Berufung I: Unpünktliches Erscheinen in Berufungs-HV, oder: Verspätungsmitteilung in der „Wartezeit“

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In die 19. KW starte ich dann heute mit zwei Entscheidungen das BayObLG aus dem Berufungsverfahren, also StPO.

Zunächst hier der BayObLG, Beschl. v. 11.01.2024 – 203 StRR 3/24 – zum Klassiker Berufungsverwerfung nach § 329 Abs. 1 StPO – hier Verwerfung trotz Mitteilung der Verspätung innerhalb der sog. Wartezeit.

Das BayObLG hat die Verwerfungsentscheidung des LG aufgehoben, der Sachverhakt ergibt sich aus dem Beschluss:

„Die Revision ist zulässig und begründet. Sie dringt mit der zulässig erhobenen (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) Verfahrensrüge durch, das Landgericht Nürnberg-Fürth habe die Voraussetzungen für die Verwerfung der Berufung gemäß § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO zu Unrecht angenommen.

1. Ist bei Beginn eines Hauptverhandlungstermins weder der Angeklagte noch ein Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht erschienen und das Ausbleiben nicht genügend entschuldigt, so hat das Gericht nach § 329 Abs. 1 S. 1 StPO eine Berufung des Angeklagten ohne Verhandlung zur Sache zu verwerfen. Die Möglichkeit der Verwerfung der Berufung ohne Verhandlung zur Sache beruht auf der Vermutung, dass derjenige sein Rechtsmittel nicht weiter verfolgt wissen will, der sich ohne ausreichende Entschuldigung zur Verhandlung nicht einfindet. Sie dient dem Zweck, den Beschwerdeführer daran zu hindern, die Sachentscheidung über seine Berufung dadurch zu verzögern, dass er sich der Verhandlung entzieht. Es ist allerdings nicht der Sinn der Vorschrift, bloße Nachlässigkeit zu bestrafen, die einem zur Mitwirkung am Verfahren bereiten Angeklagten bei der Erfüllung seiner Pflicht zum pünktlichen Erscheinen unterlaufen ist (st. Rspr., vgl. bereits BayObLG, Beschluss vom 15. Juli 1988 – RReg 1 St 90/88 –, juris Rn. 5 und 8).

2. Daraus folgt, dass das Berufungsgericht nicht schon dann, wenn der Angeklagte ohne ausreichende Entschuldigung nicht pünktlich erscheint, die Berufung ohne weiteres sofort verwerfen darf. Vielmehr ist der Tatrichter nach dem Grundsatz des fairen Verfahrens und der hieraus abzuleitenden Fürsorgepflicht gehalten, regelmäßig mindestens 15 Minuten zuzuwarten, bevor er die Berufung wegen Ausbleibens des Angeklagten verwirft (st. Rspr., vgl. MüKoStPO/Quentin, 2. Aufl. 2024, StPO § 329 Rn. 22; Paul in KK-StPO, 9. Aufl., § 329 Rn. 4; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 329 Rn. 2, 13; OLG Nürnberg, Beschluss vom 20. Oktober 2009 – 1 St OLG Ss 160/09, BeckRS 2010,2715; BayObLG a.a.O.). Unter besonderen Umständen hat er jedoch auch über 15 Minuten hinaus zu warten (MüKoStPO/Quentin a.a.O. Rn. 22; Paul a.a.O. Rn. 4; Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O. Rn. 13; BeckOK StPO/Eschelbach, 49. Ed. 1.10.2023, StPO § 329 Rn. 17; BayObLG a.a.O.). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn dem Gericht innerhalb der regelmäßigen Wartezeit mitgeteilt wird, dass sich der Angeklagte verspäten, aber noch innerhalb angemessener Zeit erscheinen werde (st. Rspr., vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 15. November 2021 – 1 Ws 425/21 –, juris; OLG Zweibrücken Beschluss vom 24. Oktober 2016 – 1 Ss 74/16, BeckRS 2016, 21235; KG Berlin, Beschluss vom 30. April 2013 – (4) 161 Ss 89/13 (86/13) –, juris Rn. 4; OLG Jena Beschluss vom 18. September 2012 – 1 Ss 71/12, BeckRS 2013, 14470; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 7. März 2011 – (1) 53 Ss 19/11 (5/11) –, juris; OLG München, Beschluss vom 5. Juli 2007 – 4St RR 122/07 –, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 16. Mai 1997 – 2 Ws 165/97 –, juris; BayObLG a.a.O.). Wie lange die Fürsorgepflicht ein Zuwarten gebietet, lässt sich nicht abstrakt, sondern nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der dem Tatrichter zugänglichen Informationen bestimmen.

3. Im vorliegenden Fall hat die Verteidigerin laut der Niederschrift der auf 10.30 Uhr anberaumten Hauptverhandlung gegen 10.40 Uhr, also noch innerhalb der regelmäßigen Wartepflicht, nach telefonischer Rücksprache mit dem Angeklagten mitgeteilt, dass sich der Angeklagte in spätestens 10 Minuten bei Gericht einfinden würde. Gegen 10.52 Uhr hat die Verteidigerin nach erneuter telefonischer Kontaktaufnahme mit dem Angeklagten mitgeteilt, dass sich dieser jetzt an der Maximilianstraße – und damit in unmittelbarer Gerichtsnähe – befände. Gleichwohl hat die Strafkammer um 11.00 Uhr festgestellt, dass der Angeklagte unentschuldigt nicht erschienen sei und sodann das Verwerfungsurteil verkündet. Der Angeklagte ist nach dem Protokoll um 11.01 Uhr erschienen. Nach dem Vortrag der Revision war die Verkündung des Urteils zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen.

4. Angesichts dessen hat die Strafkammer ungeachtet eines den Angeklagten an der Verspätung treffenden Verschuldens die Grundsätze des fairen Verfahrens und insbesondere die richterliche Fürsorgepflicht verletzt. Nach den Auskünften der Verteidigerin war hinreichend verlässlich zu erwarten, dass der Angeklagte innerhalb kurzer Zeit im Verhandlungssaal erscheinen werde. Besondere Gründe, die ein weiteres Zuwarten hier nicht mehr gerechtfertigt hätten, hat die Strafkammer im Urteil nicht festgestellt….“

Sonntagswitz: Zum „Internationalen Hebammentag“ Witze zu/um/mit Hebammen

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Heute ist dann der Aktions-/Gedenktag: Internationaler Hebammentag. Und da gibt es dann Hebammenwitze:

Fragt die Hebamme im Kreißsaal: „Möchten Sie den Vater bei der Geburt dabei haben?“

„Nein, um Himmelswillen! Der versteht sich mit meinem Mann überhaupt nicht!“


Eine Hebamme wird zu einer Hausgeburt auf dem Land gerufen – der Vater zeigt Ihr den Weg ins Schlafzimmer.

Kurz darauf kommt die Hebamme wieder heraus und bittet den Vater um eine Taschenlampe. Sie erhält die Lampe und geht wieder ins Schlafzimmer.

Wenig später kommt sie wieder heraus und bittet den Vater um eine Zange – die er Ihr, schon leicht verwundert, gibt. Keine fünf Minuten später kommt Sie wieder aus dem Zimmer und bittet um ein Brecheisen.

„Keine Sorge – bei Ihrer Frau ist alles klar, ich kriege nur die blöde Tasche nicht auf.“


Der frischgebackene Vater tanzt, springt und jubelt: „Jaa, es ist ein Junge.“

Knurrt die Hebamme: „Nein, es ist ein Mädchen. Und nun: Hände weg von meinen kleinen Finger.“


Der fünfjährige Max kommt nach der Geburt seiner kleinen Schwester ins Krankenhaus, wo ihn die Hebamme begrüßt.

Sie erzählt ihm, dass der Klapperstorch ihm eine kleine Schwester gebracht hat und fragt, ob er sie einmal sehen möchte.

Darauf antwortet Max: „Meine Schwester nicht, aber den Klapperstorch, den hätt ich gern mal gesehen.“

Wochenspiegel für die 18. KW., mit künstlichen Klicks, 5 x Klicken, Untermiete und das AG als Gesetzgeber

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Und dann am ersten Maisonntag der Wochenspiegel für die 18. KW./2024 mit folgenden Hinweisen.

  1. LG Magdeburg: Wettbewerbsverstoß durch Anbieten von Dienstleistungen zur Suchmaschinenmanipulation durch das künstliche Erzeugen von Klicks per Clickworker
  2. Bullying in Open Source: Eine neue Form des Angriffs?
  3. AG München: Fünfmal Klicken auf Webseite ist kein Versehen mehr = keine Anfechtung wegen Erklärungsirrtum möglich
  4. Wenn die Verurteilungssucht ungezügelt wird
  5. Arbeitnehmer dürfen Bemühungen der Arbeitsagentur nicht unterlaufen

  6. Kein Unfallschutz nach unterbrochenem Arbeitsweg wegen Erkrankung

  7. OLG Frankfurt a.M.: Zur Zustellung einer einstweiligen Verfügung, die auf Anlagen Bezug nimmt / 2020
  8. Darf ich meine Wohnung an Fans untervermieten? RA Christian Solmecke klärt auf

  9. BGH: Bei unerlaubten Sportwetten verwettete Einsätze können zurückverlangt werden / 2024
  10. und aus meinem Blog die abenteuerliche Entscheidung des AG Dortmund: KCanG II: „Drogenfahrt“ nun bis 3,5 ng/ml THC erlaubt?, oder: Das AG Dortmund als Gesetzgeber?

Flug II: Nichtantritt eines Fluges durch Fluggast, oder: Anspruch auf Erstattung von Steuern und Gebühren?

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In der zweiten Entscheidung, dem AG Königs Wusterhausen, Urt. v. 15. April 2024 – 4 C 4347/23 (2) – hat das AG zum Anspruch auf Erstattung unverbrauchter Steuern und Gebühren nach dem Nichtantritt eines gebuchten Fluges Stellung genommen.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten aus abgetretenem Recht die Erstattung nicht verbrauchter Steuern und Gebühren nach dem Nichtantritt eines gebuchten Fluges. Die in A. wohnhafte Frau B., die Zedentin buchte bei der Beklagten ein Ticket für den Flug EJU 5547 am 23.03.2023 von Edinburgh (EDI) nach Berlin (BER) und für den Flug EZY 3161 am 30.03.2023 zurück von Berlin nach Edinburgh. Sie bezahlte dafür 74,38 EUR an die Beklagte. Die Zedentin trat die Flüge nicht an.

Wenn die Beklagte die Zedentin befördert hätte, hätte sie an Dritte Steuern und Gebühren (insbesondere Luftverkehrsabgabe, Passagierentgelt für die Abfertigung am Startflughafen, Gebühren für die Sicherheitskontrolle am Startflughafen, usw.) von zusammen 61,44 EUR zahlen müssen. Diese Steuern und Gebühren hat die Beklagte für die streitgegenständliche Buchung aufgrund des Nichtantritts der Flüge durch die Zedentin nicht abführen müssen.

Die Klägerin zeigte der Beklagten mit Schreiben vom 26.03.2023 die Abtretung der Forderung an und forderte die Beklagte erfolglos zur Zahlung der Steuern und Gebühren binnen 14 Tagen auf. Sie ist der Auffassung, der Nichtantritt des Fluges durch die Zedentin stelle eine konkludente Kündigung des Beförderungsvertrages dar. Sie könne daher aus abgetretenem Recht gem. §§ 648 S. 2, 812 Abs. 1 S. 1, 2 BGB die nicht verbrauchten Steuern und Gebühren zurückfordern. Die Beklagte behauptet, in den Beförderungsvertrag seien ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), einbezogen worden. Danach sei ein Anspruch ausgeschlossen. Sie ist ferner der Auffassung, der Beförderungsvertrag unterliege nach Ziff. 21.1 AGB dem Recht von England und Wales. Die Rechtswahlklausel sei wirksam, insbesondere nicht unverständlich. Die verwendeten Begriffe „Übereinkommen“, ARP 2019“ und „Verordnung (EG) 261/2004“ seien in den AGB exakt definiert. Die Beklagte ist ferner der Auffassung, auch im Falle der Anwendbarkeit deutschen Rechts bestehe der Anspruch nicht, da sie das Kündigungsrecht durch Ziff. 5.1, 5.4 AGB wirksam ausgeschlossen habe.

Die Klage hatte Erfolg. Ich verweise wegen der Einzelheiten der Begründung auf den verlinkten Volltext und stelle hier nur die Leitsätze ein:

    1. Die Rechtswahlklausel „In Übereinstimmung mit der beschränkten Rechtswahlmöglichkeit nach dem zweiten Unterabsatz von Artikel 5 Abs. (2) der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (sog. ‚Rom I Verordnung‘) unterliegen ihr Beförderungsvertrag mit uns sowie diese Beförderungsbedingungen dem Recht von England und Wales. Von der Rechtswahl bleiben diejenigen Bestimmungen unberührt, von denen nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf, insbesondere der Übereinkommen, der APR 2019 oder der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (zu den Begriffen, siehe den Abschnitt „Definitionen“).“ in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Luftfahrtunternehmens ist gegenüber Verbrauchern wegen der Intransparenz des zweiten Satzes wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 Klausel-RL unwirksam.
    2. Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Luftfahrtunternehmens, mit denen der gesetzliche Anspruch auf Erstattung nicht verbrauchter Steuern und Gebühren im Falle der Kündigung des Beförderungsbetrages aus § 648 S. 2 BGB ausgeschlossen wird, sind gegenüber Verbrauchern gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam.

Flug I: Schadensersatz wegen Verspätung bei Flügen, oder: Berechnung des Zeitkorridors

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Und dann – passend zur bald beginnenden Reisesaison – heute zwei AG-Entscheidungen zum Schadensersazu bei Verspätung von Flügen bzw. bei Flugausfal.

ich beginne hier mit der Verspätungsentscheidung, dem AG Köln, Urt. v. 10.04.2024 – 149 C 606/23.

Mehrere Flugäste, die ihre Ansprüche an die Klägerin abgetreten haben, waren auf die von der Beklagten auszuführende Flugverbindung N01, planmäßig 16:00 Uhr – 16:15 Uhr, jeweils Lokalzeit) und N02, planmäßig 18:15 Uhr – 19:50 Uhr, jeweils Lokalzeit) gebucht. N01 wurde pünktlich durchgeführt. N02 wurde von der Beklagten annulliert. Den Fluggästen wurde von der Beklagten eine Ersatzbeförderung angeboten, mit der sie wie folgt reisten: N03, 16:40 Uhr – 18:00 Uhr, jeweils Lokalzeit) und N04, 20:20 Uhr – 21:30 Uhr, jeweils Lokalzeit). Die Entfernung zwischen M., dem Startort, und X., dem Zielort, beträgt, berechnet nach der Großkreismethode, 1.374 Kilometer.

Die Klägerin ist der  Ansicht, aufgrund des Abflugs in R. um 16:40 Uhr – statt um 18:15 Uhr – könne sich die Beklagte nicht auf den Anspruchs-Ausschluss nach Art. 5 Abs. 1 lit. c) iii) der Fluggastrechte-VO berufen. Das AG hat die Klage abgewiesen:

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch in Höhe von 2.000,00 EUR aus Art. 7 Abs. 1 lit. a), Art. 5 Abs. 1 c) Fluggastrechte-VO i.V.m. § 398 BGB aufgrund der Annullierung des Anschlussflugs N02 betreffend die Fluggäste. Denn die Beklagte hat die Fluggäste rechtzeitig i.S.v. Art. 5 Abs. 1 lit. c) iii) der Fluggastrechte-VO ersatzbefördert.

a) Gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. c) iii) der Fluggastrechte-VO wird den betroffenen Fluggästen bei Annullierung eines Fluges vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Art. 7 der Fluggastrechte-VO eingeräumt, es sei denn, sie werden über die Annullierung weniger als sieben Tage vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als eine Stunde vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen. Mit Art. 5 Abs. 1 lit. c) ii) und iii) der Fluggastrechte-VO hat der Unionsgesetzgeber die dem Fluggast zumutbare Verlängerung der Flugzeit bei einer „anderweitigen Beförderung“ (Ersatzbeförderung) auf sechs bzw. drei Stunden begrenzt, jeweils aufgeteilt auf einen bestimmten Zeitraum vor der ursprünglichen Abflugzeit und einen bestimmten Zeitraum nach der ursprünglichen Ankunftszeit (BeckOK Fluggastrechte-VO/Schmid, 30. Edition, Stand: 01.04.2024, Art. 5 Fluggastrechte-VO Rn. 40).

b) Hieran gemessen hat die Beklagte die Fluggäste rechtzeitig ersatzbefördert. Was die Ankunftszeit am Endziel angeht, ist dies unzweifelhaft der Fall. Denn die Fluggäste sollten X. planmäßig um 19:50 Uhr erreichen und kamen dort um 21:30 Uhr – mithin mit einer Verspätung von weniger als zwei Stunden – an. Aber auch hinsichtlich der Abflugzeit sind die Voraussetzungen von Art. 5 Abs. 1 lit. c) iii) der Fluggastrechte-VO eingehalten. Denn es kommt im Falle des annullierten Anschlussflugs nicht auf eine „Verfrühung“ am Umsteige-Flughafen, sondern auf eine „Verfrühung“ am Ausgangs-Flughafen an. Für eine solche Betrachtung spricht bereits, dass auch bei der Frage der Anwendbarkeit der Fluggastrechte-VO bei einheitlicher Buchung auf die gesamte Flug-Verbindung abgestellt wird und gerade keine Aufspaltung nach einzelnen Teilflügen stattfindet (EuGH, Urt. v. 24.02.2022 – C-451/20NJW-RR 2022, 563). Auch die Systematik der Vorschrift spricht gegen ein Abstellen auf die „Verfrühung“ am Umsteige-Flughafen. Denn in der Konsequenz müsste dem Fluggast dann auch im umgekehrten Fall der volle Ausgleichs-Anspruch zustehen, wenn also das ausführende Luftfahrtunternehmen den Zubringer-Flug annulliert, der Fluggast aber den deutlich später stattfindenden Anschlussflug noch erreicht, weil der „Ersatz-Zubringerflug“ früher – indes über zwei Stunden nach der planmäßigen Landung des ursprünglichen Zubringerflugs – den Umsteige-Flughafen erreicht als der planmäßig durchgeführte Anschlussflug dort startet. Dies ist allerdings durch das Wort „Endziel“ in der vorgenannten Vorschrift gerade ausgeschlossen. Insbesondere aber sprechen Sinn und Zweck der Vorschrift gegen eine Auslegung, wie sie die Klägerseite vertritt. Denn wie sich auch aus der von der Klägerseite selbst im Schriftsatz vom 05.03.2024 (Bl. 110 d.A.) angeführten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ergibt, geht es bei der streitgegenständlichen Vorschrift gerade darum, dass eine erhebliche Vorverlegung eines Fluges in gleicher Weise wie dessen Verspätung für die Fluggäste zu schwerwiegenden Unannehmlichkeiten führen kann, da eine solche Vorverlegung ihnen die Möglichkeit nimmt, frei über ihre Zeit zu verfügen und ihre Reise oder ihren Aufenthalt nach Maßgabe ihrer Erwartungen zu gestalten. Dies ist hiernach insbesondere dann der Fall, wenn ein Fluggast, der alle erforderlichen Vorkehrungen getroffen hat, aufgrund der Vorverlegung des von ihm gebuchten Fluges das Flugzeug nicht nehmen kann. Es ist auch dann der Fall, wenn die neue Abflugzeit den Fluggast zwingt, erhebliche Anstrengungen zu unternehmen, um seinen Flug zu erreichen (EuGH, Urt. v. 21.12.2021 – C-146/20 u.a. – NJW-RR 2022, 193 Rn. 76 ff.). Eine solche Unannehmlichkeit besteht aber gerade nicht, wenn es lediglich am Umsteige-Flughafen zu einer Vorverlegung in Form einer Umbuchung kommt. Denn in diesem Fall konnte der Fluggast durch die Vorverlegung keinerlei Schwierigkeiten haben, seinen Flug zu erreichen, denn der Zubringer-Flug ist ja – wie im vorliegenden Fall – gerade pünktlich – und nicht etwa verfrüht – durchgeführt worden. Im Gegenteil verringern sich die Unannehmlichkeiten für den Fluggast durch die „Verfrühung“ des Anschlussflugs sogar, indem er weniger Zeit am Umsteige-Flughafen verbringen muss.“