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OWi I: Festhalten des Handys mit dem Oberschenkel, oder: Das BayObLG überdehnt den Wortlaut

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Und heute dann noch einmal ein Tag mit OWi-Entscheidungen.

Zunächst ein Beschluß zum Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO – also elektronisches Gerät/Smartphone/Handy im Straßenverkehr. Das BayObLG hat sich im BayObLG, Beschl. v. 10.1.2022 – 201 ObOWi 1507/21. Es geht um die Frage, ob es sich um verbotswidrige Benutzung eines Mobiltelefons handelt, wenn das Gerät auf dem Oberschenkel abgelegt wird.

Das BayObLG ist von folgenden Feststellungen des AG ausgegangen:

„Zum Tatgeschehen hat das Amtsgericht festgestellt, dass die Betroffene am 18.06.2020 um 11:00 Uhr mit ihrem Pkw aufgrund stockenden Verkehrs langsam in der W-Straße in B fuhr, wobei sie – nicht widerlegbar bereits vor Antritt der Fahrt – ihr Mobiltelefon auf dem rechten Oberschenkel abgelegt hatte und kurz durch Tippen mit dem Finger die Wahlwiederholung einer Fluggesellschaft aus- und anwählte. Einen Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO durch die bloße Bedienung des auf dem Oberschenkel liegenden Mobiltelefons verneinte das Amtsgericht. Bei der Regelung des § 23 Abs. 1a Nr. 1 StVO handele es sich um ein „hand-held-Verbot“. Das Mobiltelefon sei weder aufgenommen noch gehalten worden. Auch die Tatbestandsvariante des § 23 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2b StVO sei nicht erfüllt, weil die Einlassung der Betroffenen, wonach sie jederzeit bremsbereit und ohne ihren Blick vom Verkehrsgeschehen abzuwenden nur kurz die Wahlwiederholungstaste bedient habe, nicht zu widerlegen gewesen sei.“

Das AG hatte frei gesprochen. Das hat natürlich die StA nicht ruhen lässt und sie hat Zulassungsantrag gestellt. Der hatte ebenso wie dann die Rechtsbeschwerde beim BayObLG Erfolg.

Das BayObLG meint – hier der Leitsatz:

Die verbotswidrige Benutzung eines Mobiltelefons durch ein Halten i.S.v. § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO liegt nicht nur dann vor, wenn dieses mit der Hand ergriffen wird, sondern auch dann, wenn es auf dem Oberschenkel abgelegt wird.

Das wird – wortreich wie immer – begründet, m.E. aber nicht überzeugend, ebenso wenig überzeugend wie das OLG Köln es vor einiger Zeit tun konnte. Da hilft dann m.E. auch die Passage aus dem Beschluss wenig:

„d) Der Senat verkennt hierbei nicht, dass der Verordnungsgeber ausweislich der Verordnungsbegründung davon ausgegangen ist, dass unter „Halten“ ein „in der Hand Halten“ zu verstehen ist und es dabei bleiben soll, dass das Annehmen eines Telefongesprächs durch Drücken einer Taste oder das Wischen über den Bildschirm eines Smartphones zu diesem Zweck erlaubt bleiben soll, soweit das Mobiltelefon nicht in die Hand genommen wird (BR-Drs. 556/17 S. 25, 26). Für die Auslegung sind aber nicht einzelne Passagen der Verordnungsbegründung, sondern primär der vom Verordnungsgeber verfolgte Zweck maßgeblich, soweit die entsprechende Auslegung mit dem Wortlaut der Norm in Übereinstimmung zu bringen ist (OLG Köln a.a.O.). Zwar hat der Verordnungsgeber der Benutzung von elektronischen Geräten mit den Händen eine erhöhte Ablenkungsgefahr beigemessen, er hat aber gesehen, dass auch fahrfremde Tätigkeiten jenseits solcher Fallgestaltungen eine die Verkehrssicherheit gefährdende Ablenkungswirkung entfalten können (vgl. nur BR-Drs. 556/17 S. 12). Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit sowie mit Blick auf etwaige Nachweisschwierigkeiten hat er jedoch bei der Neufassung der Vorschrift davon abgesehen, die Nutzung elektronischer Geräte während des Führens eines Fahrzeugs gänzlich zu untersagen. Ausweislich der Verordnungsbegründung sollte die Nutzung von Geräten aus den in der Vorschrift genannten Gerätekategorien im Interesse der Verkehrssicherheit aber an die Erfüllung der strengen Anforderungen geknüpft werden, die in § 23 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 und 2 StVO normiert sind. Der Wille des Verordnungsgebers spricht deshalb für eine weite, die Wortbedeutung ausschöpfende Auslegung des Tatbestandsmerkmals (vgl. BGH a.a.O. für die Auslegung, dass auch ein Taschenrechner ein elektronisches Gerät i.S.v. § 23 Abs. 1a StVO darstellt). Auch von daher erscheint es geboten, fahrfremde Tätigkeiten wie das Halten und Benutzen eines elektronischen Geräts auf dem Oberschenkel, bei dem ebenfalls die Gefahr der Ablenkung des Fahrzeugführers verbunden mit einer körperlich eingeschränkten Bewegungssituation gegeben ist, als verboten anzusehen, nachdem dies der Wortlaut der Vorschrift des § 23 Abs. 1a StVO als äußerste Auslegungsgrenze hier zulässt (so zutreffend OLG Köln a.a.O. für die Nutzung eines vom Fahrzeugführers während der Fahrt zwischen Ohr und Schulter eingeklemmten Mobiltelefons).“

So kann man m.E. das Überschreiten des Wortlauts nicht begründen.

Handy I: Mobiltelefon im Straßenverkehr, oder: Das Halten reicht, wirklich?

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Heute dann mal ein Tag des Handys/Smartphones. Und in den starte ich mit dem OLG Oldenburg, Beschl. v. 25.07.2018 – 2 Ss (OWi) 201/18, der zum (neuen) § 23 Abs. 1a StVO – Mobiltelefon/elektronisches Gerät im Straßenverkehr Stellung nimmt. Nachdem das OLG Oldenburg im OLG Oldenburg, Beschl. v. 25.06.2018 – 2 Ss (OWi) 175/18 – gerade etwas zum Begriff des elektronischen Gerätes ausgeführt hat (vgl. hier OWi I: “… es war kein Mobiltelefon, sondern ein Taschenrechner…”, oder: Neue Einlassung “geboren”?) folgen nun Aussagen zur „Tathandlung“. Und die sind ganz einfach und klar: Bereits das Halten eines Mobiltelefons während des Führens eines Fahrzeuges ist ein Verstoß gegen § 23 Abs 1a StVO n.F:

„Das Amtsgericht hat festgestellt, dass der Betroffene während des Führens eines PKW ein Mobiltelefon in der rechten Hand gehalten habe.

Weiter hat es ausgeführt, daraus, dass der Betroffene „mehrere Sekunden auf das Display schaute, ergibt sich auch, dass er das Mobiltelefon verwendet hat“.

Der Betroffene meint, damit sei eine Nutzung nicht belegt.

Auf die Frage, weshalb er das Gerät in der Hand gehalten hat, kommt es jedoch nicht an:

Durch die Neufassung des § 23 Abs 1a StVO sollte die Regelungslücke geschlossen werden für Fälle, in denen das Gerät in der Hand gehalten wird, obwohl dies nicht erforderlich war (Begründung des Entwurfes der Verordnung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur und des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit S. 26, abgedruckt unter BR Drucksache 556/17).

Die Neufassung geht deshalb normtechnisch einen anderen Weg: Der neue Absatz 1a enthält statt des bisherigen Verbotes nunmehr ein Gebot, wann eine Gerätenutzung zulässig ist (Eggert in Freymann/Wellner, juris PK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 23 StVO, 1. Überarbeitung RN 26). Zulässig ist eine Nutzung danach nur dann, wenn das Gerät weder aufgenommen, noch gehalten wird.

Da der Betroffene das Smartphone aber gehalten hat, hat er bereits gegen § 23 Abs 1a StVO n.F. verstoßen (vgl. Fromm, MMR 2018, 68 (69)).“

Ob das so richtig ist, scheint mir nicht sicher. Denn der Oberbegriff in § 23 Abs. 1a StVO ist ja immer noch die Nutzung. M.E. muss man sagen: Nutzung und damit ein Verstoß gegen § 23 Abs. 1 StVO liegt immer dann vor, wenn das Gerät aufgenommen oder gehalten wird und zur Bedienung und Nutzung nicht nur ein kurzer Blick ausreicht. Zum Ganzen auch mein Beitrag Elektronische Geräte/Mobiltelefon im Straßenverkehr aus ZAP Heft 8/2018, F 9 S. 987.

Auf die Frage kommt/kam es hier aber letztlich nicht an. Denn der Betroffene hatte mehrere Sekunden auf das Display geschaut. Das ist nicht mehr „nur eine kurze, den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen angepasste Blickzuwendung zum Gerät.“