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BGH: Kleiner Grundkurs im „Wohnungseinbruchsdiebstahl“

Diebstahl.pngDer BGH, Beschl. v. 03.06.2014 – 4 StR 173/14 – ist ein kleiner Grundkurs im „Wohnungseinbruchsdiebstahl“ (§ 244 StGB).  Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen Wohnungseinbruchdiebstahls in sieben Fällen verurteilt. Bei einem der Fälle reichen dem BGH die Feststellungen des LG nicht.  Nach den dazu vom LG „getroffenen Feststellungen hebelte der Angeklagte „eine Tür zu einem an das Wohnhaus … angebauten Schuppen auf. Durch eine weitere Holztür, die von dem Schuppen direkt in das Wohnhaus führt, gelangte der Angeklagte sodann in das Wohnhaus“ (UA S. 12), wo er zahlreiche Gegenstände entwendete.“ Wie gesagt: Dem BGH reicht das nicht für § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB:

„Die Vorschrift setzt in ihrer 1. Alternative den Einbruch in eine Wohnung voraus. Ob hierzu auch der Schuppen als ein dem Begriff des Wohnens typischerweise zuzuordnender Raum gehört, weil er etwa einem Keller oder dem Dachboden eines Einfamilienhauses gleichsteht, lässt sich den Ausfüh-rungen des Landgerichts nicht entnehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 24. April 2008 – 4 StR 126/08, NStZ 2008, 514, 515; Urteil vom 22. Februar 2012 – 1 StR 378/11, NStZ 2013, 120, 121; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 244 Rn. 47a, 48). Ebenso wenig teilt das Landgericht mit, ob der Angeklagte auch die von dem Schuppen in das Wohnhaus führende Tür aufgebrochen hat.

Ein „Einsteigen“ im Sinne der 2. Alternative des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB, auf die das Landgericht in der rechtlichen Würdigung ebenfalls verweist (UA S. 30), liegt dagegen ersichtlich nicht vor. Denn Einsteigen in einen Raum ist über den engeren Sprachsinn hinaus jedes nur unter Schwierigkeiten mögliche Eindringen durch eine zum ordnungsgemäßen Eintritt nicht bestimmte Öffnung (BGH, Beschluss vom 27. Juli 2010 – 1 StR 319/10, NStZ-RR 2010, 374, 375; Fischer, aaO, § 243 Rn. 6 mwN).

c) Die Aufhebung der Verurteilung wegen Wohnungseinbruchdiebstahls in diesem Fall zwingt nicht zur Aufhebung der jedenfalls einen Diebstahl belegenden, rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen. Ergänzende Feststellungen sind zulässig.“

Kleiner Grundkurs I: Einsteigediebstahl – ein Fuss drin?

Diebstahl.pngFolgenden Sachverhalt nimmt der BGH als Anlass zu einem kleinen Grundkurs, um zu Qualifikationen beim Diebstahl (§§ 242 ff. StGB) Stellung zu nehmen: Nach den Feststellungen entwendeten der Angeklagte sowie weitere Bandenmitglieder und Mittäter aus einem Tank auf dem Gelände einer Spedition 4.500 Liter Dieselkraftstoff. Hierzu führten sie den Schlauch einer Pumpe in das 3,50 m hoch gelegene Entlüftungsrohr des Tanks ein und leiteten den Kraftstoff in Fässer. Der Angeklagte erhoffte sich in diesem Fall allerdings keinen Anteil an der Beute, sondern er wollte lediglich einem anderen Angeklagten, der sich an diesem Abend in akuten Geldsorgen befunden hatte, dabei helfen, hinreichend Kraftstoff für sein Fahrzeug zu bekommen. Die Strafkammer bewertete dies beim Angeklagten als „Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl nach § 244a Abs. 1 i.V.m. § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und 3 (durch „Einsteigen“ zum in 3,50 m Höhe gelegenen Ende des Entlüftungsrohres) und § 27 StGB“. Die Revision führte in einem Fall zu einer Änderung des Schuldspruchs. Mehr hat sie nicht gebracht.

Wie gesagt, kleiner Grundkurs. Der BGH führt im BGH, Beschl. v. 26.02.2014 – 4 StR 584/13 – aus:

aa) Entgegen der Annahme des Landgerichts belegen die Feststellungen ein Einsteigen im Sinn des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB nicht.Einsteigen in einen Raum ist über den engeren Sprachsinn hinaus jedes nur unter Schwierigkeiten mögliche Eindringen durch eine zum ordnungsgemäßen Eintritt nicht bestimmte Öffnung (BGH, Beschluss vom 27. Juli 2010 – 1 StR 319/10, NStZ-RR 2010, 374, 375). Es erfordert, dass der Täter wenigstens einen Fuß in den Raum stellt; bloßes Hineingreifen oder Ähnliches genügt dagegen nicht (SSW-StGB/Kudlich, 2. Aufl., § 243 Rn. 12 mwN).

An einem solchen Einsteigen fehlt es hinsichtlich des Tanks offensichtlich. Aber auch hinsichtlich des Betriebsgeländes ist dieses Tatbestandsmerkmal nicht belegt. Denn Feststellungen dazu, dass dieses beispielsweise eingezäunt war oder auf andere Weise nur unter Schwierigkeiten durch eine zum ordnungsgemäßen Eintritt nicht bestimmte Öffnung betreten wurde, enthält das Urteil nicht.

bb) Auch ein Einbrechen im Sinn des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB belegen die Feststellungen nicht.

Bei einem Einbruch muss der Täter zur Ausführung des Diebstahls zwar nicht in den umschlossenen Raum hineingelangen; vielmehr genügt, dass er die Wegnahme mittels eines Werkzeugs durch eine Öffnung des Raumes bewirkt (vgl. BGH, Beschluss vom 22. August 1984 – 3 StR 209/84, NStZ 1985, 217, 218). Erforderlich ist aber das gewaltsame, also das durch eine nicht unerhebliche körperliche Anstrengung verbundene Öffnen oder Erweitern eines Zu-gangs zu dem umschlossenem Raum (LK-StGB/Vogel, 12. Aufl., § 243 Rn. 20 mwN). Daran fehlt es nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen sowohl hinsichtlich des Betriebsgeländes als auch hinsichtlich des Tanks.

Und: Entgegen der Ansicht des GBA konne die Verurteilung wegen Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl auch nicht darauf gestützt werden, dass jedenfalls die von der Strafkammer angenommene Gewerbsmäßigkeit (§ 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StGB) vorlag. Da die Gewerbsmäßigkeit ein besonderes persönliches Merkmal im Sinn des § 28 Abs. 2 StGB darstelle (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2011 – 3 StR 262/11, StV 2012, 339, 342 mwN) könne der Gehilfe, bei dem sie fehle, nicht allein deshalb nach § 244a Abs. 1 StGB bestraft werden, weil andere Bandenmitglieder oder Mittäter gewerbsmäßig gehandelt haben (vgl. SSW-StGB/Kudlich, 2. Aufl., § 244a Rn. 9; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 244a Rn. 2b).