Schlagwort-Archive: abstrakt

Geschwindigkeitsmessung, oder: Kombination aus konkretem und abstraktem Toleranzabzug gibt es nicht

entnommen wikimedia.org
Original uploader was VisualBeo at de.wikipedia

Im Moment habe ich reichlich Material in meinem Blogordner hängen, um es hier in Postings zu verarbeiten. Da passt es dann ganz gut, wenn man mehrere Entscheidungen zusammen fassen kann. Und das geht beim OLG Hamm, Beschl. v. 24.01.2017 – 4 RBs 11/17 – und beim AG Landstuhl, Urt. v. 13.03.2017 – 2 OWi 4286 Js 777/17.

Es geht in beiden Entscheidungen u.a. um Geschwindigkeitsmessungen mit einem standardisierten Messverfahren. In beiden Fällen geht es um eine vom Betroffene erstrebte Kombination von konkretem und abstrakten Toleranzabzug bei dem ermittelten Messwert. Das gibt es nicht, hat das OLG Hamm gesagt:

„Ergänzend zu diesen zutreffenden Ausführungen, denen sich der Senat anschließt, bemerkt der Senat, dass es schon zweifelhaft ist, ob die Behauptung, dass es bei dem konkreten Messverfahren zu Messungenauigkeiten von „bis zu 2 km/h“ kommen könne – ungeachtet der hier fehlenden konkreten Darlegung einer solchen Fehlerquelle – jedenfalls dann dem Tatgericht keinen für die Rechtsbeschwerde relevanten konkreten Anhaltspunkt für eine erörterungsbedürftige Fehlerquelle gibt, wenn die behauptete Messungenaugkeit weniger als der vorgenommene  Toleranzabzug beträgt und die Fehlerquelle von Seiten des Betroffenen behauptet wird. Die Vornahme eines Toleranzabzuges im Rahmen eines standardisierten Messverfahrens verfolgt, ebenso wie die amtliche Zulassung von Geräten und Methoden den Zweck, Ermittlungsbehörden und Gerichte von der Sachverständigenbegutachtung und Erörterung des Regelfalls freizustellen. Möglichen Fehlerquellen wird durch die Berücksichtigung von Messtoleranzen Rechnung getragen (BGH, Beschl. v. 19.08.1993 – 4 StR 627/92 –juris). Käme man im vorliegenden Fall aufgrund einer konkreten Überprüfung des Messverfahrens (etwa im Rahmen eines Sachverständigengutachtens) dazu, dass die gemessene Geschwindigkeit von 74 km/h um 2 km/h (oder weniger) zu hoch gemessen wurde, so wäre andererseits für einen – hier vom Gericht vorgenommenen – Toleranzabzug von 3 km/h kein Raum mehr, denn es wäre ja dann die Fehlerquelle konkret – und nicht lediglich im Rahmen eines pauschalen Sicherheitsabschlages – berücksichtigt worden. Allenfalls wäre dann noch darüber nachzudenken, ob ein einprozentiger Sicherheitsabschlag (oder ein solcher von 1 km/h bei Geschwindigkeiten bis 100 km/h) vorzunehmen wäre, um etwaigen sonstigen Messungenauigkeiten Rechnung zu tragen, denn einem Teil der Messungenauigkeiten wurde ja dann schon durch die konkrete Berechnung des Messfehlers Rechnung getragen und insgesamt ist bei Lasermessungen wie der vorliegenden ein Toleranzabzug von 3 km/h (bzw. bei Geschwindigkeiten von mehr als 100 km/h von 3%) als ausreichend anerkannt (vgl. nur: König in: Hentschel/u.a., Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., § 3 StVO Rdn. 61). Der Betroffene stünde sich dann aber nicht besser als bei einem Toleranzabzug von 3% von vornherein.“

Und dem hat sich das AG Landstuhl dann angeschlossen:

„Darüber hinaus entbehrte der Beweisantrag bezüglich der konkret behaupteten anderen Geschwindigkeit jeglicher Begründung, die das Gericht zu einer Annahme der aufgestellten Tatsachenbehauptung hätte veranlassen können. Denn der Verteidiger hat zwar vorgerichtlich ein für das Gericht nicht maßgebliches Privatgutachten vorgelegt. Dieses hat er aber in der Hauptverhandlung nicht ordnungsgemäß eingeführt. Eine genauere (schriftliche) Begründung des Beweisantrags ist ebenso wenig erfolgt. Bezüglich der hier offenbar angestrebten Kombination von konkretem und abstraktem Abzug von Werten hat sich das OLG Hamm, dessen Entscheidung sich das hier entscheidende Gericht anschließt, eindeutig ablehnend geäußert (OLG Hamm, Beschl. v. 24.01.2017 – 4 RBs 11/17 – juris): eine Akkumulation von konkreten Abzügen und Toleranzpauschale ist unzulässig. Werden konkrete Messfehler vorgetragen, besteht kein Bedarf für den allgemeinen Toleranzabzug. Werden konkrete Messfehler behauptet, die innerhalb der pauschalen Toleranzgrenze liegen, bedarf es ebenfalls keiner weiteren Beweisaufnahme. So läge der Fall auch hier, wenn es auf den Beweisantrag angekommen wäre.“