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StGB I: Begriff der Privatwohnung, oder: Eine Pension ist keine Privatwohnung

In der Wochenmitte drei Entscheidungen des BGH zum materiellen Recht. Den Opener macht der BGH, Beschl. v. 21.11.2019 – 1 StR 475/19. Der BGH nimmt in ihm noch einmal kurz zum Begriff der „Privatwohnung“ Stellung:

„b) Im Fall II.8. der Urteilsgründe ist die rechtliche Bewertung hingegen rechtsfehlerhaft. Es handelte sich bei dem Tatobjekt nach den Urteilsfeststellungen nicht um eine dauerhaft genutzte Privatwohnung im Sinne des § 244 Abs. 4 StGB, sondern um eine Pension (Hotel-Gaststätte mit Bauernhof und Hofladen). Die Haupttäter drangen bei der Tatausführung gewaltsam in den Büroraum ein und entwendeten dort einen Tresor mit etwa 15.000 Euro und weiteres Bargeld. Die Anstiftungshandlung des Angeklagten M. bezog sich daher auf ein gewerbliches Objekt, das §§ 242, 243 Abs. 1 StGB unterfällt. Entsprechend § 354 Abs. 1 StPO ändert der Senat den Schuldspruch von Anstiftung zum schweren Wohnungseinbruchdiebstahl in Anstiftung zum Diebstahl ab. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil der Sachverhalt bereits in der Anklageschrift rechtlich als Anstiftung zum Diebstahl bewertet wurde und der Angeklagte durch die Schuldspruchmilderung auf das Grunddelikt dadurch nicht beschwert ist.“

Zurückverweisung, oder: Wann ist es eine neue Angelegenheit mit neuen Gebühren?

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Und die zweite gebührenrechtliche Entscheidung kommt dann mit dem OLG Koblenz, Beschl. v. 11.09.2019 – 2 Ws 421/19 – auch vom Rhein 🙂 . Er behandelt mal eine Frage in Zusammenhang mit § 21 RVG, also Zurückverweisung. Dazu liest man ja sonst nicht so viel.

Folgender Sachverhalt: In dem der Entscheidung zugrunde liegenden (Umfangs)Verfahren – Stichwort: Aktionsbüro Mittelrhein – findet in der Zeit vom 20.08.2012 – 5.04.2017 an 337 Tagen eine Hauptverhandlung statt. Dann setzt die Strafkammer das Verfahren im Hinblick auf das anstehende Ausscheiden des Vorsitzenden wegen Erreichens der gesetzlichen Altersgrenze aus. Das Verfahren wird schließlich gem. § 206a StPO wegen überlanger Verfahrensdauer eingestellt.

Dagegen legt die Staatsanwaltschaft Beschwerde ein. Das OLG Koblenz hat auf die Beschwerde den Beschluss der Strafkammer aufgehoben und angeordnet, dass das Verfahren beim LG Koblenz fortzusetzen ist.

Der Rechtsanwalt, der dem Angeklagten als Pflichtverteidiger beigeordnet war, macht einen Vorschuss gem. § 47 RVG geltend. U.a. beantragt er auch die Festsetzung einer (weiteren) Verfahrensgebühr Nr. 4118 VV RVG. Das LG setzt die nicht fest, das OLG gewährt die Gebühr:

„Rechtsanwalt pp. hat gegen die Staatskasse einen Anspruch auf Vorschusszahlungen für seine Tätigkeit als Pflichtverteidiger in der Zeit vom 6. April 2017 bis zum 21. November 2018 in Höhe von 5.383,08 Euro. Die Senatsentscheidung vom 4. Dezember 2017 hat bewirkt, dass das weitere Verfahren vor der 12. Strafkammer als Staatsschutzkammer als neuer Rechtszug mit den entsprechenden gebührenrechtlichen Folgen anzusehen ist.

1. Gemäß §§ 21 Abs. 1 RVG ist, soweit eine Sache an ein untergeordnetes Gericht zurückverwiesen wird, das weitere Verfahren vor diesem Gericht ein neuer Rechtszug. Diese Vorschrift ist Ausnahmeregelung zu dem in §§ 15 Abs. 1 RVG enthaltenen Grundsatz, wonach der Anwalt die Gebühren in demselben Rechtszug nur einmal erhält (Thiel in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 2. Aufl. §§ 21 Rn. 2). Eine Zurückverweisung im Sinne von §§ 21 Abs. 1 RVG liegt vor, wenn das Rechtsmittelgericht durch eine den Rechtszug beendende Entscheidung einem in dem Instanzenzug untergeordneten Gericht die abschließende Entscheidung überträgt. Das Gericht eines höheren Rechtszuges muss auf Rechtsmittel, wozu auch die Beschwerde zählt, mit der Sache befasst gewesen sein und darf nicht endgültig über die Sache entschieden haben, sondern muss diese zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Untergericht verwiesen haben (vgl. Mayer in: Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 23. Aufl. §§ 21 Rn. 2 mwN.). Der Begriff der Zurückverweisung nach §§ 21 RVG ist nicht im engen prozessualen Sinne der §§ 538 ZPO, 354 StPO zu verstehen. Eine Zurückverweisung im gebührenrechtlichen Sinne liegt immer dann vor, wenn das Rechtsmittelgericht die abschließende Entscheidung dem untergeordneten Gericht überträgt (vgl. Mayer/Kroiß, RVG §§ 21 Rn. 4, beck-online).

Eine Zurückverweisung in diesem Sinn ist durch den Senat mit Beschluss vom 4. Dezember 207 ausgesprochen worden. Der Senat hat durch Sachentscheidung im Beschwerdeverfahren beschlossen, dass ein Verfahrenshindernis nicht vorliegt, das einmal eröffnete, durch das Erstgericht abgeschlossene Verfahren also fortzusetzen ist. Der Fall liegt nicht anders, als wenn das Revisionsgericht auf entsprechende Rüge der Staatsanwaltschaft gegen ein Prozessurteil nach §§ 260 Abs. 3 StPO dieses aufgehoben und die Sache gemäß §§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere als Staatsschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen hätte. Es kann gebührenrechtlich keinen Unterschied machen, ob das Erstgericht das Verfahren durch Prozessurteil oder – wie hier außerhalb der Hauptverhandlung im Beschlussverfahren nach §§ 206a StPO einstellt.

2. Dies hat zur Folge, dass alle Gebühren und Auslagen erneut entstehen, auch die Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen (Nr. 7002 W-RVG), und zwar nach dem zum Zeitpunkt der Zurückverweisung maßgeblichen Gebührenrecht. Wird – wie vorliegend – in einem vor dem Stichtag begonnenen Rechtsstreit die Sache von dem Rechtsmittelgericht nach dem Stichtag an die Vorinstanz zurückverwiesen, so gilt für das Verfahren nach der Verweisung neues Gebührenrecht (vgl. Mayer in: Gerold/Schmidt, aaO. §§ 60 Rn. 82; Thiel in: Schneider/ Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 2. Aufl. §§ 60 Rn. 52; s.a. NJW-Spezial 2015, 316, beckonline). Dies erhellt auch aus §§ 60 Abs. 1 Satz 2 RVG, denn wenn schon die Vergütung des vor einer Gebührenrechtsänderung tätigen Rechtsanwalts im Rechtsmittelverfahren nach Maßgabe einer zwischenzeitlich erfolgten Änderung zu entgelten ist, so muss dies erst recht gelten, wenn – wie im Falle von §§ 21 RVG – durch Zurückverweisung ein neuer Rechtszug entsteht. Eine Anrechnung der Verfahrensgebühr in Straf- und Bußgeldsachen ist nicht vorgesehen (Mayer in Gerold/Schmidt, aaO. §§ 21 Rn. 12)…..“

Zutreffend (vgl. dazu auch den RVG-Kommentar, 5. Auflage 🙂 .

Mobiltelefon I: Elektronisches Gerät, oder: Powerbank und Ladekabel sind es nicht

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Man merkt an der Anzahl der veröffentlichten Entscheidungen, dass die Neuregelung/Neufassung des § 23 Abs. 1a StVO in der Praxis angekommen ist. Denn es gibt derzeit eine ganze Reihe von Entscheidungen, die sich mit den damit zusammenhängenden Rechtsfragen auseinander setzen (müssen). Daher heute ein Tag des Mobiltelefons.

Und den Tag eröffne ich mit dem OLG Hamm, Beschl. v. 28.05.2019 – 4 RBs 92/19. Das AG hatte den Betroffenen wegen eines Verstoßes gegen § 23 Abs. 1a StVO verurteilt und dazu folgende Feststellungen getroffen:

Am 30.04.2018 gegen 7:47 befuhr der Betroffene als Führer eines PKW mit dem Kennzeichen pp) die M Straße pp.) Dabei nutzte der Betroffene ein elektronisches Gerät, das der Kommunikation dient, indem er sein bereits mit einem Ladekabel verbundenes sog. „Smartphone“, mit dem er gerade über Freisprechanlage telefonierte und dessen eingebauter Akku weitgehend entleert war, an eine sog. „Powerbank“, d.h. einen externen Akku anschloss, um das Smartphone zu laden und den Abbruch des Telefonats zu verhindern. Dabei nahm er die „Powerbank“ und das Ladekabel in die Hand, um diese zusammenzuführen. Dies geschah wissentlich und willentlich.“

Das AG war dabei davon ausgegangen:

„Danach sind zum einen das Mobiltelefon mit eingestecktem Ladekabel als auch das Mobiltelefon mit eingestecktem und verbundener sog. „Powerbank“ jeweils als Geräteieinheit zu verstehen, von der kein Teil während der Fahrt in der Hand gehalten werden darf. Denn es handelt sich insgesamt bei der Gesamtheit der verbundenen Elemente um „ein der Kommunikation dienendes Gerät“ i.S.d. Norm, da alle Funktionen des Mobiltelefons die elektrische Energie benötigen, die über das Kabel durch die „Powerbank“ geliefert wird. Es hängt letztlich von Zufälligkeiten von Technik und Design ab, dass ein Mobiltelefon-Ladekabel – anders als z.B. die fest verbauten Ladekabel einiger Navigationsgeräte – von dem Gerät trennbar und nicht fest verbunden ist und die „Powerbank“ sich – anders als etwa als ein „Wechselakku“ außerhalb des zu ladenden Geräts befindet. Auch eine Handyhülle ist beispielsweise ohne weiteres vom Mobiltelefon trennbar, dennoch erfüllt auch das Halten (nur) der Hülle mit inneliegendem Telefon unzweifelhaft den Tatbestand.

Darüber hinaus sind die „Powerbank“ und das Ladekabel auch isoliert betrachtet jeweils als „der Kommunikation dienendes Gerät“ i.S.d. Norm zu qualifizieren. Unter das Verbot des § 23 Abs. 1a StVO fallen nämlich auch Tätigkeiten, die (nur) die Vorbereitung der Nutzung eines Kommunikationsgeräts gewährleisten sollen, da es sich auch dabei um eine bestimmungsgemäße Verwendung handelt (vgl. bereits zu § 23 Abs. 1a a.F. OLG Hamm, NZV 2007, 487). Insbesondere ist § 23 Abs. 1a StVO n.F. nicht auf Mobiltelefone beschränkt, sondern erfasst ausdrücklich alle der Kommunikation dienenden Geräte. Das Aufladen eines Mobiltelefons dient der Kommunikation, da es dazu dient, das Gerät auch tatsächlich mobil zum Telefonieren einsetzen zu können (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 07.12.2015 – 2 Ss OWi 290/15). Nur mit einem geladenen Akku können die eigentlichen Funktionen eines Mobiltelefons genutzt werden. Werden zu diesem Zweck ein Ladekabel und ein externer Akku in Form einer „Powerbank“ genutzt, dienen also auch diese Geräte der Kommunikation, da ihr einziger Zweck die Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit der Kommunikationsfunktionen des Mobiltelefons ist. Dies gilt insbesondere im vorliegenden Fall, in welchem tatsächlich eine Kommunikation geführt wurde und Kabel und Powerbank verbunden wurden, um den drohenden Abriss des Gesprächs aufgrund Entladung des eingebauten Akkus zu verhindern. Im Übrigen ist dies nach allgemeiner Lebenserfahrung auch allgemein betrachtet der übliche Zweck sog. „Powerbanks“, die ganz überwiegend für die externe Versorgung von Kommunikationsgeräten wie Mobiltelefonen und Laptops verwendet werden und nur in äußerst geringem Umfang für andere technische Geräte.
Die Feststellungen tragen nicht die Annahme, dass der Betroffene vorliegend beim Führen eines Fahrzeugs ein Mobiltelefon bzw. jedenfalls ein anderes elektronisches Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist, benutzt und hierfür das Gerät aufgenommen bzw. gehalten hat.“

Das OLG hat das anders gesehen, die Rechtsbeschwerde zugelassen und das AG-Urteil aufgehoben und zurückverwiesen. Dabei bezieht es sich (zunächst) weitgehend auf den Beschluss des OLG Karlsruhe und führt dann (selbst) aus:

Gemessen an diesen Erwägungen, die der Senat teilt, unterfallen sowohl Ladekabel als auch „Powerbank“ nicht dem Begriff des elektronisches Geräts, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist i.S.d. § 23 Abs. 1a StVO.

Ein elektronisches Gerät ist ein Gerät, zu dessen Nutzung eine interne oder externe Stromversorgung erforderlich ist. Unter Berücksichtigung des noch möglichen Wortsinns stellen daher weder Ladekabel noch „Powerbank“ ein solches elektronisches Gerät dar. Bei einer „Powerbank“ handelt es sich um einen externen, mobilen (Zusatz-)Akku zur Energieversorgung mobiler Geräte, insbesondere von Smartphones („mobile Ladestation“). Ein Akku ist ein wiederaufladbarer Speicher für elektrische Energie auf elektrochemischer Basis. Ein (Lade-)Kabel dient der Übertragung von Energie (zur Begriffsbestimmung vgl. jeweils Wikipedia – freie Enzyklopädie). Es handelt sich folglich jeweils nur um einen Gegenstand, der gerade der Energieversorgung der Geräte der Kommunikations-, Informations- und Unterhaltungselektronik als solchen dient oder zu dienen bestimmt ist und nicht um ein solches Gerät selbst.

Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck der Norm. Der Verordnungsgeber wollte mit dem „technikoffenen Ansatz“ der technischen Entwicklung der Geräte der (Unterhaltungs-)Elektronik und der damit einhergehenden immer vielfältiger werdenden Nutzungsmöglichkeiten Rechnung tragen, jedoch kein vollständiges Verbot der Nutzung von elektronischen Geräten während der Fahrt normieren. Insoweit hat er berücksichtigt, dass es eine Vielzahl von die Verkehrssicherheit gefährdenden fahrfremden Tätigkeiten mit Ablenkungswirkung gibt (z.B. Rauchen, Essen, Trinken, Radio-, CD-Hören und Unterhaltung mit anderen Fahrzeuginsassen), die aber vor dem Hintergrund des Übermaßverbots weiter erlaubt bleiben, soweit sie derart ausgeübt werden, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr als nach den Umständen unvermeidbar behindert oder belästigt wird. Insoweit soll es daher dabei bleiben, dass für diese Verhaltensweisen weiter die Grundregel des § 1 StVO zur Anwendung kommt und auch unter Verkehrssicherheitsaspekten als ausreichend angesehen wird (vgl. BR-Drs. 556/17, S. 1, 4 f., 12).

Ungeachtet dessen, dass es sich bei Ladekabel und „Powerbank“ schon nicht um elektronische Geräte im Sinne der Vorschrift handelt, geht mit deren Nutzung während des Führens eines Fahrzeugs nicht zwangsläufig bzw. typischerweise eine vergleichbare, die Verkehrssicherheit gefährdende Ablenkungswirkung einher wie dies bei der Nutzung der „klassischen“ elektronischen Geräte i.S.d. § 23 Abs. 1a StVG (z.B. Mobil- bzw. Autotelefon, Berührungsbildschirme, Tablet-Computer) der Fall ist. Dafür spricht, dass weder Ladekabel noch „Powerbank“ ein Display aufweisen, über das Informationen abgerufen und abgelesen werden können, was bei einer Nutzung durch den Fahrzeugführer wiederum typischerweise eine erhebliche Ablenkung vom Verkehrsgeschehen zur Folge hat. Der Senat verkennt dabei nicht, dass im Einzelfall auch bei dem Verbinden eines Ladekabels mit einer „Powerbank“ eine erhebliche, die Verkehrssicherheit gefährdende Ablenkungswirkung bestehen kann, wenn beide Gegenstände in die Hand genommen werden und der Fahrzeugführer deshalb die Hände nicht mehr für die Bewältigung der Fahraufgabe frei hat. Dies richtet sich jedoch maßgeblich nach den Umständen des Einzelfalls (z.B. Dauer des Vorgangs und Positionierung der Teile). Unter diesen Gesichtspunkten erscheint es ausreichend, dass diese Nutzung nicht grundsätzlich unzulässig, sondern an § 1 StVO zu messen ist.

b) Zur Verwirklichung des Tatbestandsmerkmals des Aufnehmens oder Haltens eines elektronischen Geräts genügt auch nicht jedwedes Aufnehmen oder Halten eines mit dem Mobiltelefon eingesteckten Ladekabels bzw. einer damit verbundenen „Powerbank“ im Sinne einer „Geräteinheit“.

Unter Berücksichtigung des Wortlauts und der Entstehungsgeschichte sowie auch vor dem Hintergrund des vorbeschriebenen Sinn und Zwecks der Vorschrift des § 23 Abs. 1a StVO ist es nach Ansicht des Senats zur Tatbestandsverwirklichung erforderlich, dass das Mobiltelefon bzw. elektronische Gerät i.S.d. Vorschrift als solches aufgenommen oder gehalten wird – sei es auch nur, dass es mittelbar über das Ladekabel bewegt wird (z.B. „Mobiltelefon hängt ohne Befestigung / Ablage in einer Vorrichtung frei am Ladekabel“). Davon abzugrenzen und als nicht tatbestandsmäßig erachtet der Senat den Fall, dass das Mobiltelefon als solches nicht aufgenommen oder gehalten wird, sondern (beispielweise) vor Fahrtbeginn mit eingestecktem Ladekabel in einer Halterung am Armaturenbrett o.ä. angebracht wurde und während des Führens des Fahrzeugs ausschließlich das Ladekabel angefasst, bewegt und mit einer „Powerbank“ verbunden wird.“

Die Amtsrichter wird die Entscheidung  sicher sehr freuen.

Wann ist „Karnevalszeit“?, oder: Alaaf und Helau

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Nun, ein bisschen Karneval mache ich dann doch. Daran kommt man ja im Moment nicht vorbei. Allerdings reicht es (noch) nicht für einen Volltext, sondern nur für eine PM. Mehr gibt es nämlich zum ArbG Köln, Urt. v. 11.01.2019 – 19 Ca 3743/18 – derzeit noch nicht.

In dem Urteil geht e um den Begriff der Karnevalszeit in Zusammenhang mit einem Arbeitszeugnis. Dazu das ArbG Köln: Als „Karnevalszeit“ gilt (zumindest in Köln) die Zeit von Weiberfastnacht bis Aschermittwoch.In der PM heißt es dann:

„Das Arbeitsgericht Köln hat am 11.01.2019 entschieden, dass eine Kellnerin, die unter anderem am Karnevalssamstag gearbeitet hat, einen Anspruch darauf hat, dass eine „in der Karnevalszeit“ geleistete Tätigkeit in ihrem Zeugnis steht.

Die Klägerin war von März 2013 bis August 2017 bei der Beklagten als Servicekraft beschäftigt. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erteilte die Beklagte der Klägerin ein Zeugnis. Mit dem Inhalt war die Klägerin nicht einverstanden und wollte unter anderem bestätigt erhalten, während der Karnevalszeit gearbeitet zu haben. Sie hatte tatsächlich jedenfalls 2017 am Freitag und Samstag nach Weiberfastnacht gearbeitet. Der Arbeitgeber war der Ansicht diese Tage lägen nicht „in der Karnevalszeit“.

Die Klage hatte Erfolg. Das Arbeitsgericht hielt fest, dass die Klägerin in der Karnevalszeit gearbeitet hat. Dabei sei die „Karnevalszeit“ kein gesetzlich exakt definierter Begriff. Allerdings bestehe im Rheinland und insbesondere im Kölner Raum gerichtsbekannt kein Zweifel an der Auslegung des Begriffes. Anders als der Begriff der „Karnevalstage“, die sich ggf. nur auf Weiberfastnacht, Rosenmontag sowie Aschermittwoch beziehen könnten, lasse sich die „Karnevalszeit“ als die gesamte Hochzeit auffassen, in der Karneval gefeiert werde, mithin die Zeit von Weiberfastnacht bis Aschermittwoch. Da im Rheinland und insbesondere im Kölner Zentrum die Arbeitsbelastung in der Gastronomie in der Karnevalszeit ebenfalls gerichtsbekannt besonders hoch sei, hätten Arbeitnehmer aus der Gastronomie auch ein berechtigtes Interesse daran, dass die Arbeit in dieser Karnevalszeit im Zeugnis besonders erwähnt wird.“

Na dann Helau und Alaaf.

Handy I: Ist ein mit Messwertespeicher versehener Laser-Entfernungsmesser ein elektronisches Gerät?

entnommen wikimedia.org
Author Zátonyi Sándor (ifj.) Fizped

So, ich hoffe, alle haben die Weihnachtsfeiertage gut überstanden und sind bereit, heute, am ersten Tag „zwischen den Jahren, ein wenig zu arbeiten. So ganz viel ist es ja in diesem Jahr nicht. Heute und morgen – und dann ist schon wieder Wochenende, dem sich Silvester und Neujahr anschließen.

Ich mache heute mal einen Tag der Smartphones bzw. der elektronischen Geräte, also § 23 Abs. 1a StVO. Da liegt inzwischen einige Rechtsprechung vor, was zeigt, dass die Neuregelung in der Praxis = bei den Gerichten angekommen ist.

Und den Tag eröffne ich mit dem OLG Karlsruhe, Beschl. v. 05.10.2018 – 2 Rb 9 Ss 627/18. In dem hat das OLG zu der Frage Stellung genommen, ob es sich bei einem mit einem Messwertespeicher versehenen Laser-Entfernungsmesser um ein elektronisches Gerät i.S. der Neuregelung in § 23 Abs. 1a StVO handelt. Das OLG hat die Frage – ebenso wie schon das AG – bejaht:

5. Eine zusätzliche Hilfe für die Auslegung des Begriffs des elektronischen Geräts bietet die – über § 23 Abs. 1a Satz 2 StVO hinaus gehende – weitere beispielhafte Aufzählung elektronischer Geräte in der Verordnungsbegründung (BR-Drs. 556/17, S. 27). Demnach sollen nach dem Willen des Verordnungsgebers – der auch in der Verordnungsbegründung die Begriffe des elektronischen Geräts, der Kommunikation, der Information und der Organisation nicht (näher) definiert – insbesondere „sämtliche Handys, Smartphones, BOS- und CB-Funkgeräte und Amateurfunkgeräte, auch solche mit reinem push-to-talk-Modus, Tablet-Computer, Touchscreens, elektronische Terminplaner, Diktiergeräte, E-Book-Reader, MP3-Player, Personal Computer, DVD- und Blu-Ray-Player, CD-Rom-Abspielgeräte, Smartwatches, Walkman, Discman und Notebooks“ von § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO umfasst sein.

6. In der obergerichtlichen Rechtsprechung hat sich bislang – soweit ersichtlich – nur das OLG Oldenburg näher mit der Auslegung des Begriffs des elektronischen Geräts im Sinne des § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO beschäftigt (OLG Oldenburg, Beschluss vom 25.06.2018 – 2 Ss (OWi) 175/18 -, juris). Nach Auffassung des OLG Oldenburg fällt ein – reiner – Taschenrechner nicht unter die Norm. Zur Begründung hat das OLG Oldenburg ausgeführt, dass ein – reiner – Taschenrechner unter keinen der genannten Oberbegriffe (der Kommunikation, Information oder Organisation) – ohne diese (näher) zu definieren – falle. Die Annahme, die Eingabe einer Rechenoperation und deren anschließendes Ablesen unterfiele einem Informationszweck, überdehnte nach Auffassung des OLG Oldenburg die Auslegung der Norm und sei für den Normadressaten nicht erkennbar (zustimmend Eggert in: Freymann/Wellner, a.a.O., § 23 StVO Rn. 24.1; Krenberger, jurisPK-VerkR 17/2018 Anm. 4).

7. Die bislang zur Neufassung des § 23 Abs. 1a StVO – soweit ersichtlich – ergangene Literatur (Eggert in: Freymann/Wellner, a.a.O., § 23 StVO Rn. 21 ff.; Burhoff in: Burhoff (Hrsg.), a.a.O., Rn. 2838 ff.; ders., ZAP 2018, 987 [weitgehend inhaltsgleich veröffentlicht in StRR 2018, Nr. 4, 4]; Fromm, a.a.O.; Rebler, a.a.O.) hat bislang nicht versucht, die Begriffe des elektronischen Geräts, der Kommunikation, der Information und der Organisation (näher) zu definieren. Die Autoren beschränken sich im Wesentlichen darauf, die in der Verordnungsbegründung aufgezählten Gerätebeispiele (vgl. oben) wiederzugeben und auf den „technikoffenen“ Ansatz der Norm (vgl. oben) hinzuweisen.

8. Ausgehend hiervon hält die Bewertung durch das Amtsgericht rechtlicher Nachprüfung stand. Bei einem elektronischen Laser-Entfernungsmesser, der über einen Messwertespeicher verfügt, handelt es sich um ein „elektronisches Gerät“, dass „der Information dient oder zu dienen bestimmt ist“ im Sinn des § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO. Eine solche Auslegung ist vom Wortlaut der Norm gedeckt und entspricht zudem deren Sinn und Zweck.

a) Dabei verkennt der Senat nicht, dass der strenge Gesetzesvorbehalt des § 3 OWiG (Art. 103 Abs. 2 GG) es der rechtsprechenden Gewalt verbietet, Bußgeldtatbestände oder Sanktionen im Wege richterlicher Rechtsfortbildung – etwa durch die Bildung von Analogien oder die Verschleifung von Tatbestandsmerkmalen – zu begründen oder zu verschärfen (BVerfGE 71, 108 ; 130, 1; BGH, NStZ-RR 2015, 40; OLG Stuttgart, a.a.O.). Die Auslegung eines Gesetzes findet ihre Grenze in dem – aus Sicht des Bürgers – noch möglichen Wortsinn (BVerfGE 71, 108; NJW 2010, 754; OLG Stuttgart, a.a.O.; Gürtler in: Göhler, OWiG, 17. Aufl. 2017, § 3 Rn. 6; KK-Rogall, OWiG, 5. Aufl. 2018, § 3 Rn. 31 [jeweils m.w.N.]). Soweit auf den Willen des Gesetzgebers abgestellt werden soll, muss dieser im Gesetz einen hinreichend bestimmten Ausdruck gefunden haben. § 3 OWiG (Art. 103 Abs. 2 GG) verpflichtet den Gesetzgeber, die Voraussetzungen eines Bußgeldtatbestandes so konkret zu umschreiben, dass Tragweite und Anwendungsbereich sowie Rechtsfolgen eines Verstoßes zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen (BVerfGE 47, 109; 55, 144; 71, 108; NJW 2010, 754; BGH, a.a.O.; Senat, NStZ-RR 2007, 60; OLG Stuttgart, a.a.O.; Gürtler in: Göhler, a.a.O., § 3 Rn. 1; KK-Rogall, a.a.O., § 3 Rn. 28 m.w.N.). Diese Verpflichtung dient einem doppelten Zweck. Es geht einerseits um den rechtsstaatlichen Schutz des Normadressaten. Jedermann soll vorhersehen können, welches Verhalten verboten und mit Strafe oder mit Geldbuße bedroht ist. Im Zusammenhang damit soll andererseits sichergestellt werden, dass der Gesetzgeber selbst über die Strafbarkeit oder die Bußgeldvoraussetzungen entscheidet. Insoweit enthält § 3 OWiG (Art. 103 Abs. 2 GG) einen strengen Gesetzesvorbehalt, der es der vollziehenden und der rechtsprechenden Gewalt verwehrt, über die Voraussetzungen einer Bestrafung oder der Auferlegung einer Geldbuße selbst zu entscheiden (BVerfGE 47, 109; 71, 108; NJW 2010, 754; OLG Stuttgart, a.a.O.; Göhler in: Gürtler, a.a.O., § 3 Rn. 1; KK-Rogall, a.a.O., § 3 Rn. 30 m.w.N.). Gegenstand der Auslegung gesetzlicher Bestimmungen kann immer nur der Gesetzestext sein. Der mögliche Wortsinn des Gesetzes markiert die äußerste Grenze zulässiger richterlicher Interpretation. Dieser Wortsinn ist aus der Sicht des Bürgers zu bestimmen (BVerfGE 71, 108; 130, 1; NJW 2010, 754; OLG Stuttgart, a.a.O.; KK-Rogall, a.a.O., § 3 Rn. 31 m.w.N.).

b) Das Amtsgericht hat den Wortlaut des § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO bei seiner Auslegung nicht überdehnt.

aa) Dass es sich bei dem tatgegenständlichen Laser-Entfernungsmesser um ein „elektronisches Gerät“ handelt, ist nach den Feststellungen des Amtsgerichts (vgl. oben) – ohne dass hierzu eine nähere Definition des Begriffs erforderlich wäre – unzweifelhaft, zumal das Gerät über ein Display verfügte.

bb) Der Laser-Entfernungsmesser „diente“ zudem – wie das Amtsgericht in den Urteilsgründen zutreffend ausgeführt hat – jedenfalls deswegen „der Information“, weil er die mit ihm ermittelten Messwerte nicht nur unmittelbar nach der Messung temporär anzeigt, sondern diese zusätzlich in einem internen Messwertespeicher ablegt und vorhält, aus dem die Messwerte dann zu einem beliebigen späteren Zeitpunkt – wie vorliegend geschehen – durch den Benutzer zur Information über das Ergebnis vergangener Messungen abgerufen und vom Display abgelesen werden können.

Diese Auslegung ist zum einen zwanglos mit dem erkennbaren Wortsinn des Begriffs der Information zu vereinbaren. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird unter Information/Informieren insbesondere die „Unterrichtung über eine bestimmte Sache“ verstanden (Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 8. Aufl. 2015). Der Betroffene konnte folglich anhand des Wortlauts von § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO voraussehen, dass sein Verhalten ordnungswidrig und mit Geldbuße bedroht ist.

Ein solches Verständnis der Norm entspricht zum anderen auch – wie das Amtsgericht ebenfalls zutreffend in den Urteilsgründen ausgeführt hat – dem Sinn und Zweck der Neuregelung. Von dem Aufnehmen des elektronischen Geräts und dem Aufrufen und Ablesen des Messwertes geht eine erhebliche mentale Ablenkung des Betroffenen vom Verkehrsgeschehen aus, die der Verordnungsgeber aufgrund deren Gefahrenträchtigkeit unterbinden will (vgl. oben). Dabei ist den beispielhaften – bewusst nicht abschließenden – Aufzählungen zahlreicher elektronischer Geräte in § 23 Abs. 1a Satz 2 StVO und der Verordnungsbegründung (vgl. oben), der bewusst „technikoffenen“ Formulierung (vgl. oben) sowie der beabsichtigten Sicherung des Verkehrs (vgl. oben) zu entnehmen, dass der Verordnungsgeber einen weiten Begriff des elektronischen Geräts im Sinne des § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO vor Augen hatte.

Vor dem Hintergrund des mit der Verordnungsänderung verfolgten Zwecks kommt es schließlich nach Auffassung des Senats bei der Frage, ob ein elektronisches Gerät der Information dient oder zu dienen bestimmt ist, auch nicht auf die allgemeine (primäre) Zweckbestimmung, sondern die konkrete Verwendung des elektronischen Geräts beim Führen eines Fahrzeugs an.

Das Ablesen der auf dem elektronischen Laser-Entfernungsmesser gespeicherten Daten auf dem Display dient nach alledem unzweifelhaft der Informationsgewinnung im Sinne des § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO.“

Nun ja, kann man so sehen. Ob das allerdings die „Information“ ist, die der VO-Geber gemeint hat?