Im zweiten „Gebühren-Posting“ geht es dann heute auch um die Abrechnung eines Zeithonorars aus einer Vergütungsvereinbarung. Es handelt sich um das OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 0. 7.10.2024 – 2 U 86/23. Das OLG befasst sich in der umfangreich begründeten Entscheidung u.a. mit dem Rückzahlungsanspruch eines Mandanten aus einer Vergütungsvereinbarung und in dem Zusammenhang mit der Höhe der anwaltlichen Gebühren.
In der Sache geht es in etwa um Folgendes: Der Kläger macht aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung Rückzahlungsansprüche von Anwaltshonoraren geltend, die die beklagte Rechtsanwaltskanzlei eingezogen hat und deren Begründetheit der Kläger in Abrede stellt. Gegen den Kläger waren Verfahren im Zusammenhang mit zollrechtlichen und strafrechtlichen Vorwürfen eingeleitet worden, nachdem das Zollfahndungsamt an einem Flughafen in seinem Gepäck Bargeld in kleiner Stückelung im Gesamtwert von 394.050,00 EUR aufgefunden und nach § 12a Abs. 7 ZollVG zur Durchführung eines Clearingverfahrens sichergestellt hatte, weil die Behörde davon ausging, es bestehe ein Anfangsverdacht, dass das sichergestellte Geld zum Zwecke der Geldwäsche in das Ausland habe transferiert werden sollen und deshalb der Einziehung nach §§ 73 ff. StGB unterliegen könnte. Zur Herkunft des Geldes hatte ein zunächst vom Kläger beauftragter Rechtsanwalt RA1 in dessen Namen eine Stellungnahme über die Herkunft der in der Tasche sichergestellten 394.050,00 EUR abgegeben, wonach diese Summe nach den Angaben des Mandanten aus einer schenkweise erfolgten Überweisung seiner Mutter herrühren sollten.
Der Kläger beauftragte dann die Beklagte/Rechtsanwalt RA2 am 09.12.2020 mit der Vertretung seiner rechtlichen Interessen, unterzeichnete eine „Mandatsbedingungen“ überschriebene Vereinbarung, ein SEPA -Lastschriftmandat und schloss mit der Beklagten eine Vergütungsvereinbarung. Unter anderem wurde ein Stundenhonorar von 400,00 EUR zuzüglich Umsatzsteuer einschließlich einer so genannten Mindestpauschale i.H.v. 2.000,00 EUR zuzüglich gesetzlicher Umsatzsteuer vereinbart. Mit Schreiben vom 23.12.2020 nahm Rechtanwalt RA2 Bezug auf ein Akteneinsichtsgesuch vom 15.12.2020, ging auf das Ereignis am Flughafen ein und gab eine Stellungnahme über Hintergründe und die Herkunft des Geldes ab, korrigierte ein auf einem sprachlichen Missverständnis beruhende Unrichtigkeit in dem Schreiben von Rechtsanwalt RA1, erläuterte die angebliche Herkunft des Geldes genauer, berief sich im Zusammenhang mit der subjektiven Tatseite auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum des Klägers, dem die Notwendigkeit, eine größere Menge Bargeld, der die Grenze von 10.000 EUR überschreite, zu deklarieren, nicht bekannt gewesen sei. Durch Beschluss vom 18.03.2021 ordnete das AG – Ermittlungsrichter – gemäß §§ 111b, 111c, 111j StPO die Beschlagnahme der Geldscheine mit der Begründung an, das Verhalten des Beschuldigten sei auf eine gezielte Verschleierung des Besitzes und der beabsichtigten Verbringung des Bargeldes ins Ausland angelegt gewesen, die nach der kriminalistischen Erfahrung für den Transfer inkriminierter Gelder geradezu typisch sei, so dass die gesetzlichen Voraussetzungen einer Beschlagnahmeanordnung bei dieser Sachlage erfüllt seien.
Mit Schreiben vom 21.4.2021 kündigte ein neuer Klägervertreter das Mandatsverhältnis im Hinblick auf die strafrechtliche Angelegenheit, forderte die Beklagte auf, die vereinnahmten Vorschüsse ordnungsgemäß abzurechnen oder zurückzuerstatten und setzte hierfür eine Frist bis zum 30.4.2021. Durch Verfügung vom 21.11.2021 stellte die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren des gegen den Kläger wegen Verdachts der Geldwäsche allerdings ein.
Es geht dann jetzt um die Abrechnung und die Höhe/Anzahl der geltend gemachten Stunden. Das OLG nimmt im Einzelnen zur Wirksamkeit der Vergütungsvereinbarung und dann zur Berechtigung der von dem Rechtsanwalt angesetzten Stunden Stellung. Insoweit bitte ich weitgehend selbst lesen. Ich will hier aus Platzgründen nur eine Passage herausgreifen, in der es um den abrechenbaren Aufwand einesVerteidigers bei widersprüchlichen Angaben des Mandanten geht:
„Zu 1.): Hinsichtlich der Tätigkeit gemäß Position 1.) für den 14.12.2020, hat das Landgericht von geltend gemachten und vom Kläger bestrittenen 5:50 h für die dort beschriebenen Tätigkeiten insgesamt 0:40h und 0:30 h mit der Begründung für bewiesen angesehen, die Tätigkeit sei zwar bestätigt, allerdings nicht genau genug beschrieben worden, welche Recherchemaßnahmen erforderlich gewesen seien. Bewiesen sei lediglich, das Durchsehen von insgesamt 15-35 Seiten Unterlagen, was zu einem Mindestaufwand auf 45 Minuten führe zuzüglich der Einarbeitung in die Rechtslage.
Die hiergegen erhobenen Einwände der Beklagten greifen durch. Soweit die Beklagte dargelegt hat, es habe sich um zollrechtliche Fragen und der sich daraus ergebende Probleme für die Mandanten und den Ablauf des Verfahrens, ist dies aufgrund der besonderen Umstände des Sachverhaltes und des Akteninhaltes belegt.
Vorliegend war zunächst die zollrechtliche Besonderheit zu berücksichtigen, dass es ursprünglich um ein – aufgrund neuer europarechtlicher Vorschriften -sog. „Clearing-Verfahren“ ging, im Zusammenhang mit dem Verbot, nicht deklarierte Bargeldsummen von über 10.000 € über die Grenze zu bringen.
Belegt ist indes auch der vom Beklagten dargelegte Umstand, besondere Schwierigkeiten hätten sich aus dem Vortrag des Klägers ergeben, dessen unklare Ausführungen im Termin zur Eingangsberatung mit den Unterlagen erst einmal hätten in Einklang gebracht werden müssen. Dies ergibt sich bereits aus der Tatsache, dass der Kläger unterschiedliche, teilweise nicht nachvollziehbare und von der Behörde als unglaubhaft angesehene Angaben gemacht hatte. Dies hatte zur Folge, dass es nicht mehr um die bloße Herkunftsklärung im Zusammenhang mit zollrechtlichen Ausfuhrbestimmungen, sondern wegen der widersprüchlichen Angaben und Unklarheiten zu Anfangsermittlungen wegen des Verdachts der Geldwäsche kam. Der zuvor vom Kläger beauftragte Rechtsanwalt RA1 hatte Angaben gemacht, die später korrigiert werden mussten, wobei auch der Beklagtenvertreter an späterer Stelle erläutern musste, dass es sich bei einem bestimmten Teil der Einlassung um ein sprachliches Missverständnis gehandelt habe.
Der Anwalt darf nicht jede Darstellung des Mandanten ungeprüft als Einlassung weitergeben, um im Hinblick auf seine Pflicht zur effektiven Vertretung die Position des Mandanten nicht durch abwegige und widersprüchliche Einlassungen zu verschlechtern. Dabei hat die Einhaltung der die in § 43a BRAO geregelten Berufspflichten zu beachten. § 43a Abs. 3 S. 2 BRAO schreibt vor, dass der Rechtsanwalt sich bei seiner Berufsausübung der bewussten Verbreitung von Unwahrheiten zu enthalten hat. Dies gebietet besondere Sorgfalt. Zugleich muss der zur effektiven Interessenvertretung verpflichtete Rechtsanwalt darauf achten, dass seine Tätigkeit weder als Beihilfe zur Strafvereitelung gemäß §§ 258, 27 StGB noch als Begünstigung gemäß § 257 BGB oder einer Hilfeleistung en dazu (§§ 257,27 StGB) eingestuft werden könnte. All dies gebietet besondere Sorgfalt und erheblichen Aufwand, je nach der Art des Verhaltens des Mandanten. Dies nimmt erhebliche Zeit in Anspruch. Jedes Wort muss abgewogen werden. Die Akte muss mehrfach gelesen werden, gegebenenfalls muss hin und her geblättert werden. Mithin ist plausibel und glaubhaft, soweit der Beklagtenvertreter in diesem Zusammenhang erläutert hat, die Durchsicht der Akte sei vor dem Hintergrund der bisherigen Sachverhaltsdarstellung besonders kritisch vorzunehmen gewesen.
Der Einwand des Klägers, die Akten hätten sich zum Zeitpunkt der Einsicht aus einer Vielzahl von im Ergebnis bedeutungslos und Verfügungen zusammengesetzt, trifft zu. Hieraus folgt allerdings nicht, dass sich vermeintlich und unwichtige Teile des Akteninhaltes sich notwendig auf die Dauer des Aktenstudiums auswirken muss. Denn erst die genaue Durchsicht der Akte und die Erfassung des Sachverhaltes im Detail ermöglicht die Entscheidung welche Teile der Akte wichtig und welche unwichtig sind.
Handelt es sich um eine ihrem Aufbau und Struktur im Vergleich zu üblichen Behördenakten, insbesondere Gerichtsakten auch für den erfahrenen Rechtsanwalt um Akten mit besonderer Struktur und ungewöhnlichem Inhalt, so wirkt sich dies auch auf die Dauer der erforderlichen Durchsicht aus. Gleiches gilt für die vom Landgericht zugemessene Dauer für die Einarbeitung in die fremde, zollrechtliche Rechtsmaterie.
Insgesamt hält der Senat daher eine Dauer von 04:30 h für angemessen.“