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Corona I: AG Weimar und AG Wuppertal melden sich, oder: Zwei etwas „ungewöhnliche“ Entscheidungen

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Heute dann der Start in  die 15. KW.

Und ich beginne diese Woche dann mal wieder mit „Corona“, dem Monothema der letzten Monate. Zunächst werde/will ich eine AG-Entscheidung erwähnen.

Nein, es ist nicht der AG Weimar, Beschl. v. 08.04.2021 – 9 WF 148/21, der gestern durch das Netzt gegeistert ist und die Wogen hat hoch schlagen lassen. Der Beschluss – das sieht man als Kundiger gleich am Aktenzeichen – das „F“ steht beim AG für „Familiengericht“ – ist im familiengerichtlichen Verfahren in Form einer einstweiligen Anordnung (eA) nach §§ 49 ff. FamFG) ergangen, wohl auf einen Antrag nach § 1666 BGB. Jedenfalls habe ich das so verstanden, wobei ich einräume: Die 178 Seiten, die der Beschluss lang ist, habe ich nur überflogen.

Denn: Der Beschluss untersagt zwei Schulen in Weimar, die Maskenpflicht anzuordnen, weil damit das Kindeswohl von zwei Schülern gefährdet sei. Spätestens da merkt man, dass etwas nicht stimmen kann. Denn:

  • Das Familiengericht überprüft die Maskenpflicht, die auf den Regelungen der Corona-VO in Thüringen beruht? Dafür ist wohl kaum das AG im familiengerichtlichen Verfahren zuständig. M.E. hat hier jemand eine Bühne gesucht und, wenn man die Kommentare unter den den diversen Veröffetlichungen sieht, auch gefunden.
  • Dafür sprechen die 178 Seiten, dafür spricht der in meinen Augen unsinnige Tenor des Beschlussen, der m.E. nocht vollstreckbar ist.
  • Dafür sprechen die „gehörten“ (?) Sachverständigen, die alle – gelinde ausgedrückt – Corona, wenn nicht leugnen, dann aber zumindest relativieren.
  • Dafür spricht der Veröffentlichungszeitpunkt: Auf einem Samstag im Internet. Da dauern Reaktionen der Fachbehörden lange – m.E. haben sie zu lange gedauert.

Daher: Ich werde den Beschluss – es handelt sich nicht um ein „Urteil“, wie an einigen Stellen zu lesen war – hier nicht verlinken. Sondern ich warte mal ab, was passiert. Ob Rechtsmittel möglich sind, bin ich mir gar nicht so sicher, wenn ich den § 57 FamFG sehe – aber ich bin kein Familienrechtler. Und wer soll es  einlegen? Wer war am Verfahren beteiligt? Das Land Thüringen offenbar nicht, denn das ist laut Beschluss ja nur angehört worden. Also so einfach ist das vielleicht gar nicht, wie das Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport in seiner gestrigen PM meint.

Nun zur eigentlichen Sache – wobei: Dafür, dass ich zu dem AG Weimar-Beschluss nicht bloggen woltte, ist es nun doch ein wenig mehr geworden. Aber egal.

Vorstellen wollte ich hier eine andere amtsgerichtliche Entscheidung, nämlich das AG Wuppertal, Urt. v. 29.03.2021 – 82 OWi-923 Js 192/21-2/21. Mit dem Urteil hat das AG Wuppertal vier Betroffene von einem Verstoß gegen die Kontaktbeschränkungen des § 2 Abs. 1, 2 Nr. 1 CoronaschutzVO NRW vom 30.10.2020 in der ab dem 10.11.2020 gültigen Fassung frei gesprochen. Die vier Betroffenen sollen sich am 15.11.2020 gegen 0:22 Uhr mit Angehörigen von mehr als dem eigenen und einem weiteren Hausstand getroffen haben.

Das AG spricht frei mit der Begründung:

§ 2 Abs. 1, 2 CoronaSchVO vom 30.10.2020 in der ab dem 10.11.2020 gültigen Fassung scheidet als taugliche Rechtsgrundlage für die gegenständlichen Bußgeldbescheide aus, weil die Norm gegen höherrangiges Recht verstößt. Sie ist nicht mit Art. 20 Abs. 3 bzw. Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG vereinbar.

Die Begründung stelle ich nicht näher ein. Das hat man m.E. alles schon mal gelesen.

Was mich an dem Urteil erstaunt: Die Argumentation des AG ist nicht neu – das AG nimmt ja auch selbst auf „AG Dortmund, Urteil vom 02. November 2020, 733 OWi – 127 Js 75/20, 64/20, Rn. 29 ff.; AG Ludwigsburg, Urteil vom 29. Januar 2021, 7 OWi 170 Js 112950/20, Rn. 23 ff.; AG Reutlingen, Beschluss vom 09. Dezember 2020, 4 OWi 23 Js 16246/20, Rn. 4 ff.; AG Weimar, Urteil vom 11. Januar 2021, 6 OWi – 523 Js 202518/20, Rn.10 ff.“ – über die Entscheidungen habe ich hier zum Teil ja auch berichtet. Von der abweichenden obergerichtlichen Rechtsprechung werden nur das OVG Münster (Beschl. v. 30.11.2020 – 13 B 1675/20.NE) und das OLG Hamm (Beschl. v. 08.02.2021, 1 RBs 4-5/21)  erwähnt: Deren Argumentation kann aber “ nicht verfangen“ bzw. es wird die „zugrundeliegende Wertung …. nicht geteilt.“ Kann man so machen, ist aber in meinen Augen nicht ganz sauber, wenn man zuvor den Sachverständigen und deren Auffassung breiten Raum eingeräumt hat.

Was mich dann erstaunt hat, ist das „obiter Dictum“ des AG, in dem es heißt:

„8)  Obiter Dictum

Der Unterzeichner erlaubt sich das Urteil mit den folgenden Anmerkungen zu beschließen:

Gerichtliche Entscheidungen stellen keine rein mathematische Subsumtion unter einen Tatbestand dar, sondern werden im Kontext politischer, gesellschaftlicher, wirtschaftlicher oder auch pandemischer Entwicklungen getroffen. Sie lassen sich auch in der Entscheidungsfindung nicht von ihren – gegebenenfalls weitreichenden – Konsequenzen entkoppeln. Dies kenntlich zu machen kann zu einer ehrlichen Auseinandersetzung über die gegenständlichen Einschränkungen und die sie betreffenden gerichtlichen Entscheidungen beitragen.

Bei der Lektüre einer Vielzahl von gerichtlichen Entscheidungen das Regelungsregime in der Pandemie betreffend konnte sich der Unterzeichner nicht des Eindrucks erwehren, dass diese oft weniger von inhaltlicher Überzeugung als von dem Wunsch getragen zu sein schienen, die effektive Bekämpfung einer unbestritten gefährlichen Pandemie nicht zu erschweren. Auch die auffällige Diskrepanz in der verfassungsrechtlichen Bewertung zwischen Rechtsprechung und Lehre zeigt in diese Richtung.

Bei allem Verständnis für diese Beweggründe sei hier der Hinweis erlaubt, dass so das Bewusstsein für ein grundlegendes Problem getrübt werden könnte. Gerade in Krisenzeiten dürfen die demokratischen Prinzipien des Grundgesetzes keine Aufweichung erfahren. Die freiheitlich-demokratische Grundordnung selbst ist der wirksamste Schutz gegen autoritäre und antidemokratische Strömungen, welche oft in Krisenzeiten und den mit ihnen verbundenen Unsicherheiten an Einfluss gewinnen. Parlamentarische Entscheidungen tendieren dazu, differenzierter auszufallen und erreichen so ein höheres Maß an gesellschaftlicher Akzeptanz, die einer krisenbedingten Polarisierung und Radikalisierung entgegenwirken kann. Auch die friedensstiftende Wirkung parlamentarisch-demokratischer Entscheidung streitet somit für den vorliegenden Versuch, von grundgesetzlichen Standards auch in Pandemiezeiten nicht abzuweichen.“

Da schießt das AG m.E. über das Ziel hinaus. Es hat in seinem Urteil die Frage zu beantworten, ob den Betroffenen ein Verstoß gegen die CoronaschutzVO NRW zur Last gelegt werden kann. Die hat es verneint. Und damit ist es dann m.E. auch gut (oder nicht). Über die Begründung kann man streiten und sie wird sicherlich vom OLG Düsseldorf überprüft werden. Alles andere/danach ist m.E. überflüssig.

Zum Schluss: Da ich heute andere Dinge zu tun habe, als ggf. Kommentare zu moderieren, habe ich die Kommentarfunktion geschlossen.

Corona II: „Zusammenkunft oder Ansammlung“ schon bei zwei Personen, oder: CoronaschutzVO NRW ist ok

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Die zweite „Corona-Entscheidung“ kommt heute vom OLG Hamm. Das hat im OLG Hamm, Beschl. v. 28.01.2021 – 4 RBs 446/20 – zum Ansammlungsverbot i.S. des § 12 Abs. 1 der CoronaschutzVO NRW Stellung genommen.

Das AG hatte folgende Feststellungen getroffen:

In der Sache hat das Amtsgericht folgende Feststellungen getroffen:

„Am 05.04.2020 zwischen 20.00 Uhr und 20.30 Uhr ging der Betroffene gemeinsam mit den gesondert verfolgten L und N die I-Gasse in Richtung Stadtmitte. Dabei gingen sie nebeneinander und erkennbar zusammengehörig die I-Gasse hoch. Einen Abstand von 1,5 m und mehr hielten sie dabei nicht ein. Sie schäkerten zusammen und hatten Spaß.

Der Betroffene wohnte zu diesem Zeitpunkt nicht in häuslicher Gemeinschaft mit den Zeugen L und N. Auch die Zeugen waren zu diesem Zeitpunkt nicht unter einer gemeinsamen Anschrift gemeldet. Der Betroffene wusste, dass es aufgrund der derzeit aktuellen Coronaschutzverordnung zu diesem Zeitpunkt unter anderem untersagt war, sich mit mehr als zwei Personen in der Öffentlichkeit anzusammeln bzw. zusammen zu kommen, wenn man nicht in häuslicher Gemeinschaft wohnte.

Auf der Höhe der I-Gasse # wurden sie von den Polizeibeamten und Zeugen N2 und N3 angetroffen und kontrolliert…..“

Auf der Grundlage hatte das AG den Betroffenen zu einer Geldbuße von 230 EUR verurteilt. Dagegen dann die Rechtsbeschwerde, die nur wegen der Höhe der Geldbuße Erfolg hatte.

Aus dem recht umfangreicht begründeten Urteil stelle ich hier nur die Ausführungen des OLG zum Begriff der „Zusammenkunft oder Ansammlung“ ein – Rest bitte selbst lesen:

„Durch das Ansammlungsverbot des § 12 CoronaSchVO NRW hat der Verordnungsgeber von dem ihm zukommenden Verordnungsermessen rechtsmäßigerweise Gebrauch gemacht. Insoweit gilt Folgendes:

(1) Die Begriffe „Zusammenkünfte und Ansammlungen“ im Sinne des § 12 Abs. 1 CoronaSchVO NRW werden vom Verordnungsgeber synonym verwendet. Hierfür spricht die teilweise Verwendung nur eines der Begriffe, ohne aber erkennbar eine Abgrenzung zu dem anderen Begriff vornehmen zu wollen, wie beispielsweise in § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 und 5 der Verordnung. Auch der Bundesgesetzgeber verwendet im Normtext des § 28 Abs. 1 IfSG nur den Begriff „Ansammlungen von Menschen“, versteht hierunter aber „alle Zusammenkünfte von Menschen“ (so der Gesetzesentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung seuchenrechtlicher Vorschriften, BT-Drs. 14/2530, S. 74 f.).

Was unter dem Begriff der Ansammlung zu verstehen ist, wird allerdings auch im IfSG nicht ausdrücklich definiert. Ansammlungen wurden in § 43 BSeuchG in der bis zum Jahr 1979 geltenden Fassung beispielhaft beschrieben mit „Veranstaltungen in Theatern, Filmtheatern, Versammlungsräumen, Vergnügungs- oder Gaststätten und ähnlichen Einrichtungen, sowie die Abhaltung von Märkten, Messen, Tagungen, Volksfesten und Sportveranstaltungen“. Auf diese Aufzählung verzichtete der Gesetzgeber des Jahres 2000, ohne jedoch einzelne dieser Veranstaltungen fortan ausnehmen zu wollen. Er wollte vielmehr durch die offenere Fassung sicherstellen, dass alle Zusammenkünfte von Menschen erfasst werden, die eine Verbreitung von Krankheitserregern begünstigen (BT-Drs. 14/2530, 75).

Nach dem Sprachgebrauch versteht man unter einer Ansammlung das Zusammenkommen einer Mehrzahl von Personen. Auch wenn der Begriff der Ansammlung somit weit zu fassen ist, benötigt man jedenfalls einen inneren Bezug oder eine äußere Verklammerung (vgl. Kießling, a.a.O., § 28 Rn. 37), andernfalls würde jede bloß zufällige gleichzeitige Anwesenheit mehrerer Menschen im Interesse der individuellen Bedarfsdeckung, wie beim Einkaufen oder auch bei einem bloßen Spaziergang im öffentlichen Raum zu einer verbotenen Ansammlung i.S.d. §12 Abs.1 CoronaSchVO NRW führen. Dies kann nicht der Wille des Verordungsgebers gewesen sein (vgl. hierzu auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 11.06.2020 -13 MN 192/20, das den Begriff der Zusammenkunft oder Ansammlung dahingehend auslegt, dass hierunter nur jedes gezielte Zusammensein von Menschen an einem Ort um der kollektiven Ansammlung willen, nicht aber jede bloß zufällige gleichzeitige Anwesenheit mehrerer Menschen, zu verstehen ist). Von der Versammlung ist die Ansammlung dadurch abzugrenzen, dass sich erstere durch den Ausdruck gemeinschaftlicher, auf Kommunikation angelegter Entfaltung auszeichnet (vgl. BVerfG, NJW 1985, 2395, 2396).

Im Hinblick darauf, dass § 28 Abs.1 S. 1 IfSG den Verordnungsgeber nur zur Anordnung notwendiger Schutzmaßnahmen ermächtigt, soweit und solange dies zur Verhinderung der übertragbaren Krankheit erforderlich ist, setzt eine bußgeldbewehrte Zusammenkunft i.S.d. § 12 CoronaSchVO NRW auch das Vorliegen einer räumlichen Komponente voraus. Denn im Falle der verlässlichen Wahrung eines eine Übertragung der Krankheit ausschließenden Mindestabstands ist das Verbot einer Ansammlung nicht mehr zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich (vgl. hierzu auch Merz, a.a.O.). Zwar ist es aus Sicht des Senats nicht geboten, das Vorliegen einer verbotenen Ansammlung i.S.d. § 12 Abs. 1 CoronaSchVO NRW an die kumulative Tatbestandsvoraussetzung der tatsächlichen Unterschreitung eines Mindestabstandes von 1,50 Meter zu knüpfen (bejahend AG Reutlingen, Urteil vom 03.07.2020 – 5 OWi 26 Js 12311/20 -, COVuR 2020, 611 für §§ 3 bzw. 9 Corona-VO BW; vgl. auch Merz, a.a.O.). Ein diesbezügliches Erfordernis ergibt sich nicht daraus, dass der Verordnungsgeber in § 11 Abs. 2 und 3 CoronaSchVO NRW bestimmte „Veranstaltungen“ unter weiteren Voraussetzungen dann nicht untersagt hat, wenn ein Mindestabstand von 1,5 Metern gewährleistet ist. Daraus lässt sich – gerade im Hinblick auf die weiteren Zulassungsvoraussetzungen – nach Auffassung des Senats nicht eine generelle Wertung des Verordnungsgebers dahingehend ableiten, dass ein Mindestabstand von 1,5 Metern allein geeignet sei, die Gefahr einer Übertragung auszuschließen. Vielmehr ist die Einhaltung eines Mindestabstandes von 1,5 Metern zwar geeignet, das Infektionsschutzrisiko deutlich zu verringern, die Gefahr einer Übertragung ist aber gleichwohl nicht gänzlich ausgeschlossen und wird auch von weiteren Faktoren, wie etwa den konkreten Umständen der Zusammentreffen (außerhalb oder innerhalb geschlossener Räume, Anzahl der Personen etc.) beeinflusst (vgl. hierzu Robert Koch-Institut, Infektionsschutzmaßnahmen, abrufbar unter https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/FAQListe_Infektionsschutz.html).

Ohnehin begründet das Zusammenkommen mehrerer Personen häufig die Gefahr, dass hinreichende Mindestabstände – wenngleich auch häufig unbeabsichtigt – gerade nicht verlässlich eingehalten werden. Daher bedarf es aus Gründen der Verhältnismäßigkeit einer dahingehenden Einschränkung, dass eine verbotene Ansammlung i.S.d. § 12 CoronaSchVO NRW dann nicht vorliegt, wenn eine derartig deutliche räumliche Trennung bzw. Distanz besteht, aufgrund derer von vorneherein die typische Gefahr der Unterschreitung eines ein Infektionsrisiko ausschließenden Mindestabstands zu verneinen ist.

(2) Soweit § 12 Abs. 1 CoronaSchVO NRW Ansammlungen und Zusammenkünfte nach der vorgenannten Auslegung bereits ab einer Personenzahl von mehr als zwei Personen verbietet, ist dies nach Auffassung des Senats ebenfalls von der Ermächtigungsgrundlage des § 28 Abs. 1 S. 2 IfSG gedeckt. Wie auch von der oberverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. OVG Münster, BeckRS, 2020, 9803; OVG Lüneburg, BeckRS 12899) und in der Literatur (Siegel, NVwZ 2020, 577; Kießling, a.a.O., § 28 Rn. 39; Merz, a.a.O. m.w.N.) anerkannt, umfasst der Begriff der Ansammlung in § 28 Abs. 1 S. 2 IfSG jegliche Ansammlung, ohne dass es sich um solche einer größeren Anzahl von Menschen handeln muss.

In der amtsgerichtlichen Rechtsprechung wird zwar teilweise die Auffassung vertreten, der Begriff der Ansammlung im Sinne von § 28 Abs. 1 S. 2 IfSG sei dahingehend auszulegen, dass für eine Ansammlung eine größere Anzahl von Menschen erforderlich sei (vgl. hierzu AG Dortmund, Urteil v. 02.11.2020 – 733 OWi 127 Js 75/20-64/20 – , bislang nicht rechtskräftig). Dies ergebe sich daraus, dass der Gesetzgeber bei der Änderung des Wortlautes des § 28 IfSG mit der Streichung der Formulierung „einer größeren Anzahl“ keine inhaltliche Änderung des § 28 Abs. 1 S. 2 IfSG habe vornehmen wollen, so dass bei der Auslegung des Begriffes der Ansammlung nach wie vor davon auszugehen sei, dass hierfür eine größere Anzahl von Menschen erforderlich sei und eine Ansammlung von drei Personen daher noch nicht als Ansammlung im Sinne von § 28 Abs. 1 S. 2 IfSG angesehen werden könne (vgl. AG Dortmund, a.a.O.). Dieser Auffassung ist jedoch nach Ansicht des Senats nicht zu folgen. Die Formulierung in der Gesetzesbegründung aus Anlass der Änderung des Wortlauts des § 28 Abs. 1 S. 2 IfSG, dass es sich um eine Anpassung „aus Gründen der Normenklarheit handelt“ (vgl. BT-Drs.19/18111, S. 24), lässt nicht den Schluss zu, der Gesetzgeber habe mit der vorbezeichneten Streichung keine inhaltliche Änderung des § 28 Abs. 1 S. 2 IfSG vornehmen wollen (so auch Merz, a.a.O.). Denn eine Änderung aus Gründen der Normenklarheit schließt eine inhaltliche Änderung keineswegs aus, weil die Notwendigkeit, eine Norm im Hinblick auf ihre Bestimmheit und Verständlichkeit anzupassen, auch eine inhaltliche Änderung erfordern kann (vgl. Merz, a.a.O.). Vor diesem Hintergrund ist die Formulierung in der Gesetzesbegründung vielmehr so zu verstehen, dass der Gesetzgeber den Begriff der Ansammlung dahingehend konkretisieren wollte, dass es hierfür einer unbestimmten größeren Menge von Menschen gerade nicht bedarf (vgl. ausführlich Merz, a.a.O.; im Ergebnis auch Rau, in: Schmidt, COVID-19, Rechtsfragen zur Corona-Krise, 2. Auflage 2020, § 19 Straf- und Strafprozessrecht, Rn. 23).

Nicht zuletzt wird die Auslegung, dass bereits eine Menschenmenge von mindestens drei Personen vom Begriff der „Ansammlung“ des § 28 Abs. 1 S 2 erfasst ist, vom Wortlaut dieses Begriffs gedeckt. Wie bereits ausgeführt ist nach dem Sprachgebrauch unter dem Begriff „Ansammlung“ lediglich eine Mehrzahl von Personen zu verstehen, ohne dass es sich um eine größere Anzahl von Personen handeln muss (vgl. Merz, a.a.O.; Sachs/Höfling, GG, 8. Auflage 2018, Art. 8 Rn. 13).