In der zweiten Haftentscheidung, dem OLG München, Beschl. v. 16.09.2020 -1 Ws 680/20 H -, den mir der Kollege Wamser aus Passau geschickt hat, geht es um die (erste) Haftprüfung durch das Oberlandesgericht (§ 121 Abs. 1, § 122 Abs. 1 StPO). Das OLG hat gesagt: (Derzeit) noch nicht:
„Der am 05.03.2020 vorläufig festgenommene Angeschuldigte pp. befindet sich in dieser Sache seit dem 05.03.2020 ununterbrochen in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Straubing.
Der ursprüngliche Haftbefehl des Amtsgerichts Passau vom 05.03.2020 (Gz.: Gs 470/20), eröffnet am 05.03.2020, wurde zwischenzeitlich ersetzt durch einen neuen erweiterten Haftbefehl des Amtsgerichts Passau vorn 31.07.2020, Az.: 4 Ls 33 Js 3472/20. eröffnet am 14.08.2020.
Da die Untersuchungshaft des Angeschuldigten mit Ablauf des 04.09.2020 länger als 6 Monate andauert, hat die Staatsanwaltschaft Passau aufgrund der Verfügung des Amtsgerichts Passau vom 14.08.2020 die Akten der Generalstaatsanwaltschaft München zur Vorlage an den Senat zur Überprüfung gemäß §§ 121 Abs 1, 122 Abs.1 StPO übersandt.
II.
Eine Haftprüfungsentscheidung durch den Senat ist derzeit nicht veranlasst.
Eine Überprüfung der vorgelegten Akten durch den Senat hat ergeben. dass sich der dringende Tatverdacht gegen den Angeschuldigten hinsichtlich der Straftat gemäß Ziffer 7. des aktuellen Haftbefehls vom 31.07.2020 (Diebstahl zwischen dem 19.02.2020, 19:00 Uhr und dem 20.02.2020. 07:00 Uhr zum Nachteil der Firma pp., der erstmals in dem erweiterten Haftbefehl vom 31.07.2020 enthalten ist) frühestens durch die Mitteilung der Zeugin pp. vom 07.04.2020 und das Auffinden des Erddepots am 07.04.2020 ergeben hat, in dem alle entwendeten Gegenstände der Firma aufgefunden wurden.
Dieser Tatvorwurf mit einem Diebstahlschaden von rund 4.240 Euro wäre auch isoliert geeignet gewesen, einen Haftbefehl zu erlassen.
Der nicht unerhebliche neue Tatvorwurf des Diebstahls zwischen dem 19.02.2020, 19:00 Uhr Ui dem 20.02.2020, 07:00 Uhr zum Nachteil der Firma pp. hätte nach Überprüfung durch die Staatsanwaltschaft und des damit befasste Gerichts an dem auf die Beweisgewinnung folgenden Tag, mithin am 08.04.2020 Eingang in einen neuen Haftbefehl finden können.
Zwar wird die Einräumung einer Überlegungsfrist der Staatsanwaltschaft von bis zu 14 Tagen von den Oberlandesgerichten und dem Bundesgerichtshof nicht immer einheitlich beurteilt. Der Senat folgt aber grundsätzlich der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach den Strafverfolgungsbehörden in einfach gelagerten Fällen keine Überlegungsfrist einzuräumen ist.
Mit dem Bundesgerichtshof ist der Senat der Ansicht, dass für die Fristberechnung maßgeblich ist, wann der neue bzw. erweiterte Haftbefehl hätte erlassen werden können (BGH, Beschluss vom 06.04.2017, BeckRs 2017, 108135, Rn. 8).
Allenfalls in Einzelfällen, in denen angesichts des Umfanges und der rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten der Erlass eines Haftbefehls in kurzer Zeit nicht möglich ist, ist bei angemessener Prüfung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht sowie der erforderlichen Sorgfalt bei der Formulierung des Haftbefehls davon auszugehen, dass die Antragstellung durch die Staatsanwaltschaft und der Erlass des Haftbefehls durch den Ermittlungsrichter eine angemessene Überlegungsfrist erfordern kann (vgl. BGH, Beschluss vom 25.7.2019 — AK 34/19, BeckRS 2019, 17175, beck-online, und 2. Strafsenat des OLG München, Beschluss vom 11.09.2019 – 2 Ws 923 – 924/19 H).
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in seiner vorgenannten Entscheidung 25.07.2019 – AK 34/19 – vielmehr ausgeführt, dass der Haftbefehl spätestens an dem auf die Beweisgewinnung folgenden Tag der veränderten Sachlage anzupassen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 6. April 2017 – AK 14/17, juris Rn. 9 mwN), weswegen regelmäßig der Lauf der (neuen) Sechsmonatsfrist an diesem Tage beginnt (vgl. BGH, Beschluss vom 6. April 2017 – AK 14/17, juris Rn. 6, 8; KG, Beschluss vom 15. August 2013 – 4 Ws 108/13, juris Rn. 13 mwN).
Nachdem es sich bei dem gegenständlichen Verfahren zwar um ein komplexeres, aber rechtlich bzw. tatsächlich nicht überdurchschnittlich schwieriges Verfahren handelt, geht der Senat davon aus, dass vorliegend keine Überlegungsfrist zuzubilligen war.
Dies bedeutet für die Eingrenzung des Fristenlaufs, dass die neue 6-Monats-Frist des § 121 Abs. 1 StPO am 08.04.2020 zu laufen begann und sich das neue Fristende daher auf das Tagesende des 07.10.2020 errechnet.“
Die Entscheidung kann man den Ermittlungsbehörden zusammen mit der Rechtsprechung des BGH auch in anderen Konstellationen „unter die Nase reiben.“