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Kleineres Klappmesser – große Wirkung?

entnommen wikimedia.org Urheber User Gigaset

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Ein (kleineres [?]) Klappmesser von 8,4 cm Klingenlänge spielt in dem Verfahren OLG Naumburg, Beschl. v. 17.05.2016 – 2 RV 39/16 – eine große Rolle. Der Angeklagte hatte das nämlich bei einem Diebstahl in der Tasche und ist deswegen nicht nur wegen Diebstahls, sondern wegen Diebstahls mit Waffen nach § 244 StGB verurteilt worden. So einfach ist/war das aber nicht. Das OLG hat aufgehoben und nur wegen Diebstahls verurteilt:

„…. Die Feststellungen des Amtsrichters lassen eine Verurteilung wegen Diebstahls mit Waffen nicht zu. Deswegen ist der Schuldspruch des angefochtenen Urteils – schon auf die Sachrüge hin – abzuändern.

Nach den Urteilsausführungen hatte der Angeklagte bei der von ihm eingestandenen Diebstahlshandlung ein Klappmesser mit einer Klingenlänge von 8,4 cm in seiner rechten Jackentasche bei sich getragen (UA S. 4). Seine nachvollziehbare Einlassung, er habe „mit keiner Silbe an das sich seiner Jackentasche befindliche Messer gedacht“; … „erst im Büro des Detektives sei es ihm eingefallen, dass er ein Messer bei sich habe„ (UA S. 4 unten), hat der Amtsrichter im Rahmen der Beweiswürdigung nicht widerlegen können. Die Annahme eines Tatvorsatzes im Hinblick auf das Beisichführen einer Waffe ist lediglich aufgrund der Länge des Messers hergeleitet worden (vgl. UA S. 5).

Diese Schlussfolgerung erscheint im vorliegenden Fall rechtsfehlerbehaftet. Denn ein Klappmesser von 8,4 cm Klingenlänge ist zwar ein generell gefährlicher Gegenstand; der Umstand, dass der Angeklagte in Besitz des Messers war und dieses in seiner Jackentasche mit sich führte, lässt jedoch nicht ohne Weiteres auf ein entsprechendes Bewusstsein (des Beisichführens) schließen.

a zum Vorstellungsbild des Angeklagten keine weiteren Feststellungen zu erwarten sind und das Messer jedenfalls nicht derart lang war (Klingenlänge > 10 cm), dass sich für den Angeklagten das Mitsichführen des Messers jederzeit bewusst aufdrängen musste, ist der Angeklagte (nur) wegen Diebstahls gemäß § 242 Abs. 1 StGB zu belangen.“

Das hat natürlich ganz erhebliche Auswirkungen auf die Strafzumessung. Denn die Strafe ist nicht mehr dem Strafrahmen des § 244 Abs. 3 StGB, sondern nur noch dem Rahmen des § 242 Abs. 1 StGB zu entnehmen.

(Laden)Diebstahl mit Waffen – Pflichtverteidiger? Ja…

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In dem – häufig alltäglichen „Kampf um die Pflichtverteidigerbestellung hilft jetzt vielleicht auch der LG Bonn, Beschl. v. 07.01.2013 – 21 Qs-222 Js 347/12-98/12 82 Ds 439/12. Das LG Bonn hat beim dem Vorwurf des Diebstahls mit Waffen ohne große Begründung die Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 StPO bejaht:

„Die Pflichtverteidigerbestellung ist gemäß § 140 Abs. 2 StPO veranlasst, da wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage bezüglich der Feststellung eines Diebstahls mit Waffe gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint. Insbesondere die Frage des Vorsatzes zum Tatzeitpunkt hinsichtlich des Beisichführens des Teleskopschlagstocks erscheint nicht einfach angesichts dessen, dass der Angeklagte angegeben hat, den Teleskopschlagstock berufsmäßig als Sicherheitsfachkraft dabei gehabt zu haben (vgl. etwa OLG Hamm v. 02.01.2007, Az. 2 Ss 459/06, juris-Rn. 10; BayObLG v. 25.02.1999, Az. 5St RR 240/98, juris-Rn. 8).“

Interessant an der Sache ist, was sich allerdings nicht aus dem Beschluss ergibt, sondern mir die übersendende Kollegin mitgeteilt hat: Es handelte sich um einen „Ladendiebstahl“.

Die gebrauchsbereiten Schraubendreher – reicht nicht

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Auch auf die Gefahr hin, dass ich mir wieder einen bösen Kommentar einhandele, weise ich auf den BGH, Beschl. v. 21.06.2012 – 5 StR 286/12 – hin. Der BGH geht von folgenden Feststellungen des LG aus:

a) Nach den Feststellungen hebelte der Angeklagte mit „zwei mitgebrachten Schraubendrehern“ ein Fenster auf, um in die Geschäftsräume einer Firma zu gelangen, aus denen er eine LED-Lampe entwendete. Kurze Zeit später begab er sich zu den Geschäftsräumen einer weiteren Firma und schlug zwei Glasschiebetüren zum Lagerraum ein oder hebelte sie auf. Er trug anschließend einen Wandtresor mit über 7.000 € hinaus, wobei er die „verwendeten Schraubendreher gebrauchsbereit bei sich führte“.
Das LG verurteilt wegen Verstoßes gegen § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB. Dem BGH reichen die Feststellungen nicht.

b) Diese Feststellungen reichen nicht aus, um die Erfüllung des Tatbestands von § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB zu belegen. Das Beisichführen eines anderen gefährlichen Werkzeugs im Sinne dieser Vorschrift setzt voraus, dass es sich um einen Gegenstand handelt, der nach seiner objektiven Beschaffenheit geeignet ist, einem Opfer erhebliche Körperverletzungen zuzufügen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Juni 2008 – 3 StR 246/07, BGHSt 52, 257 – und vom 1. September 2004 – 2 StR 313/04, NJW 2004, 3437; Urteil vom 18. Februar 2010 – 3 StR 556/09, StV 2010, 628), etwa bei einer Eignung als Stichwerkzeug. Solche Feststellungen zur objektiven Gefährlichkeit hinsichtlich der Beschaffenheit der als Einbruchswerkzeug mitgeführten Schraubendreher hat das Landgericht nicht getroffen. Es grenzt diese – ohne sie näher zu beschreiben – nicht von „sonstigen Werkzeugen“ in Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1b StGB ab, bei denen eine Verwendungsabsicht des Täters zur Tatbestandsverwirklichung erforderlich ist.

Na  ja, ich bin mir nicht ganz sicher, ob man das nicht hätte auch anders sehen können. Mit den mitgebrachten Schraubendrehern wird das Fenster aufgehebelt und „Die verwendeten Schraubendreher gebrauchsbereit bei sich führt“.

Ach so: Warum böser Kommentar? Nun beim gestrigen Posting „Beweiswürdigung, es fehlte mal wieder das Basiswissen“ habe ich mir einen Kommentar eingefangen, der allerdings aus technischen Gründen leider nicht angezeigt wird. Da hieß es:

„Muss ja auf die Dauer sagenhaft befriedigend sein: Revisionsurteile exzerpieren und immer dazuschreiben “wie konnten die nur …”. Naja, andere Rentner ziehen durch ihr Wohnviertel und schreiben Falschparker auf, ist also offenbar ganz normal sowas …“

Also: Ich bin noch kein Rentner – jedenfalls habe ich nicht den Eindruck und interessanter, als Falschpaker aufzuschreiben ist das Bloggen auch. Obwohl es hier bei uns eine Menge Falschparker geben würde, die man aufschreiben könnte :-).

Das berufsbedingt geführte Teppichmesser

© Stefan Rajewski – Fotolia.com

Der Angeklagte arbeitet als LKW-Fahrer bei bei einem Großimporteur für griechische Lebensmittel. Nach Dienstschluss entwendet er in einem Laden verschiedene Gegenstände. Bei dieser Tat – so stellt das AG Backnang, Urt. v. 03.05.2012 – 2 Ls 116 Js 102123/11 fest, „führte der Angeklagte, der zuvor regulär gearbeitet hatte, in seiner Hemdtasche ein zu seinen täglich verwendeten Arbeitsgegenständen gehörendes Teppichmesser mit einziehbarer Klinge mit sich, woran er jedoch bei der Tatausführung nicht dachte.“ Frage, die an sich ein Klassiker ist: Diebstahl mit Waffen i.S. des § 233 244 StGB. Das AG sagt: Nein, und begründet das wie folgt:

„Das Gericht hat geprüft, ob die Tat als Diebstahl mit Waffen gemäß § 244 Abs. 1 StGB zu qualifizieren ist; dies ist jedoch zu verneinen. Zwar stellt das vom Angeklagten mitgeführte Teppichmesser zweifelsohne ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB dar, es fehlt jedoch an einem hinreichend sicheren Nachweis für den erforderlichen Tatbestandsvorsatz. Das Beisichführen im Falle des § 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB setzt subjektiv voraus, dass der Täter das gefährliche Werkzeug bewusst gebrauchsbereit bei sich hat. Hierbei genügt das allgemeine, noch auf keinen bestimmten Zweck gerichtete Bewusstsein, ein funktionsbereites Werkzeug zur Verfügung zu haben, das generell geeignet ist, erhebliche Verletzungen zu verursachen. Bei Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens, die regelmäßig mitgeführt und durchweg in sozialadäquater Weise eingesetzt werden, liegt das Bewusstsein, das Werkzeug als gefährliches bei sich zu führen, aber eher fern (Fischer, § 244 StGB, Rn. 31).

Voraussetzung für eine Strafbarkeit wegen Diebstahls mit Waffen ist jedoch, dass der Täter das Bewusstsein hat, dass das mitgeführte Werkzeug im Falle eines – wenn auch nicht von vornherein für möglich gehaltenen oder sogar unerwünschten – Einsatzes gegen Menschen erhebliche Verletzungen verursachen kann. Dies versteht sich bei einem Teppichmesser, das der Angeklagte nach seiner unwiderlegten Einlassung bei seiner zum Tatzeitpunkt bereits seit zehn Jahren ausgeübten Erwerbstätigkeit täglich mit sich führt, um die von ihm als Fahrer ausgelieferten Pakete zu öffnen oder andere Verpackungs- und Sicherungsmaterialien durchzuschneiden, nicht von selbst (vergleiche hierzu auch den Beschluss des KG Berlin vom 31.10.2007, 1 Ss 422/07, für ein seit etwa einem Jahr gewohnheitsmäßig mitgeführtes Taschenmesser mit einer Klingenlänge von sechs Zentimetern).

Es ist dem Angeklagten nicht zu widerlegen, dass er derartige Messer seit Jahren täglich mit sich führt, weil er es für die Ausübung seiner Berufstätigkeit benötigt. Es lässt sich damit auch nicht belegen, dass ihm beim Betreten der Supermarkt-Filiale die Gebrauchsbereitschaft als gefährliches Werkzeug bewusst und nicht in den gedanklichen Hintergrund getreten war, zumal es sich bei einem Teppichmesser anders als etwa bei einem Klapp- oder Springmesser nicht um eine Waffe beziehungsweise einen waffenähnlichen Gegenstand handelt, sondern um ein vom Angeklagten seit Jahren täglich mitgeführtes und gebrauchtes Werkzeug handelt.“

 

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