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Christian Wulff, was war/was kommt – Überraschungen: Ja oder nein?

entnommen wikimedia.org

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Gestern  (27.02.2014) ist Christian Wulff – nach, ich meine, es waren 13 Hauptverhandlungstage – frei gesprochen worden. Ein Ergebnis, dass nach dem Prozessverlauf und den im Laufe der letzten Hauptverhandlungstage mehr oder weniger deutlichen Hinweisen der Strafkammer zu erwarten war und nicht mehr sonderlich überrascht hat. Mich überraschen auch nicht die Kommentare/Erläuterungen/Erklärungen, die seit gestern und sicherlich auch noch in den nächsten Tagen – nicht überall ist Karneval – auf uns einstürzen werden. Denn auch die waren/sind zu erwarten.

Nach dem Ende des Verfahrens macht man sich so seine Gedanken – da bin ich sicherlich nicht allein. Ob denn alles so kommen musste, wie es gekommen ist, oder ob nicht doch das Ein oder Andere überraschend ist/war. Blicken wir also zurück, aber blicken wir auch nach vorn.

Gehen wir zunächst zurück an den Anfang. Da hat mich überrascht, wie wenig professionell Christian Wulff mit der Affäre umgegangen ist. Aus einem Schneeball wurde eine Lawine, die nicht mehr aufzuhalten war. Und das erst recht nach dem unsäglich unglücklichen Anruf beim Bild-Chefredakteur. Man darf überall anrufen, nur da nicht. Ich habe mich auch seitdem immer wieder gefragt: Was wäre eigentlich, wenn Christian Wulff nicht so defensiv reagiert und die Karten auf den Tisch gelegt hätte? Wäre er dann heute noch Bundespräsident?

Nicht überrascht hat mich die Einleitung der Ermittlungen durch die StA Hannover im Februar 2012. Der erforderlich Anfangsverdacht lag sicherlich vor. Allein schon das ungeschickte Taktieren von Christian Wulff und die angewandte Salamitaktik rechtfertigten m.E. zusammen mit dem, was bis dahin bekannt war, die Einleitung des Ermittlungsverfahrens. Ob man allerdings auch noch das Privathaus von Christian Wulff mediengerecht – aber wo lauert die Meute nicht – durchsuchen musste: Ich weiß es nicht. Ich weiß auch nicht, was man dort eigentlich noch zu finden hoffte, nachdem die Krise zum Zeitpunkt der Durchsuchung schon Wochen/Monate schwelte. Wenn es Belege u.Ä. gegeben hat, dann wären die m.E. vernichtet gewesen. Aber vielleicht denkt man als Staatsanwaltschaft anders, ich weiß es nicht.

Etwas mehr Probleme habe ich mit der Frage, ob es zutreffend war, wenn die Staatsanwaltschaft dann nach den (Vor)Ermittlungen einen hinreichenden Tatverdacht bejaht und dann Anklage erhoben hat. Auf den ersten Blick ist man gewillt zu sagen: Das war falsch, wie der Freispruch beweist, die Wahrscheinlichkeit späterer Verurteilung hätte nicht bejaht werden dürfen. Argumentiert man aber so, bedeutet das jedoch, dass bei jedem Freispruch nachträglich die Anklageerhebung zu rügen wäre. Das kann aber nicht richtig sein, denn man würde dabei aus den Augen verlieren, dass es bei der Anklageerhebung eben nur um die „Wahrscheinlichkeit“ der Verurteilung geht, die am Ende der Beweisaufnahme stehende Verurteilung aber die „Überzeugung“ des Gerichts von der Täterschaft des jeweiligen Angeklagten voraussetzt. Das sind gewaltige – dem Strafverfahren und der StPO immanente  – Unterschiede, die man hinnehmen muss.

Man fragt sich natürlich in dem Zusammenhang: Hätte die Strafkammer, die jetzt frei gesprochen hat, nicht auch schon eher sehen können, ja müssen, dass es für eine Verurteilung nicht reicht und hätte daher gar nicht erst das Hauptverfahren eröffnen dürfen? Aber auch hier muss man fragen: War das Ergebnis, das jetzt vorliegt, zu dem Zeitpunkt der Eröffnung denn schon absehbar? Wahrscheinlich und aus Sicht der Kammer nicht, denn dann hätte man – davon gehe ich aus – nicht eröffnet. Letztlich wird man das aber ohne genaue Kenntnis der Akten kaum entscheiden können. Und: Es gibt Rechtsprechung, die in Zweifelsfällen, in denen die Verurteilung ebenso wahrscheinlich ist wie die Nichtverurteilung die Eröffnung als zulässig ansieht, wenn letztlich erst eine Hauptverhandlung Klärung bringt. Ggf. würde das eine aus heutiger Sicht (!!!) falsche Eröffnungsentscheidung rechtfertigen. Wie gesagt: Wer außer dem Gericht, den Verteidigern und der Staatsanwaltschaft kennt die Akten?

Mich überrascht es schließlich nicht, wenn die Staatsanwaltschaft in die Revision geht. Überall hört man jetzt bzw. hat schon vor dem Freispruch gehört, dass damit das Verfahren in die zweite Runde gehen würde, auch bei den öffentlich-rechtlichen Sendern. Nun, wir wissen, dass das Quatsch ist, denn einen zweiten „Rechtsgang“ gibt es erst, wenn der BGH das Urteil des LG Hannover aufgehoben hat. Ich kann im Übrigen nachvollziehen, wenn die StA in die Revision geht. Sie hat die Ermittlungen aufgenommen, Anklage erhoben und das Verfahren mit dem Ziel der Verurteilung von Christina Wulff betrieben. Da ist es nur folgerichtig, wenn man dann jetzt auch noch in die Revision geht. Alles andere würde mich überraschen. Natürlich ist das für den Angeklagten weitere Belastung, aber: Am Ende steht ggf. die Verwerfung der Revision der StA und damit einen Freispruch durch den BGH.

Was bleibt? Das gestrige Urteil war (sicherlich) noch nicht das Ende des Verfahrens. Christian Wulff hat eine Schlacht gewonnen, noch nicht den Krieg. Gesamt-  und nicht nur Etappensieger – ist er erst, wenn ggf. der BGH ein (letztes) Wort gesprochen hat. Warten wir es ab.

Ein teures Upgrade – 20.000 € für zwei Hotelübernachtungen?, oder: Wie entscheidet sich Christian Wulff?

© Timur Emek/dapd

Lange war es einigermaßen ruhig um den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wullf, auch in den Blogs; der letzte Beitrag zu Christian Wulff datiert m.E. vom 13.01.2013 (vgl. hier). Nun geht es aber sicher wieder los, wenn auch die Meldungen über das „Einstellungsangebot“ der Staatsanwaltschaft Hannover nicht mehr die ersten Seiten der Tagespresse beherrschen, sondern weit(er) nach hinten gerutscht sind (in den „Westfälischen Nachrichten“ reichte es gerade noch für ein paar Zeilen auf der Seite 2 unter der Rubrik „Menschen“).

Es liegt also nun das „Angebot“ an den ehemaligen Bundespräsidenten auf dem Tisch: 20.000 € für eine Einstellung nach § 153a StPO und dann sind auch die Vorwürfe wegen „Vorteilsannahme“ vom Tisch. Mehr ist nämlich nicht geblieben am Ende eines umfangreichen Ermittlungsverfahrens, in dem 90 Zeugen vernommen worden sein sollen, als der Vorwurf der Vorteilsannahme wegen des Hotelupgrades in München. Es geht also noch um 770 € für zwei Übernachtungen (vgl. hier u.a. aus Zeit-online).

Ganz schön teures Upgrade für Christian Wullf, zu dem er bis zum 08.04.2013 eine Entscheidung treffen soll. Und die möchte ich nicht treffen müssen, ebenso möchte ich ihm nicht raten müssen, wie man sich verhält. Denn:

  • Sicher, überall heißt es: Dann sind die Vorwürfe endgültig vom Tisch – juristisch. Aber: Der „Makel“, nicht frei gesprochen worden zu sein, bleibt. Ich brauche an der Stelle jetzt keinen Kommentar dahin, dass es nach der Rechtsprechung des BVerfG bei einer Einstellung nach § 153a StPO nicht zu einer endgültigen Schuldfeststellung kommt. Das weiß ich – und das wissen Christian Wulff und seine Verteidiger auch. Aber wie sagten schon die (alten) Römer: Semper aliquid haeret.
  • Und: Die Einstellung nach § 153a StPO setzt zumindest einen hinreichenden Tatverdacht voraus, sonst kann das „Angebot“ nicht gemacht werden. Also wird man sich als Beschuldigter immer damit auseinander setzen müssen, dass „irgendetwas dran“ war, denn sonst hätte die Staatsanwaltschaft ja nicht § 153a StPO angeboten. Und das ist mehr als man bei Zeit-Online meint: „Die Zahlung impliziere lediglich die Übernahme der strafrechtlichen Verantwortung für den hinreichenden Tatverdacht, also für den Beginn der Ermittlungen, die letztlich zu Wulffs Rücktritt geführt hatten…“ Der Beginn der Ermittlungen setzt keinen „hinreichenden Tatverdacht“ voraus, sondern einen Anfangsverdacht. Jetzt ist man schon eine Stufe weiter und bejaht im Grunde die Voraussetzungen für eine Anklageerhebung, also den „genügenden Anlass“ i.S. des § 170 Abs. 2 StPO. Von der Anklage wird (nur) abgesehen, weil man meint, dass sich das öffentliche Interesse an der Anklageerhebung durch die Erfüllung der Geldauflage ausräumen lässt. Allerdings: Das klang hier noch anders (“Affäre um Hotelrechnungen: Wulff bleibt Korruptionsprozess wohl erspart”).
  • Und zum öffentlichen Interesse: Besteht wirklich kein „öffentliches Interesse an der Strafverfolgung“, was ja auch impliziert, dass die Vorwürfe, die noch verblieben sind in öffentlicher Hauptverhandlung geklärt werden?

Das alles sind Fragen, mit denen sich Christian Wulff und seine Verteidiger befassen müssen. Dazu dann auch noch die allgemeine Frage, ob man sich denn eine öffentliche Hauptverhandlung antun will, zwar mit der Chance eines Freispruchs – aber was ist der (noch) wert und was ist er wert, wenn er nach wochen- oder monatelanger Hauptverhandlung (90 Zeugen!!) kommt und bis dahin die Sau wieder durchs Dorf getrieben worden ist. Wie gesagt: Ich möchte nicht in Christian Wulffs Haut stecken und mich (richtig) entscheiden müssen.

Allerdings: Wie man es dreht und wendet: Es bleibt jedenfalls ein teures Upgrade.