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StGB III: Einsatz des Messers „bei der Vergewaltigung“?, oder: besonders schwere Vergewaltigung

Und als letzte Entscheidung des Tages dann das BGH, Urt. v. 25.10.2018 – 4 StR 239/18, der ebenfalls die Problematik der besonders schweren Vergewaltigung (§ 177 Abs. 8 StGB) behandelt. Es geht um den Einsatz eines Einhandmessers und einer Metallkette „bei der Tat“. Das LG hatte dieses Merkmal verneint. Der BGH hat es bejaht:

„2. a) Das Landgericht hat den Qualifikationstatbestand der besonders schweren Vergewaltigung (§ 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB) mit unzureichender Begründung verneint.

aa) Das Verwenden einer Waffe oder eines gefährlichen Werkzeugs „bei der Tat“ liegt in zeitlicher Hinsicht vor, wenn das gefährliche Werkzeug zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen Versuchsbeginn und Beendigung der Tat eingesetzt wird (BGH, Urteil vom 4. April 2007 – 2 StR 34/07, BGHSt 51, 276, 278; Beschluss vom 25. Februar 2010 – 5 StR 542/09, BGHR StGB § 250 Abs. 2 Nr. 1 Verwenden 8). Der Angeklagte setzte das Einhandmesser und die Metallkette ein, nachdem er bereits einmal sexuelle Handlungen vorgenommen hatte und bevor er ein weiteres Mal Oral- und Geschlechtsverkehr mit der Nebenklägerin ausübte. Das Landgericht hat alle sexuellen Handlungen aufgrund des engen zeitlichen, örtlichen und situativen Zusammenhangs zutreffend als tateinheitlich begangen gewertet. Dementsprechend verwendete der Angeklagte das Messer und die Metallkette vor der Beendigung der sexuellen Handlungen, also bei der Tat gegen die Nebenklägerin.

bb) Die Erfüllung der Qualifikation setzt nicht voraus, dass die Waffe oder das gefährliche Werkzeug gerade als Nötigungsmittel eingesetzt wird, es reicht der Einsatz als Werkzeug bei der sexuellen Handlung (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2000 – 4 StR 464/00, BGHSt 46, 225, 228; Beschluss vom 15. April 2014 – 2 StR 545/13, NJW 2014, 2134, 2135). Dafür genügt es auch, wenn ein „einheitlicher Vorgang mit Sexualbezug“ vorliegt (BGH, Urteil vom 6. Februar 2002 – 1 StR 506/01, NStZ 2002, 431, 432). Soweit das Landgericht darauf abgestellt hat, dass der Einsatz des Messers und der Metallkette nicht der Durchführung der sexuellen Handlungen, sondern der Bestrafung der Nebenklägerin gedient hätten, greift diese Erwägung zu kurz. Zum einen hat das Landgericht nicht bedacht, dass der Angeklagte von Anfang an vorhatte, die Nebenklägerin einzuschüchtern und zu bestrafen. Naheliegend dienten auch die sexuellen Handlungen diesem Zweck. Es könnte sich daher bei dem Geschehen in der Wohnung der Nebenklägerin um einen von Anfang an geplanten einheitlichen Vorgang mit Sexualbezug handeln. Zum anderen stand die Nebenklägerin bei den späteren sexuellen Handlungen für den Angeklagten erkennbar (UA S. 23) unter dem Eindruck des „soeben Erlebten“, also auch des Einsatzes von Einhandmesser und Metallkette, und leistete „wegen der unmittelbar zuvor erlebten Züchtigungen“ keine Gegenwehr. Es liegt nahe, dass der Angeklagte eine solche Nötigungswirkung des Einsatzes von Messer und Metallkette im Hinblick auf die Erduldung weiterer sexueller Handlungen zumindest billigend in Kauf nahm. Der Senat braucht unter diesen Umständen nicht zu entscheiden, ob nach der Neufassung des § 177 StGB durch das 50. Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches vom 4. November 2016 nicht jegliche Verwendung einer Waffe oder eines gefährlichen Werkzeugs im Zeitraum zwischen Versuchsbeginn und Beendigung der Tat auch ohne Nötigungswirkung und sexuellen Bezug ausreicht, die Qualifikation des § 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB zu erfüllen (vgl. BT-Drucks. 18/9097, S. 29).“

StGB II: Ist ein Dildo ein „gefährliches Werkzeug“?, oder: Besonders schwere Vergewaltigung

entnommen wikimedia.org
Fotograf: Agon S. Buchholz (asb)

Die zweite Entscheidung, die ich heute vorstelle, hat ebenfalls sexuellen Bezug. Es handelt sich um den BGH, Beschl. v. 10.10.2018 – 5 StR 179/18. Das LG hat die Angeklagten wegen besonders schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu Freiheitsstrafen verurteilt. Die Einzelheiten der Tat will ich mir hier ersparen, die sind mehr als „unschön“. Wer „Interesse“ hat, mag das im verlinkten Volltext nachlesen. Kurz gefasst liegen der Veurteilung sexuelle Übergriffe auf den gesitiug behinderten Nebenkläger zugrunde. Bei denen ist dann auch ein Dildo in dessen After eingeführt worden. Das LG hat das nicht als „besonders schwere Vergewaltigung“ i.S. von  § 177 Abs. 8 Nr. 1 Alt. 2 StGB angesehen. Das hat die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision erfolgreich gerügt:

„2. Zu Recht beanstandet die Staatsanwaltschaft, dass die Jugendkammer das gewaltsame Einführen des Dildos in den After des Nebenklägers nicht als Verwenden eines gefährlichen Werkzeugs im Sinne von § 177 Abs. 8 Nr. 1 Alt. 2 StGB angesehen hat.

Ein gefährliches Werkzeug im Sinne dieser Alternative liegt vor, wenn ein – auch für sich gesehen ungefährlicher – Gegenstand nach der konkreten Art seiner Verwendung geeignet ist, erhebliche Verletzungen zu verursachen (vgl. zum gleichlautenden früheren § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB Hörnle in Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl., § 177 Rn. 284 ff. mwN). Dies ist regelmäßig bei einem Dildo der Fall, wenn er überraschend und kräftig in den After gestoßen wird und hierdurch ganz erhebliche Schmerzen und eine Hautunterblutung am Aftereingang verursacht. Die Jugendkammer hätte sich deshalb nicht mit der Überlegung begnügen dürfen, die konkrete Beschaffenheit des Dildos sei nicht feststellbar, weshalb der Gegenstand nicht als gefährlich angesehen werden könne. Die vom Landgericht in diesem Zusammenhang zitierte Entscheidung des 3. Strafsenats (BGH, Beschluss vom 10. Januar 2017 – 3 StR 278/16) besagt nichts anderes, da sie sich mit dieser Fragestellung (auf die Revision der Angeklagten hin) nicht auseinandersetzt.“

Und:

„3. Ebenso rechtsfehlerhaft prüft die Jugendkammer nicht, ob die Qualifikation der schweren körperlichen Misshandlung nach § 177 Abs. 8 Nr. 2a StGB im vorliegenden Fall erfüllt wurde. Für eine schwere körperliche Misshandlung in diesem Sinne genügt jede schwere Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens; die körperliche Integrität muss in einer Weise, die mit erheblichen Schmerzen verbunden ist, beeinträchtigt sein (vgl. BGH, Urteile vom 13. September 2000 – 3 StR 347/00, NJW 2000, 3655; Beschluss vom 3. Mai 2018 – 3 StR 658/17). Auch wenn die insoweit anzustellenden Anforderungen nicht zu niedrig angesetzt werden dürfen (vgl. BGH aaO), liegt dieses Merkmal angesichts der stundenlangen Quälerei des Nebenklägers mit Zufügung „thermischer Hautverletzungen“ und erheblicher Schmerzen durch anale Penetration (vgl. insoweit BGH, Urteil vom 9. Dezember 2014 – 5 StR 422/14, NStZ 2015, 152) doch überaus nahe und hätte erörtert werden müssen.“

Das Kopfkissen bei der Vergewaltigung

© Aintschie - Fotolia.com

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Die Rechtsprechung des BGH zum „gefährlichen Werkzeug“ ist umfang- und facettenreich. Eine neue Facette fügt der BGH, Beschl. v. o5.11.2014 – 1 StR 503/14 – bei, ergangen in einem Vergewaltigungsverfahren. Dort hatte der Angeklagte durch aus einem an sich „ungefährlichen Gegenstand“, einem Kopfkissen, durch die Art des  konkreten Einsatzes ein gefährliche Werkzeug gemacht und war dafür dann nach Auffassung des BGh zur Recht wegen besonders schwerer Vergewaltigung nach § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB verurteilt worden.

Der Schuldspruch der besonders schweren Vergewaltigung gemäß § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB ist rechtsfehlerfrei. Indem der Angeklagte der 86 Jahre alten Geschädigten ein 80 x 80 cm großes Kopfkissen über mindestens eine Minute lang derart auf das Gesicht drückte, dass diese unter starker, quälender Atemnot und Todesangst litt, kurz vor der Bewusstlosigkeit stand und infolge der Atemnot Einblutungen im gesamten Gesichtsbereich (u.a. den Lidinnen- und Bindehäuten und im Augenweiß) eintraten, hat er ein gefährliches Werkzeug im Sinne von § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB verwendet.

Ein gefährliches Werkzeug in diesem Sinne wird nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht nur dann benutzt, wenn der Täter ein generell gefährliches Tatmittel einsetzt, sondern auch, wenn sich die objektive Gefährlichkeit des eingesetzten Gegenstandes erst aus der konkreten Art seiner Verwendung ergibt, die geeignet ist, erhebliche Verletzungen herbeizuführen. Werkzeug ist dabei jeder bewegliche Gegenstand, mit dem gleich auf welche Weise auf den Körper des Opfers eingewirkt werden kann. Die Gefährlichkeit des Tatmittels kann sich gerade daraus ergeben, dass ein Gegenstand bestimmungswidrig gebraucht wird. Damit ist gefährliches Werkzeug im Sinne von § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB ein beliebiger Gegenstand immer schon dann, wenn er – wie hier – seine objektive Gefährlichkeit durch die konkrete Art und Weise seiner (zweckwidrigen) Verwendung erhält (st. Rspr.; vgl. ausführlich dazu BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 – 4 StR 487/10, NStZ-RR 2011, 275, 276 mwN).“

Und:

Zu Recht ist das Landgericht zudem im vorliegenden Fall von Tateinheit zwischen einer besonders schweren Vergewaltigung nach § 177 Abs. 4 Nr. 1, Nr. 2a StGB und einer gefährlichen Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB ausgegangen (vgl. Hörnle, in: LK-StGB, 12. Aufl. 2009, § 177 Rn. 323). Der Unrechtsgehalt des potentiellen Gefährdungsdelikts in § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB geht nicht in dem Unrechtsgehalt von § 177 Abs. 4 Nr. 1, Nr. 2a StGB auf, so dass die Klarstellungsfunktion der Idealkonkurrenz (vgl. Sternberg-Lieben/Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl. 2014, § 52 Rn. 2) für die Annahme von Tateinheit spricht (vgl. auch zum Verhältnis von § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB zu § 250 Abs. 2 Nr. 3 StGB; BGH, Beschluss vom 9. Juli 2004 – 2 StR 170/04, StraFo 2004, 396, und vom 12. August 2005 – 2 StR 317/05, NStZ 2006, 449).