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Einziehung von 228.000 EUR, oder: Härtefallregelung übersehen.

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So, nach ein paar Urlaubstagen im wunderschönen Riga geht es ab heute hier wieder „normal“ weiter, d.h. die Kommentarfunktion ist wieder offen.

Und die Nachurlaubszeit eröffne ich mit einem der vielen Beschlüsse, in denen der BGh derzeit zur Neuregelung der §§ 73 ff. StGB Stellung nimmt. Es ist der BGH, Beschluss v. 16.05.2018 – 1 StR 633/17. Es geht um die Härtefallregelung in § 73c StGB a.F. Zudem nimmt der BGH noch einmal sehr schön zu einigen bereits entschiedenen Fragen zum neuen Recht Stellung und fasst sie zusammen.

Entschieden hat der BGh über ein Urteil des Landgerichts Weiden i.d. OPf. v. 05.07.2017, in dem das LG in einem Verfahren wegen Verstöße gegen das BtMG u.a. die Einziehung des Wertes der vom Angeklagten Erlangten 226.800 Euro angeordnet hat. Die auf die Einziehungsentscheidung beschränkte Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts gerügt hatte, hatte Erfolg. Anwendbar war noch einmal altes Recht und die Härtevorschrift des § 73c StGB a.F.:

„1. Die Beschränkung der Revision auf die Entscheidung der Anordnung des Wertersatzes des Erlangten ist wirksam, weil diese Anordnung unabhängig von der Schuldfrage beurteilt werden kann und auch in keinem inneren Zusammenhang mit dem Strafausspruch steht (vgl. BGH, Urteil vom 5. September 2017 – 1 StR 677/16, NStZ-RR 2017, 342).

2. Die Anordnung der Einziehung des Wertersatzes des vom Angeklagten Erlangten hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Zwar hat das Landgericht seiner Entscheidung rechtsfehlerfrei zugrunde gelegt, dass der Angeklagte aus den verfahrensgegenständlichen Betäubungsmittelstraftaten Verkaufserlöse von insgesamt 226.800 Euro erlangt hat, weil diese Feststellungen bereits in Rechtskraft erwachsen sind (s. Urteil des Senats vom 7. Februar 2017 – 1 StR 231/16 Rn. 55 f.). Allerdings hat das Landgericht nicht beachtet, dass – obwohl seine Entscheidung am 5. Juli 2017 ergangen ist – hinsichtlich der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung noch das bis zum 1. Juli 2017 geltende Recht zur Anwendung kommt. Denn es ist bereits vor dem 1. Juli 2017 eine erstinstanzliche Entscheidung über die Anordnung des Verfalls oder des Verfalls von Wertersatz ergangen (Art. 316h Sätze 1 und 2 EGStGB). Eine „Entscheidung über die Anordnung des Verfalls oder Verfalls von Wertersatz“ im Sinne von Art. 316h Satz 2 EGStGB ist auch die Nichtanordnung einer dieser Maßnahmen (vgl. BT-Drucks. 18/11640, S. 84 sowie BT-Drucks. 18/9525, S. 98 und BGH, Urteil vom 29. März 2018 – 4 StR 568/17 Rn. 25 mwN). Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Tatgericht eine Verfallsanordnung ausdrücklich geprüft und in den Urteilsgründen dargelegt hat, welche der tatbestandlichen Voraussetzungen es für nicht gegeben hielt. Denn auch das nicht begründete Unterbleiben einer Verfallsanordnung oder einer Anordnung des Verfalls von Wertersatz ist eine hierzu ergangene „Entscheidung“ im Sinne der Übergangsvorschrift (vgl. BGH aaO – 4 StR 568/17 mwN). Dass der Senat das im ersten Rechtsgang ergangene erstinstanzliche Urteil des Landgerichts vom 27. November 2015 hinsichtlich der Verfallsentscheidung aufgehoben hat, ändert hieran nichts (vgl. BGH aaO – 4 StR 568/17 Rn. 29 sowie Köhler/Burkhard, NStZ 2017, 665, 682). Das Landgericht hat daher rechtsfehlerhaft die Härtevorschrift des § 73c StGB aF nicht erörtert.“

Bei dem Betrag hätte man an die Härtefallregelung denken können.

Nachträgliche Reparatur der Strafzumessung geht nicht, oder: „Unbehelflich“

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Und zum Abschluss der kleinen Reihe von ein wenig kuriosen BGH, Entscheidungen bzw. zugrunde liegenden „Fällen“ dann noch das BGH, Urt. v. 10.05.2017 – 2 StR 427/16. Es geht um eine Verurteilung wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a. Dabei hatte das LG bei den abgeurteilten Fällen aus dem Zeitraum 1996 bis zum 31. März 1998 Einzelfreiheitsstrafen von jeweils einem Jahr wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern im minder schweren Fall gemäß § 176a Abs. 1, 3 StGB aF verhängt. Das war aber die falsche Rechtsnorm. Das hat die Strafkammer dann auch bei Abfassung der Urteils erkannt und hat das zur Tatzeit geltende Recht bei der Strafzumessung angeführt. Geht nicht, oder wie der BGH sagt: „Unbehelflich“.

„1. Die Verurteilung in den Fällen II. 5-9 ist rechtsfehlerhaft, weil das Landgericht eine falsche Rechtsnorm angewandt hat. Der Qualifikationstatbe-stand des § 176a StGB ist – was das Landgericht ausweislich der Urteilsgründe im Nachhinein selbst erkannt hat – erst aufgrund des 6. StrRG vom 26. Januar 1998 (BGBl. I, S. 164) mit Wirkung zum 1. April 1998 in Kraft getreten. Die Missbrauchshandlungen in den Fällen II. 5-9 sind demnach als „einfacher“ se-xueller Missbrauch abzuurteilen. Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert.

2. Die Schuldspruchänderung bedingt auch – zu Gunsten des Angeklag-ten – die Aufhebung der in den Fällen II. 5-9 verhängten Einzelfreiheitsstrafen. § 176 Abs. 1 2. Halbsatz StGB sah für minder schwere Fälle Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vor, § 176a Abs. 3 StGB in der Fassung bis zum 31. März 2004 hingegen Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Da sich die Strafkammer bei den verhängten Strafen jeweils an der Untergrenze des zur Verfügung stehenden Strafrahmens orientiert hat, kann der Senat nicht ausschließen, dass die Anwendung des milderen Rechts in den Fällen II. 5-9 auch zu niedrigeren Einzelfreiheitsstrafen geführt hätte; dies gilt auch gerade vor dem Hintergrund, dass das Landgericht für die von der Begehungsweise identischen Taten in den Fällen II. 3 sowie 10-21 unter Anwendung des ver-schärften Rechts Einzelfreiheitsstrafen von ebenfalls einem Jahr verhängt hat.

Soweit die Strafkammer, die ihren Fehler noch vor Abfassung des Urteils erkannt hat, ihren – schriftlichen – Strafzumessungserwägungen nunmehr den Strafrahmen des § 176 Abs. 1 2. Halbsatz StGB aF zugrunde legt, ist dies unbehelflich. Die schriftlichen Urteilsgründe müssen die Gründe des Gerichts dokumentieren, die in der Bewertung unter Beteiligung der Schöffen gewonnen worden sind. Sie dienen dazu, dem Revisionsgericht die Nachprüfung der ge-troffenen Entscheidung zu ermöglichen. Deshalb ist es unzulässig, zur Absicherung der Entscheidung andere Gründe einzufügen, wie etwa bei Abfassung des Urteils gewonnene neue Erkenntnisse.“

Im übertragenen Sinn: „Wer schreibt, der bleibt“….