Und als dritte Entscheidung dann noch der BayObLG, Beschl. v. 04.10.2024 – 205 StRR 323/24 – zur Erforderlichkeit des sog. Zwischenrechtsbehelfs in den Fällen des § 265 Abs. 4 StPO.
Das AG hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr in Tatmehrheit mit Beleidigung verurteilt. Das AG hat die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des als unbegründet verworfen. Dagegen die Revision, die ebenfalls als unbegründet verowrfen worden ist.
Hier stelle ich zunächst nur die Ausführungen des BayObLG zur Verfahrensrüge vor, im Übrigen komme ich noch mal auf die Entscheidung zurück:
„Zu den Verfahrensrügen:
Die Rüge der Verletzung von § 265 Abs. 4 StPO ist im Sinne von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO zulässig erhoben. Die Entscheidung über den Aussetzungsantrag bzw. den hilfsweise gestellten Unterbrechungsantrag durch die Vorsitzende ist rechtsfehlerhaft. Auf diesem Fehler beruht jedoch im hier gegebenen konkreten Einzelfall die Verurteilung wegen einer fahrlässigen Trunkenheitsfahrt nicht, so dass die Rüge nicht zum Erfolg führt.
1. Der formellen Rüge lag folgender Verfahrensablauf zugrunde: Das Landgericht hat zur Berufungshauptverhandlung neben den der Verteidigung in der Ladung mitgeteilten Zeugen noch zwei weitere Zeugen nachgeladen. Die Verteidigung wurde hierüber vorab nicht, sondern erst im Hauptverhandlungstermin informiert. Die Verteidigung beantragte hierauf, die Aussetzung und hilfsweise die Unterbrechung des Verfahrens. Die Vorsitzende der Berufungskammer lehnte den Antrag ab.
2. Entgegen der Meinung der Generalstaatsanwaltschaft bedurfte es für die Erhebung einer zulässigen Rüge der Verletzung von § 265 Abs. 4 StPO nicht des Zwischenrechtsbehelfs nach § 238 Abs. 2 StPO.
a) Gemäß § 265 Abs. 4 StPO obliegt es nicht dem Vorsitzenden, sondern dem gesamten Spruchkörper, über eine Aussetzung oder als minderes Mittel über eine Unterbrechung nach § 265 Abs. 4 StPO zu beschließen. Bedarf aber eine Maßnahme in der Hauptverhandlung von vornherein eines Gerichtsbeschlusses, so ist schon der Anwendungsbereich des § 238 Abs.1 StPO nicht eröffnet und es besteht demgemäßkein Anlass für ein Verfahren nach § 238 Abs. 2 StPO. Dieses kann damit auch nicht Voraussetzung einer zulässigen Rüge im Revisionsverfahren sein (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober2011-3StR315/11, NStZ 2012, 585, 586 Rn. 9 zur identischen Rechtslage bei § 251 Abs. 4 Satz 1 StPO; KK/Schneider, StPO, 9. Aufl. 2023, § 238 Rn. 31).
b) Einen Verstoß gegen § 265 Abs.4 StPO wegen einer kompetenzwidrigen Ablehnung der Anträge durch die Vorsitzende kann der Angeklagte daher mit der Revision auch dann geltend machen, wenn er diese Verfahrensweise in der Hauptverhandlung nicht gemäß § 238 Abs. 2 StPO beanstandet hatte.
3. Dass das Urteil hinsichtlich der Trunkenheitsfahrt auf diesem Rechtsfehler beruht, kann der Senat jedoch ausschließen:
a) Die beiden vom Landgericht ohne Ladungsmitteilung an den Verteidiger nachgeladenen Zeugen K. und G. waren im Ermittlungsverfahren polizeilich nicht förmlich vernommen worden. Beide hatten gegenüber den ermittelnden Polizeibeamten lediglich angegeben, sie hätten gesehen, dass der Angeklagte auf der Dorfstraße mit dem Rad gegen den Randstein gefahren sei und „alleinbeteiligt“ auf die Straße/den Gehweg gestürzt sei. Die genannten Zeugen waren auch nicht zur Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht geladen worden und somit auch nicht vor dem Amtsgericht richterlich vernommen. Nach den Feststellungen des Landgerichts habe der Angeklagte zu Sache in der Hauptverhandlung angegeben, der Unfall habe sich ereignet, als er mit seinem Fahrrad auf der Dorfstraße gefahren sei und „aus Übermut“ mit dem Fahrradlenker kleine Schlenker gemacht habe. Er sei dann aus Versehen bei einem dieser Schlenker an den Randstein des Gehwegs gekommen und habe den Sturz nicht vermeiden können (UA S. 8). Die Kammer führte weiter aus, sie habe auf der Grundlage dieser geständigen Einlassung des Angeklagten nicht den geringsten Zweifel daran, dass der Angeklagte ohne jede Fremdbeteiligung bei einer Fahrt mit dem Fahrrad zu Sturz gekommen sei. Die Einlassung des Angeklagten werde im Übrigen durch die glaubhafte Aussage des Zeugen K. bestätigt. Der Zeuge G. habe keine Erinnerung mehr gehabt, ob er den Angeklagten vor dem Sturz noch auf dem Fahrrad gesehen habe (UA S. 9). Bei der Strafzumessung hat die Kammer zugunsten des Angeklagten sein Geständnis gewertet (UA S. 11).
b) Die Verurteilung des Angeklagten beruht demnach hinsichtlich der Feststellung des Tatbestandsmerkmals des Führens eines Fahrzeugs im Straßenverkehr auf dem Geständnis des Angeklagten, an dessen Glaubhaftigkeit die Kammer „nicht den geringsten Zweifel“ hegte. Es kam somit nicht auf die Angaben der beiden Zeugen in der Berufungshauptverhandlung an. Der Zeuge G. hatte zudem zur Fahrt des Angeklagten auf dem Rad überhaupt keine Erinnerung mehr und der Zeuge K. bestätigte lediglich das Geständnis des Angeklagten. Er machte sonst keine ergänzenden Angaben. Zusätzlich ist bei der hier gegebenen sehr umgrenzten Wahrnehmung der Zeugen nicht ersichtlich, welche an die Zeugen zu richtenden Fragen und Vorhalte mit dem Angeklagten vor der Vernehmung der Zeugen besprochen werden sollten, zumal der Angeklagte in der Hauptverhandlung bereits vor der Zeugenvernehmung das Führen des Fahrrads im Verkehr eingeräumt hatte. Auch die Revision trägt insoweit nur pauschal vor, es sei notwendig gewesen, sich mit dem Angeklagten über die Zeugen zu unterhalten und mögliche Fragen an die Zeugen mit dem Angeklagten vorzubereiten bzw. abzustimmen. Bei dieser besonderen Sachlage kann es der Senat ausschließen, dass die diesbezügliche Verurteilung auf der Verweigerung einer Aussetzung oder Unterbrechung zur Vorbereitung auf die Aussage der genannten Zeugen beruht.
4. Die Rüge der Verletzung von § 338 Nr. 8 StPO i.V.m. § 265 Abs. 4 StPO ist ebenfalls unbegründet, weil die diesbezügliche Verurteilung nicht auf einem möglichen Rechtsfehler beruht.
a) Nach – zutreffender – herrschender Ansicht stellt § 338 Nr. 8 StPO trotz seiner Stellung in § 338 StPO keinen absoluten Revisionsgrund dar. Nach dem Wortlaut, der die Anwendung der Vorschrift auf die Fälle begrenzt, in denen die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt unerlaubt beschränkt worden ist, sind nur Rechtsfehler angesprochen, auf denen das Urteil beruht oder beruhen kann (KK/Gericke, StPO, 9. Aufl. 2023, § 338 Rn. 101).
b) Ein Beruhen kann der Senat aus den oben genannten Gründen ausschließen.“