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Rücknahme des Einspruchs gegen den Strafbefehl, oder: Das AG Tiergarten hat ein anderes RVG

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Und den Reigen der RVG-Entscheidungen eröffne ich heute mit dem AG Tiergarten, Beschl. v. 04.02.2021 – 254 Ds 231/19, den mir der Kollege Pagels aus Torgau geschickt hat.

Der Kollege war Pflichtverteidiger.  Als der angeklagte Mandant zur Hauptverhandlung beim AG nicht erschienen ist, hat das AG gem. § 408a Abs. 1 StPO einen Strafbefehl erlassen. Da der Kollege zunächst keinen Kontakt zu seinem Mandanten bekommen konnte, um die Frage zu besprechen, ob Einspruch eingelegt werden soll oder nicht, hat er gem. § 410 StPO Einspruch eingelegt. Nachdem er nach etwa drei Wochen die Angelegenheit besprechen konnte, ist der Einspruch zurückgenommen worden. Bei der Vergütungsfestsetzung hat der Kollege dann auch die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4141 Nr. 3 VV RVG geltend gemacht. Die wurde nicht festgesetzt. Das Rechtsmittel des Kollegen hatte keinen Erfolg.

„Die Gebühr gemäß VV 4141 RVG ist hier nicht entstanden.

Sofern ein Verteidiger den Angeklagten dahingehend berät, gegen einen Strafbefehl nach § 408 a StPO keinen Einspruch einzulegen, entsteht diese unstreitig nicht (u, a. OLG Nürnberg, 20.05.2009 — 2 Ws 132/09). Dies gilt entsprechend auch für eine baldige Rücknahme des Einspruchs.

VV 4141 I Nr. 3 RVG bezieht sich auf originäre Cs-Sachen, in denen durch Rücknahme des Einspruchs eine Hauptverhandlungstermin entbehrlich wird. Hier handelt es sich jedoch um eine Ds-Sache, in der die Hauptverhandlung bereits anberaumt war und am 07.05.2020 nur mangels Anwesenheit des Angeklagten nicht bis zum Abschluss durchgeführt werden konnte. Anders wäre der kostenrechtliche Ansatz nur dann zu bewerten, wenn nach der Eröffnung des Hauptverfahrens und vor Terminierung der Verteidiger an dem Erlass eines Strafbefehls mitwirkt (AG Bautzen AGS 2007, 307), so dass der Hauptverhandlungstermin entbehrlich wird, was hier nicht der Fall war.

Auch in den Konstellationen, in denen ein Hauptverhandlungstermin bereits stattgefunden hat, ausgesetzt wurde und nur durch Rücknahme des Rechtsmittels der neu anberaumte Hauptverhandlungstermin entbehrlich wird, entsteht die Gebühr nach VV 4141 RVG nicht (OLG Frankfurt. Beschl. v. 05.03.2011, 2 Ws 177/11). Dasselbe gilt für das Entfallen von Fortsetzungsterminen (OLG Köln, AGS 2006, 339). Daher ergibt sich auch aus einer analogen Anwendung von VV 4141 RVG hier keine andere Bewertung.“

Für mich ist es erschreckend, wie Gerichte zum Teil mit den anwaltlichen Gebühren umgehen und wie gering die Kenntnisse im Gebührenrecht sind. Zudem hat man auch den Eindruck – zumindest mal wieder bei dieser Entscheidung -, dass man als Entscheider nicht mal eben in einen Kommentar schaut, um eine Frage/Antwort abzusichern. Da wird offenbar einfach nur in Internetbanken pp. gesucht und die Entscheidung, die zu passend scheint, als das non plus ultra dargestellt, ohne zu hinterfragen, ob das überhaupt die h.M. ist und ob man, wenn man ein wenig gesucht hätte, auf der dann gefundenen Grundlage nicht ggf. anders entscheiden müsste. Aber: Warum soll man sich die Mühe machen? Es ist ja nicht das eigene Geld, um das es geht.

Zur Sache: Hätte hier der Amtsrichter mal in einen Kommentar geschaut, er wäre – hoffentlich – zu einer anderen Entscheidung gekommen bzw. hätte kommen müssen. Denn schon der Ansatz, die Nr. 4141 Anm. 1 Nr. 3 VV RVG beziehe sich – nur – auf originäre Cs-Sachen, in denen durch Rücknahme des Einspruchs eine Hauptverhandlungstermin entbehrlich werde, ist falsch. Das ergibt sich nicht aus dem Gesetz. Das unterscheidet in Nr. 4141 Anm. 1 Nr. 3 VV RVG nämlich nicht zwischen einem „originärem“ Strafbefehlsverfahren und einem nach § 408a StPO erlassenen Strafbefehl. In der Nr. 3 heißt es einfach nur: „..durch Rücknahme gegen den Strafbefehl …“. Dementsprechend wird auch an keiner Stelle in Rechtsprechung oder Literatur bisher die vom AG vertretene Auffassung vertreten. Gott sei Dank,. Denn sie widerspricht auch Sinn und Zweck der Nr. 4141 VV RVG, die honorieren soll, dass das Verfahren ohne Hauptverhandlung zu Ende geht, wodurch dem Verteidiger Gebühren, nämlich die Terminsgebühr für die Teilnahme am Hauptverhandlungstermin, verloren gehen. Dafür bietet die Nr. 4141 VV RVG einen Ausgleich. Das gilt aber auch in den Fällen, in denen ggf. ein Strafbefehl nach § 408a StPO erlassen worden und vom Verteidiger, der keinen Kontakt zum Mandanten hat, vorsorglich Einspruch eingelegt worden ist.

Mehr zu dem Ganzen demnächst in AGS und/oder StRR.