. v. 29.04.2021 2 Ws 47/21. Der ist in einem Haftbeschwerdeverfahren ergangen. Dem Angeklagten wird mit der a Anklage vorgeworfen, in fünf Fällen mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel getrieben zu haben (Tatzeitraum: 02.04. bis 23.05.2020).
Problematisch war der dringende Tatverdacht. Denn der ist mit der Auswertung von Kommunikationsdaten eines EucroChat-Mobiltelefons begründet worden, welche zur Identifizierung des Angeklagten geführt habe. Die Problematik beschäftigt uns ja schon eine Weile.Die Ermittlungsbehörden sind in den Besitz der zur Ermittlung des Angeklagten als Tatverdächtigem führenden Daten gelangt, nachdem es der Staatsanwaltschaft Lille in Frankreich im Rahmen einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe mit den Niederlanden, die gegen die EncroChat-Betreiber u.a. wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung zur Begehung von Straftaten oder Verbrechen ermittelte, unter Beteiligung von Eurojust und Europol im Frühjahr 2020 gelungen war, mittels einer Datenabfanganlage auf den Server einzudringen und die Kommunikation zu entschlüsseln. Hierdurch wurde auf über 32.000 Nutzer-Accounts unter deren Nutzernamen – so auch des Angeklagten – in 121 Ländern zugegriffen. Alles Weitere setze ich als bekannt voraus.
Gestritten wird – so auch hier – dann immer um ein Beweisverwertunsgverbot, dass die mit den Fragen befassten Gerichte aber bislang abagelehnt haben, ich erinnere u.a. an OLG Bremen und OLG Hamburg. So auch jetzt das OLG Schleswig. Da dieses weitgehend auf der Linie der anderen OLG liegt, begnüge ich mich hier mit den Leitsätzen der Entscheidung:
-
§ 100e Abs. 6 StPO ist auch bei grenzüberschreitenden Ermittlungen geeignete Maßstabsnorm des deutschen Strafverfahrensrechts für die Verwertung aus dem Ausland erlangter Daten. Insoweit dürfen auch Zufallsfunde aus im Ausland geführten Ermittlungen verwertet werden, wenn im Zeitpunkt ihrer Verwendung die die sich aus § 100b oder § 100c StPO folgenden Anforderungen erfüllt sind.
-
An die von französischen Strafverfolgungsbehörden erfolgte Auswertung der Telekommunikation mit Krypto-Telefonen der Plattform EncroChat kann am ehesten der Maßstab für eine Onlinedurchsuchung gemäß § 100b StPO angelegt werden.
-
Soweit im europäischen Rechtsverkehr die gemäß Art. 31 Richtlinie 2014/41/EU vorgesehene Unterrichtung des anderen Mitgliedsstaates von der Überwachung des Telekommunikationsverkehrs unterblieben ist, kann dies auf europäischer Ebene durch deren Verwendung geheilt werden.
-
Gleichwohl kann aus deutscher Sicht ein Verfahrensfehler darin bestehen, dass es nicht zur Möglichkeit einer gerichtlichen Kontrolle gemäß §§ 92 b, 92 d IRG anhand der besonders aus §§ 59 Abs. 3, 91 b IRG folgenden Kriterien gekommen ist. Allerdings folgt hieraus bei vorzunehmender Abwägung zwischen den Strafverfolgungsbelangen und dem Interesse des Betroffenen nicht zwingend ein Verwertungsverbot.