Auch „schön“ (?), der AG Tiergarten, Beschl. v. 28.07.2016 – (290 OWi) 3032 Js-OWi 4616/16 (429/16). Schon etwas älter, aber ich bin erst jetzt über Beck-Online auf ihn gestoßen.
Es geht um die Frage, ob in einem straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren die Kosten eines Sachverständigengutachten gegen den verurteilten Betroffenen festgesetzt werden können, wenn das Gericht nicht vor der Beauftragung des Sachverständigen den Betroffenen angehört hat. Die Betroffene hatte eine unrichtige Sachbehandlung nach § 8 Abs. 1 GKG geltend gemacht. Das AG sieht das anders:
„Dabei handelt es sich um ein qualifiziertes Vorbringen der Betroffenen, das ihrer eigenen Entlastung dienen und einen Freispruch vorbereiten sollte. Die Betroffene hat somit den ihr vorgeworfenen Rotlichtverstoß bestritten und musste damit rechnen, dass sich das Gericht ihres Vorbringens annehmen und ihre Einlassung in technischer Hinsicht genau prüfen würde, um seiner Pflicht zur gewissenhaften Erforschung der Wahrheit nachzukommen und auszuschließen, dass weiterhin ein etwa ungerechtfertigter Vorwurf gegen die Betroffene erhoben werde. Im gerichtlichen Bußgeldverfahren hat nämlich das Gericht den wahren Sachverhalt zu ermitteln und kann hierzu nach einem zulässigen Einspruch nach § 71 Abs. 2 Nr. 1 OwiG zur besseren Aufklärung der Sache einzelne Beweiserhebungen anordnen. Eines ausdrücklichen Beweisantrages bedarf es dann nicht, wenn die konkret erhobenen Einwände eines Betroffenen schon aus Gründen der Amtsaufklärungspflicht die sachverständige Begutachtung zweckmäßig erscheinen lassen.
Einen Betroffenen vor der Beauftragung des Sachverständigen anzuhören oder gar ergänzend die voraussichtlichen Kosten eines Gutachtens mitzuteilen, ist seitens des Gerichts nicht geboten. Keineswegs existiert ein allgemeiner Grundsatz – gar auf Grund einer Pflicht zum „fairen Verfahren“ -, dass kostenverursachende Verfahrensmaßnahmen erst dann erfolgen dürfen, wenn der Betroffene hierüber vorab informiert worden ist (vgl. LG Berlin, Beschluss vom 12. Juli 2016 – 501 Qs 84/15 -; LG Düsseldorf, Beschluss vom 7. November 2012 – 61 Qs 95/12, 314 Owi 13/12 -). Diese Rechtsansicht entspricht ständiger Rechtsprechung des Landgerichts Berlin (vgl. auch LG Berlin, Beschluss vom 27. Juli 2009 – 534 Qs 105/09 -; Beschluss vom 28. April 2010 – 502 Qs 49/10 -).
Die Auffassung, vorliegend gäbe es Kosten im Sinne des § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG, ist rechtsirrig. Die Betroffene hat die Kosten für die Entschädigung des technischen Sachverständigen mithin zu tragen. Die Frage, ob der Betroffenen möglicherweise, Regressansprüche gegenüber ihrem Verteidiger zustehen, sollte dieser sie nicht darüber informiert haben, dass eine sich auf die technische Verwertbarkeit der Messung beziehende Einlassung eine von ihr ggf. zu tragende Pflicht zur Übernahme der Entschädigung eines Sachverständigen zur Folge haben könnte, braucht hier nicht beantwortet zu werden.“
Jetzt lassen wir mal dahin gestellt, ob das richtig ist. Ja, ich weiß, das LG Berlin sieht das so. Muss aber ja nicht richtig sein. Mir riecht das Ganze dann doch immer ein wenig nach „Disziplinierung“ des Betroffenen und seines Verteidigers. Ja, auch des Verteidigers. Dass man den auch im Blick hat, zeigt m.E. der letzte zitierte Satz: „Die Frage, ob der Betroffenen möglicherweise, Regressansprüche gegenüber ihrem Verteidiger zustehen, sollte dieser sie nicht darüber informiert haben, dass eine sich auf die technische Verwertbarkeit der Messung beziehende Einlassung eine von ihr ggf. zu tragende Pflicht zur Übernahme der Entschädigung eines Sachverständigen zur Folge haben könnte, braucht hier nicht beantwortet zu werden.“ Ja sicher, gleich mal den/die Betroffene(n) auf mögliche „Regressansprüche“ gegen seinen Verteidiger hinweisen. Ist/war m.E. mehr als überflüssig.