Zu dem Beitrag zum OLG Hamm, Beschl. v. 07.05.2015 – 5 RVs 55/15 (dazu: „…entsprechend der verdorbenen charakterlichen Natur….“ – Noch „Kampf ums Recht“?) passt ganz gut das AG Pasewalk, Urt. v. 20.05.2015 – 711 Js 10447/14 -, das schon einige Zeit in meinem Blog-Ordner hängt. Das ist der „Rabaukenjäger“, der die Blogs im Mai schon beschäftigt hat, inzwischen liegt der Volltext vor.
Das AG hat einen Journalisten wegen der Bezeichnung „Rabauken Jäger“ wegen Beleidigung verurteilt. Grund: Die Berichterstattung über einen Jäger, der ein totes Reh an der Anhängerkupplung seines Pkw hinter sich her gezogen hatte (hier zu der Zeitung mit den großen Buchstaben). Der Jäger erstattete Strafanzeige. Das AG hat dann zu einer Geldstrafe von 1.000 € verurteilt und führt u.a. aus:
„….Der Bundesverfassungsgericht postuliert eine Vermutung zugunsten der Meinungsfreiheit in seiner konstitutiven Bedeutung für einen freiheitlich-demokratischen Prozess, soweit Meinungsäußerungen Beiträge zum geistigen Meinungskampf in einer der Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage darstellen, ohne dass es darauf ankommt, ob die Äußerung begründet oder grundlos, emotional oder rational, scharf oder verletzend formuliert ist, als wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos eingestuft wird (vgl. BVerfG NJW 1994, 1779; BVerfG, NJW 1995, 3303, 3305; BVerfG, NJW 1999, 2358, 2359; auch OLG Celle, a.a.O., zitiert nach Juris). Die Äußerung, die dem Angeklagten vorgeworfen wird, betrifft jedoch keine solche Konstellation mit politischer Auseinandersetzung oder aber der Durchsetzung legitimer Rechte, so dass die Vermutung zugunsten der Meinungsfreiheit nicht greift.
Die gebotene Abwägung führt vorliegend dazu, dass dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Geschädigten der Vorrang zu geben ist.
Für ein Überwiegen der Meinungsfreiheit spricht zwar, dass der Vorfall auch außerhalb der Presseberichterstattung, nämlich in den sozialen Netzwerken, große Beachtung gefunden hat und das Verhalten des Geschädigten in der Öffentlichkeit kritisiert wurde sowie die Tierethik – auch der Umgang mit toten Tieren – immer mehr an Bedeutung gewinnt.
Für ein Überwiegen der persönlichen Ehre des Geschädigten spricht jedoch, dass die Bezeichnung als „Rabauken-Jäger“ eine schwere Kränkung darstellt, bei dem von einem unterstellten Fehlverhalten in einem Einzelfall auf seine Integrität als Jäger geschlossen wurde. Dem Geschädigten wurde die moralische Integrität zur Ausübung seiner waidmännischen Tätigkeit abgesprochen. Ehrverletzungen durch Presseveröffentlichungen belasten den Betroffenen besonders nachhaltig, da „Vorverurteilungen“ durch die Presse regelmäßig nur von einem kleinen Teil der Leserschaft kritisch gewürdigt und hinterfragt werden. Auch dem ist bei der Frage nach dem (noch) vertretbaren Verhältnis zwischen dem Anliegen der Öffentlichkeit und den (zu befürchtenden) Beeinträchtigungen des Betroffenen Rechnung zu tragen. Je schwerer und nachhaltiger das Ansehen des Betroffenen durch die Äußerung der Presse beeinträchtigt wird, desto eher muss die Presse durch kritische Zurückhaltung zu erkennen geben, dass sie die Interessen des Betroffenen über ihren eigenen Belangen nicht aus den Augen verliert. An der Verbreitung bloßer Sensationsnachrichten („Knüller“) mag die Presse allenfalls ein rein gewerbliches Interesse haben; insoweit kann aber eine Persönlichkeitsverletzung niemals gerechtfertigt sein (vgl. BGH, Urteil vom 03.05.1977, Az. VI ZR 36/74, zitiert nach Juris). Für ein sachliches Anliegen dürfte nämlich stets eine nicht ehrverletzende Äußerung möglich sein.
Die Äußerung des Angeklagten führt zu einer Vorverurteilung des Geschädigten. Zwar darf der Äußernde Kritik üben und angebliches oder tatsächliches Fehlverhalten aufzeigen, jedoch gilt grundsätzlich die Unschuldsvermutung. Diese Unschuldsvermutung, von der im Artikel vom 02.06.2014 durch das Zitat des Sprechers der Unteren Jagdbehörde beim Landkreis, Achim Froitzheim, – „Ich bezweifle, dass das strafbar oder ordnungswidrig ist“ – noch ausgegangen wird, wird dem Geschädigten im Artikel vom 03.06.2014 jedoch abgesprochen. …..“
Wird sicherlich nicht rechtskräftig geworden sein. Mal sehen, was LG und OLG Rostock daraus machen.