Klageerzwingung I: Unzulässige Antragsbegründung, oder: Warum war der Antrag ein „Ansinnen“?

In die neue Woche starte ich dann mit zwei Entscheidungen zum Klageerzwingungsverfahren.

Ich starte mit dem

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–, der mal wieder zur ausreichenden Begründung des sog. Klageerzwingungsantrags Stellung nimmt. Das OLG sieht die Vorgaben als nicht erfüllt an:

„Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 172 Abs. 2 StPO ist bereits als unzulässig zu verwerfen.

1. Er entspricht nicht den nach § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO an den Inhalt eines Klageerzwingungsantrags zu stellenden formellen Anforderungen. Nach dieser Vorschrift muss der Antrag auf gerichtliche Entscheidung den Senat in die Lage versetzen, ohne Rückgriff auf die Ermittlungsakten oder andere Schriftstücke eine Schlüssigkeitsprüfung hinsichtlich der Erfolgsaussichten des Antrags auf Erhebung der öffentlichen Klage in formeller und materieller Hinsicht vorzunehmen (OLG Celle, Beschluss vom 17. März 2008, Az. 1 Ws 105/08; hierzu und dem Folgenden: OLG Hamm, Beschluss vom 17. März 2010, Az. 2 Ws 42/10). Deshalb muss der Antrag auf gerichtliche Entscheidung eine aus sich heraus verständliche Schilderung desjenigen Sachverhaltes enthalten, der bei Unterstellung der Richtigkeit des hinreichenden Tatverdachtes die Erhebung der öffentlichen Klage sowohl in materieller als auch in formeller Hinsicht rechtfertigen würde (vgl. hierzu und dem Folgenden: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 172 Rdnr. 26 ff.). Dabei hat die Sachdarstellung zumindest in groben Zügen den Gang des Ermittlungsverfahrens, den Inhalt der angegriffenen Entscheidungen und die Gründe für deren behauptete Unrichtigkeit mitzuteilen. Diesen skizzierten Vorgaben wird der vorliegende Klageerzwingungsantrag nicht gerecht.

Die Darstellung des Sachverhalts ist lückenhaft. Zu der gebotenen Darstellung des Verfahrensganges genügt es nicht, singulär auf die Erkenntnisse einzugehen, die das Antragsbegehren stützen (OLG Koblenz, Beschluss vom 21. Mai 2007, Az. 2 Ws 272/07; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 8. August 2024, Az. 2 Ws 88/24 (S)). Vielmehr ist das gesamte für die objektive und subjektive Tatseite bedeutsame Ermittlungsergebnis einschließlich der Tatsachen, die dem Antragsbegehren den Boden entziehen könnten, mitzuteilen (vgl. hierzu und dem Folgenden: OLG Koblenz, Beschluss vom 21. Mai 2007, Az. 2 Ws 272/07). Denn nur auf der Grundlage einer derart vollständigen Darstellung und damit bei Kenntnis auch der Umstände, die der Darstellung des Antragstellers möglicherweise entgegenstehen, lässt sich der Erfolg des Begehrens des Antragstellers, nämlich die angestrebte Verurteilung der Beanzeigten, zutreffend beurteilen (vgl. hierzu und dem Folgenden: OLG Hamm, Beschluss vom 17. März 2010, Az. 2 Ws 42/10; OLG Hamm, Beschluss vom 21. Juni 2004, Az. 2 Ws 128/04). Eine selektive Auswahl der zugunsten des Strafantragstellers sprechenden Argumente unter Hintanstellung gegebenenfalls diese widerlegender Gesichtspunkte führt zur Unschlüssigkeit des Klageerzwingungsantrages und folglich zu seiner Unzulässigkeit (OLG Hamm, Beschluss vom 17. März 2010, Az. 2 Ws 42/10).

Hierzu führt die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 02. August 2024 wie folgt aus:

„Dem Antrag ist die aktenkundige Abschlussverfügung und Anklageschrift vom 6. Juli 2023 (BI. 57 ff. der Akte) in dem Verfahren 4123 Js 1995/23, auf die im Bescheid der Staatsanwaltschaft Potsdam Bezug genommen wird, nicht zu entnehmen. Hieraus ergibt sich, dass der Leiter der Tierauffangstation („Name 02“) im Nachgang zur behördlichen Maßnahme wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz angeklagt worden ist.“

Der Senat tritt diesen Ausführungen bei; sie entsprechen der Sachlage. Ist wegen desselben Sachverhaltes gegen den Antragssteller selbst Anklage erhoben worden, so muss er dies in seinem Antrag vortragen – verschweigt er eine solche Anklage, so ist der Klageerzwingungsantrag unzulässig (OLG Stuttgart, Beschluss vom 10. September 2001, Az. 1 Ws 184/01). Zwar richtet sich die Anklageschrift vom 06. Juli 2023 – die die vorgefundenen Begebenheiten anlässlich der Kontrolle und Inobhutnahme der Tiere am 25. Juli 2022 auf dem Grundstück („Adresse 01“) zum Gegenstand hat – nicht gegen den („Firma 01“) – was bereits dem Umstand geschuldet ist, dass das deutsche Strafrecht kein Unternehmensstrafrecht ist -, sondern gegen Herrn („Name 02“). Dieser ist indes dem Vorstand des („Firma 01“). zugehörig – damit für seine Handlungen als Unternehmensverantwortlicher persönlich strafrechtlich verantwortlich – und hat auch die Vollmacht des Verteidigers für den („Firma 01“) wie auch etliche Verwahrtier – Verfügungen und Fundtieranzeigen und Übergaben für selbigen unterzeichnet. Unerwähnt lässt der Antragsteller in diesem Zusammenhang auch, dass der Sitz des („Firma 01“). in der („Adresse 01“) zugleich die Wohnanschrift des Herrn („Name 02“) ist, und den Umstand, dass das mangelnde Vorhalten eines Bestandsbuches, mit welchem die Zuordnung als Abgabe-/ Verwahr-/ Zuchttier und privates Tier sowie zwingend die rechtliche Eigentumszugehörigkeit möglich wäre, Gegenstand der wiederholten Kontrollen und Auflagen des Veterinäramts betreffend den Tierbestand in der („Adresse 01“) war. Zudem wird mit keinem Wort erwähnt, aus welchem Grunde das Veterinäramt der Stadt („Ort 01“) den bei der Kontrolle am 25. Juli 2022 vorgefundenen Tierbestand in Obhut genommen hat, dass die Kontrolle am 25. Juli 2022 nicht die erste Begehung ihrer Art gewesen ist, und dass im Hinblick auf die dortige Tierhaltung vorab (nicht erfüllte) Auflagen erteilt wurden.

Auf dieser Grundlage ist dem Senat eine Beweiswürdigung nicht möglich. Diese Beweiswürdigung ist aber Gegenstand der Zulässigkeitsprüfung, da nur dann die Schlüssigkeit des Klageerzwingungsantrages geprüft werden kann.

Auch die Darstellungen des Antragstellers in den anwaltlichen Schriftsätzen vom 28. August 2024 und 20. September 2024 führen zu keinem anderen Ergebnis. Ungeachtet der Tatsache, dass der Senat die Anklageerhebung gegenüber dem Vorstandsmitglied („Name 02“), der unter derselben Anschrift wohnhaft wie das („Firma 01“) ortsansässig ist, – wie ausgeführt – als notwendig in ihrer Darstellung erachtet, würde auch eine Nachbegründung nach Ablauf der Monatsfrist des § 172 Abs. 2 S. 1 StPO dem Antrag nicht mehr zur Zulässigkeit verhelfen können (OLG Hamm, Beschluss vom 4. Juli 2002, Az. 2 Ws 213/02; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30. Dezember 1999, Az. 1 Ws 624 – 625/99 ; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 10. März 2008, Az. 1 Ws 17/08).

Der Antrag war nach alledem als unzulässig zu verwerfen.“

So weit, so gut – oder auch nicht. Jedenfalls bringt der Beschluss nichts Neues. Außer einer Formulierung, die mich stört. Denn in dem Beschluss – insoweit oben nicht zitiert – heißt es:

„Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat in ihrer Stellungnahme vom 02. August 2024 beantragt, das Ansinnen auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig zu verwerfen. Mit Anwaltsschriftsätzen vom 28. August 2024 und 20. September 2024 ist der Antragsteller dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft entgegengetreten.“

Warum „Ansinnen“ (= „oft als Zumutung empfundenes Ersuchen, Gesuch, Bitte“? Warum schreibt man nicht „Antrag“ und gut ist es?

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