Die zweite Entscheidung des Tages kommt mit dem OLG Dresden, Beschl. v. 01.12.2021 – 4 W 797/21 – auch aus Sachsen. Sie hat nur mittelbar mit Straf(verfahrens)recht zu tun. Es geht nämlich um den Streit-/Gegenstandswert einer einstweiligen Verfügung, mit der dem Antragsgegner untersagt werden sollte, abfällige Äußerungen über den Antragsteller zu machen. Der Antragsgegner hatte mit E-Mail vom 16.09.2021 den Antragsgegner u.a. als „inkompetente Ossi-Heulsuse“ bezeichnet und ihm nach einer gescheiterten Kreditvermittlung als Honorar „eine Kiste Bananen“ angeboten, insoweit also ggf. die Berührung zum Strafrecht.
Das LG hatte seine sachliche Zuständigkeit verneint und den Erlass einer einstweiligen Verfügung abgelehnt. Der Streitwert der – nicht an die Öffentlichkeit gelangten – Äußerung betrage allenfalls 500,- EUR. Dagegen die sofortige Beschwerde des Antragstellers, die beim OLG keinen Erfolg hatte.
„1. Der Streitwert des hier geltend gemachten Unterlassungsanspruchs übersteigt jedenfalls die Zuständigkeitsschwelle des § 23 Nr. 1 GVG nicht. Entgegen der Auffassung der Beschwerde ergibt sich aus der Rechtsprechung des Senats keineswegs, dass bei „nicht öffentlichkeitswirksamen Beleidigungen“ der Streitwert stets über 5000,- € liegt und damit die Zuständigkeit des Landgerichts begründet wäre. Der Senat nimmt vielmehr in ständiger Rechtsprechung an, dass der Streitwert eines Unterlassungsanspruchs nach §§ 823, 824, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB nicht schematisch auf einen bestimmten Wert festgelegt werden kann, sondern unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, nach Ermessen zu bestimmen ist. Maßgeblich ist neben dem Grad der Verbreitung die Schwere des Vorwurfs sowie die Beeinträchtigung des sozialen Geltungsanspruches des Verletzten in der Öffentlichkeit, die wirtschaftliche Bedeutung sowie die sonstige Bedeutung der Sache einzubeziehen (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. zuletzt, Urteil vom 10. August 2021 – 4 U 1156/21 –, Rn. 14, juris; Beschluss vom 20.11.2018 – 4 W 982/18 -, juris; Beschluss vom 09.04.2018 – 4 W 296/18 -, juris). Die Werte des § 52 Abs. 2 GKG und des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG bieten lediglich einen ersten Anhalt, der je nach den Umständen zu ermäßigen oder zu erhöhen ist (Zöller-Herget, ZPO, 33. Aufl. 2018, § 3 Rn. 16, „Ehre“). Auch die Angabe des Verfahrenswerts in der Antragsschrift ist nicht mehr als ein Indiz für den Wert des Interesses an der Abwehr der Persönlichkeitsrechtsverletzung und unterliegt einer selbstständigen Überprüfung durch das Gericht (OLG Saarbrücken, Urteil vom 05.12.2018 – 5 U 58/18 -, Rn. 26, juris; Toussaint in: Dörndorfer/Neie/Wendtland/Gerlach, Kostenrecht, Ed. 23, 2018, § 48 GKG, Rn. 40). Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Streitwert im einstweiligen Verfügungsverfahren unter dem der Hauptsache liegt, weil das für ein Verfahren maßgebende Interesse des Antragstellers an der Sicherstellung im Regelfall nicht das Befriedigungsinteresse erreicht (Zöller-Herget, a.a.O. § 3 Rn. 16 Stichwort: „Einstweilige Verfügung“), beträgt der Streitwert einer Unterlassungsklage ohne besondere Bedeutung im Verfahren über den Erlass der einstweiligen Verfügung regelmäßig 5.000,00 € (Senat, Beschluss vom 11.03.2019 – 4 W 171/19 –, Rn. 2, juris; Beschluss vom 23.01.2013 – 4 W 1363/12).
Unter Berücksichtigung dieser gefestigten Rechtsprechung kann von einer sachlichen Zuständigkeit des Landgerichts gem. § 71 Abs. 1 GVG schon wegen der fehlenden Breitenwirkung und der dadurch nicht gegebenen Beeinträchtigung des sozialen Geltungsanspruches des Antragstellers in der Öffentlichkeit und wegen der ebenfalls nicht gegebenen wirtschaftlichen Auswirkungen auf das Unternehmen des Antragstellers nicht ausgegangen werden. Gegen die in der E-Mail vom 16.9.2021 vom Antragsgegner ebenfalls in Aussicht gestellten Bewertungen des Antragstellers „im Internet wendet“ sich dieser ausdrücklich nicht. Die in der Beschwerde versuchte Aufsplittung der streitgegenständlichen Äußerung in mehrere Teiläußerungen und die Auffassung, wegen einer „mehrfachen Missachtung“ des Antragstellers sei hier ein schwerwiegender Fall anzunehmen, teilt der Senat nicht. Die angegriffene Äußerung umfasst lediglich zwei kurze Sätze, die im Gesamtzusammenhang zu werten sind und weder für sich genommen noch in der Gesamtwürdigung eine so schwere Missachtung des Persönlichkeitsrechts des Antragstellers darstellen, dass eine Abweichung nach oben von dem o.a. Regelfall der Streitwertbemessung bei einer einstweiligen Verfügung gerechtfertigt erschiene; berücksichtigt man die o.a. Gesichtspunkte, erscheint vielmehr eine Festsetzung des Streitwerts von deutlich unter 5000,- € angezeigt. Die mit der Beschwerde herangezogenen Entscheidungen des Senats vom 30.7.2018 (4 U 620/18) und 9.8.2012 (4 U 700/12) betrafen beide Ansprüche auf Geldentschädigung, die betragsmäßig beziffert waren und schon aus diesem Grund nicht vergleichbar sind. Nach alledem trägt zwar eine Streitwertfestsetzung mit 500,- € dem Interesse des Antragstellers an der Unterlassung der streitgegenständlichen Äußerung nicht hinreichend Rechnung, dieses Interesse bleibt jedoch klar unter der Zuständigkeitsschwelle des § 23 Abs. 1 GVG.“