StPO II: Wenn der Eröffnungsbeschluss fehlt, oder: Reichen „Ersatzentscheidungen“?

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Im zweiten Posting dann zwei BGH-Entscheidungen zum fehlenden Eröffnungsbeschluss.

Im BGH Beschl. v. – 4 StR 167/24 – geht es um die Frage, ob ggf. u.a. ein Verbindungsbeschluss ggf. den fehlenden – ausdrücklichen – Eröffnungbeschluss ersetzt hat. Dazu der BGH:

„…..Zwar enthält die Strafprozessordnung keine spezielle Formvorschrift für den Eröffnungsbeschluss; dennoch bedarf es im Hinblick auf seine Bedeutung als Grundlage des Hauptverfahrens und mit Rücksicht auf die Erweislichkeit der Beschlussfassung in weiteren Verfahrensstadien regelmäßig einer schriftlichen Niederlegung der Entscheidung (vgl. 2 StR 199/17; Beschluss vom 3 StR 484/10, BGHR StPO § 207 Beschluss 1). Eine dahingehende Entscheidung ist weder ausdrücklich ergangen noch kann dem Verfahrensgang mit der erforderlichen Sicherheit konkludent eine von Seiten des Gerichts schlüssige und eindeutige Willenserklärung dieses Inhalts entnommen werden (vgl. , NStZ 2016, 747 mwN; Beschluss vom – 3 StR 493/87 Rn. 8).

aa) Insbesondere kommt dem Verbindungsbeschluss des Schöffengerichts vom kein entsprechender Erklärungsgehalt zu. Dies kann zwar ausnahmsweise in Betracht kommen, wenn das verbindende Gericht die Eröffnungsvoraussetzungen erkennbar selbst geprüft hat und sich seiner eigenen Eröffnungsentscheidung bewusst war (vgl. Rn. 4; Beschluss vom – 3 StR 194/20; MüKo-StPO/Wenske, 2. Aufl., § 207 Rn. 30 mwN). Hierfür gibt es vorliegend jedoch keine Anhaltspunkte; namentlich ergibt sich dies nicht aus dem Beschlusswortlaut, der sich im Wesentlichen auf die Auflistung der zu verbindenden Verfahren beschränkt. Dass das Schöffengericht seinem Verbindungsbeschluss vom einen solchen Erklärungswert nicht beilegen wollte, lässt sich zudem aus einem Vergleich mit dem gerichtlichen Vorgehen in Zusammenhang mit dem weiteren Verbindungsbeschluss vom ableiten. Hier hat das Schöffengericht am Tag der Verbindung hinsichtlich der den weiter hinzuverbundenen Verfahren zu Grunde liegenden Anklagen gesonderte Eröffnungsbeschlüsse erlassen.

bb) Der Eröffnungsbeschluss ist auch nicht im weiteren Verfahren wirksam nachgeholt worden. Der im führenden Verfahren erlassene Haftbefehl gemäß § 230 Abs. 2 StPO, welchem ein solcher Bedeutungsgehalt grundsätzlich beigemessen werden kann (vgl. ; Beschluss vom – 4 StR 606/97 Rn. 8), datiert bereits vom ; er verhält sich nicht zu den Taten aus der Anklage vom .

Ebensowenig ist die zunächst unterbliebene Eröffnung des Hauptverfahrens noch während laufender Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht nachgeholt worden (vgl. hierzu 2 StR 45/14 Rn. 8; Beschluss vom 1 StR 213/79, BGHSt 29, 224, 228). Eine mündliche Verkündung und Protokollierung in der Sitzungsniederschrift genügt zwar grundsätzlich dem Schriftformerfordernis (4 StR 59/01 Rn. 11; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 207 Rn. 8). Der vorliegend protokollierten Anordnung der Verlesung der Anklage vom im Hauptverhandlungstermin am kann ein eindeutiger Erklärungsinhalt im Sinne einer diesbezüglichen Eröffnung des Hauptverfahrens jedoch schon deshalb nicht entnommen werden, weil zugleich (irrtümlich) auf einen vorliegenden Eröffnungsbeschluss vom Bezug genommen worden ist, der die zeitlich nachfolgende Anklage vom nicht erfasst. Vor diesem Hintergrund bedarf die Frage, ob eine derartige Maßnahme der Verhandlungsleitung überhaupt geeignet sein kann, um mit hinreichender Sicherheit erkennen zu lassen, dass der gem. § 30 Abs. 2 GVG für die Nachholung des Eröffnungsbeschlusses zuständige Amtsrichter die Eröffnung des Hauptverfahrens tatsächlich beschlossen hat, hier keiner Entscheidung (zur erforderlichen Besetzung vgl. 2 StR 199/17 Rn. 9; 2 Rev 9/21 ? jew. mwN).

Auch die Verweisung durch das Schöffengericht an die große Strafkammer nach § 270 Abs. 1 StPO kann vorliegend den fehlenden Eröffnungsbeschluss nicht nach § 270 Abs. 3 StPO ersetzen. Dafür wäre erforderlich gewesen, dass das verweisende Gericht – anders als hier – die Eröffnungsvoraussetzungen geprüft hat. Denn der Verweisungsbeschluss kann nur an die Stelle eines früheren Eröffnungsbeschlusses treten, einen solchen aber nicht ersetzen (vgl. Rn. 6 mwN). Schließlich hat auch im Verfahren vor der Strafkammer in Bezug auf die Anklage vom keine Nachholung der Eröffnungsentscheidung stattgefunden. Für eine entsprechende Auslegung der Übernahmeerklärung vom besteht schon deshalb kein Raum, weil die Strafkammer im selben Beschluss explizit eine Eröffnungsentscheidung hinsichtlich der Anklage vom nachgeholt hat. Die Dokumentation einer Nachholung des Eröffnungsbeschlusses in der anschließenden Hauptverhandlung vor der Strafkammer scheitert bereits daran, dass die Strafkammer lediglich mit zwei Berufsrichtern verhandelt hat.

c) Das Fehlen des Eröffnungsbeschlusses führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilaufhebung und Einstellung des gerichtlichen Verfahrens nach § 206a StPO mit der Kostenfolge gem. § 467 Abs. 1 StPO (vgl. Rn. 10 mwN).“

Und dann – anders – der BGH, Beschl. v. 06.11.2024 – 4 StR 383/24:

„Ein Verfahrenshindernis wegen des Fehlens eines Eröffnungsbeschlusses der Strafkammer liegt nicht vor. Zwar ist ein schriftlicher Beschluss nach § 203 StPO nicht zu den Akten gelangt. Zur Eröffnung des Hauptverfahrens genügt jedoch die schlüssige und eindeutige Willenserklärung des Gerichts, die Anklage nach Prüfung und Bejahung der Eröffnungsvoraussetzungen zur Hauptverhandlung zuzulassen (vgl. BGH, Beschluss vom 5. August 2020 – 3 StR 194/20 mwN; zum Erfordernis der schriftlichen Niederlegung BGH, Beschluss vom 16. August 2017 – 2 StR 199/17 Rn. 6). Ob diese Wirkung bereits dem auf die angeklagten, insbesondere auf sämtliche letztlich verurteilungsgegenständlichen Taten bezogenen Haftbefehl der Strafkammer vom 17. Oktober 2023 zukam, erscheint zweifelhaft, weil dieser zwar auch auf den Haftgrund der Fluchtgefahr gestützt und somit der Sicherung des Strafverfahrens insgesamt zu dienen bestimmt war, einen eindeutigen Bezug auf das vor der Strafkammer durchzuführende Hauptverfahren aber nicht erkennen ließ (vgl. demgegenüber BGH, Beschluss vom 5. August 2020 – 3 StR 194/20 [Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO]; Beschluss vom 5. Februar 1998 – 4 StR 606/97, juris Rn. 8 [Haftbefehl nach § 114 StPO und Besetzungsbeschluss nach § 76 Abs. 2 GVG]). Auch aus der protokollierten Verlesung des Anklagesatzes in der Hauptverhandlung vermag der Senat – entgegen der Rechtsauffassung des Generalbundesanwalts – keine sicheren Schlüsse auf den Eröffnungswillen der Kammer zu ziehen, weil diese in der Hauptverhandlung anders als nach § 203 StPO erforderlich nicht mit drei Berufsrichtern besetzt war.

Die Frage kann indes offenbleiben, denn der Senat entnimmt den eindeutigen Ausdruck des Eröffnungswillens der Strafkammer jedenfalls dem Zusammenhang des Haftbefehls und der weiteren getroffenen Haftentscheidung der Strafkammer vom 29. November 2023. Mit diesem – durch drei Berufsrichter gefassten – Beschluss hat das Landgericht den Haftbefehl außer Vollzug gesetzt. Dies geschah auf einen entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft, der mit der vorausgegangenen Mitteilung der Strafkammer begründet worden war, dass wegen der „begrenzten zeitlichen Kapazitäten der Verteidigung“ die Hauptverhandlung vor der Kammer erst im Januar 2024 beginnen könne. Angesichts dessen war der Wille der Kammer, das Hauptverfahren hinsichtlich der urteilsgegenständlichen Taten vor ihr zu führen, für alle Beteiligten zweifelsfrei ersichtlich.“

 

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