Die zweite Pflichtverteidigungsentscheidung, der LG Oldenburg, Beschl. v. 26.10.2021 – 4 Qs 424/21 – ist nichts zum Aufregen. Zum Glück. Es handelt sich vielmehr um eine sehr „schöne“ Entscheidung zu der Frage, die zum alten Recht der Pflichtverteidigung umstritten war, ob nämlich die nach § 408b StPO im Strafbefehlsverfahren erfolgte Pflichtverteidigerbestellung über die Einspruchseinlegung hinaus andauert und mit Einlegung des Einspruchs endet. Das LG Oldenburg macht es „richtig“, und zwar so wie schon die h.M. zum alten Recht. Die Bestellunbg dauert fort:
„2. Die sofortige Beschwerde ist begründet. Die Verfügung war rechtsfehlerhaft und daher aufzuheben. Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts endet eine Pflichtverteidigerbeiordnung nach § 408b StPO nicht per se mit dem Einlegen des Einspruchs.
Die Strafprozessordnung enthält keine Spezialregelung über die Dauer der Pflichtverteidigerbeiordnung im Strafbefehlsverfahren. Daher sind im Verfahren nach § 408b StPO grundsätzlich die allgemeinen Regeln über die notwendige Verteidigung anzuwenden. Dies hat der Gesetzgeber nunmehr auch bewusst dadurch deutlich gemacht, dass er die Verweisung in § 408b S. 2 StPO a. F., welche lediglich auf § 141 Abs. 3 StPO verwiesen hatte, mit dem Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung gestrichen hat. Hiermit sollte klar zum Ausdruck gebracht werden, dass die gesamten Regelungen der §§ 141 ff. StPO auch im Rahmen der Pflichtverteidigerbeiordnung nach § 408b StPO anwendbar sein sollen (vgl. BR-Drucks. 364/19, S. 53). Die früher streitige Frage über die Reichweite der notwendigen Verteidigung nach § 408b StPO ist damit durch den Gesetzgeber beantwortet worden. Aus der Neuregelung folgt, dass auch § 143 Abs. 1 und Abs. 2 StPO im Verfahren nach § 408b StPO grundsätzlich uneingeschränkt anwendbar ist und sich die Beendigung der Bestellung nach diesen Normen richtet. Danach endet die Bestellung eines Pflichtverteidigers entweder mit der Einstellung oder dem rechtskräftigen Abschluss eines Verfahrens oder mit der Aufhebung der Beiordnung durch das Gericht. Das Gericht kann die Bestellung dann nach § 143 Abs. 2 S. 1 StPO aufheben, wenn die Voraussetzungen der notwendigen Verteidigung nicht mehr vorliegen. Ein automatisches Ende für den Fall, dass die Voraussetzungen der Beiordnung nicht mehr vorliegen, sieht die Strafprozessordnung dagegen nicht vor.
Dies bedeutet für das Strafbefehlsverfahren, dass die Bestellung zweifellos endet, wenn der Strafbefehl in Rechtskraft erwächst. Legt der Angeschuldigte hingegen Einspruch ein, ist zu differenzieren. Ist eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr zu erwarten, hat die Bestellung schon nach § 140 Abs. 2 StPO fortzudauern. Ist hingegen, wie in diesem Fall, eine darunterliegende Freiheitsstrafe zu erwarten, so kann die Bestellung im Einzelfall nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts nach § 143 Abs. 2 S. 1 StPO aufgehoben werden (vgl. Meyer/Goßner, § 408b, Rn. 10). § 143 Abs. 2 S. 1 StPO ist aufgrund der bereits dargestellten Grundsätze ebenfalls im Verfahren nach § 408b StPO anwendbar. Eine besondere Regelung für die Beendigung der Beiordnung nach § 408b StPO existiert nicht, es bleibt daher bei der allgemeinen Regelung.
Eine solche Regelung erscheint auch sachgerecht. ….. „
Die Frage/Entscheidung hat ggf. auch gebührenrechtliche Auswirkungen.