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Die Frau des Vorsitzenden als Zeugin

© sss78 – Fotolia.com

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Eine in der Praxis sicherlich nicht so häufige Konstellation, die aber zu interessanten verfahrensrechtlichen Fragestellungen führt, hat dem BGH, Beschl. v. 06.08.2014 – 1 StR 333/14 – zugrunde gelegen. In der Hauptverhandlung ist nämlich die Ehefrau des Vorsitzenden der Strafkammer als Zeugin vernommen worden. Während der Vernehmung der Zeugin hat dann aber nicht der Vorsitzende, sondern der Berichterstatter die Verhandlungsleitung übernommen. Das wird mit der Revision beanstandet, allerdings ohne Erfolg. Der BGH behandelt – auf der Grundlage der Stellungnahme des GBA, die er einrückt – folgende Punkte:

  • Verstoß gegen § 338 Nr. 1 StPO?
    • Nein, denn „Die zeitweise Übertragung der Verhandlungsführung auf ein anderes Mitglied des Spruchkörpers ändert nichts an der Tatsache, dass die Strafkammer durchgängig mit dem Vorsitzenden Richter K. und den beisitzenden Richtern P. und Ku. besetzt war und diese auch durchgängig verhandlungs- und erkenntnisfähig waren.“
  • Mitwirkung des Vorsitzenden, obwohl er sich offenbar selbst als befangen angesehen hat?
    • Nein, der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO scheitert „daran, dass keine gerichtliche Entscheidung über die (Selbst-)Ablehnung erfolgt ist. Die Rüge kann nicht damit begründet werden, dass einer der mitwirkenden Richter seine Selbstablehnung nach § 30 StPO hätte erklären müssen (KK-Gericke, StPO, 7. Aufl., § 338 Rn. 59).Nachdem dem Verteidiger des Angeklagten bereits vor der Hauptverhandlung mitgeteilt worden war, dass es sich bei der Zeugin H. um die Ehefrau des Vorsitzenden Richters K. handelt, hätte ein diesbezügliches Ablehnungsgesuch gem. § 25 Abs. 1 StPO bis zum Beginn der Vernehmung des Angeklagten zu seinen persönlichen Verhältnissen erfolgen müssen.“
  • Relativen Revisionsgrund gem. § 337 Abs. 1 StPO in der gewählten Verfahrensweise bei der Vernehmung der Zeugin?
    • Nein bzw.: „Zwar ist darin ein Verstoß gegen § 238 Abs. 1 StPO zu sehen; der Angeklagte hat jedoch von der Möglichkeit des Zwischenrechtsbehelfs nach § 238 Abs. 2 StPO keinen Gebrauch gemacht gemacht, weshalb er mit einer entsprechenden Rüge präkludiert ist.

Insbesondere der letzte Hinweis des BGH ist interessant und führt zu der Folgerung für die Praxis: Auch das ist eine Konstellation, in der man als Verteidiger vom Zwischenrechtsbehelf nach § 238 Abs. 2 StPO Gebrauch machen sollte. Aber – wie gesagt: So ganz häufig wird es nicht vorkommen.

Aufmucken in der Hauptverhandlung – lieber einmal mehr…

Der BGH, Beschl. v.10.01.2012 –  5 StR 508/11 ist wieder mal ein schöne Beweis für die/meine Behauptung, dass in der Hauptverhandlung Schweigen des Verteidigers häufig nicht Gold ist, sondern nur Silber. Denn, wenn der Verteidiger in verfahrensrechtlichen Situationen, in denen es um Fragen der sog. Verhandlungsleitung des Vorsitzenden schweigt, wird es häufig mit der Verfahrensrüge in der Revision schwierig. Denn ist nicht gem. § 238 Abs. 2 StPO beanstandet und ein Beschluss des Gerichts herbeigeführt worden, fehlt es an den Voraussetzungen des § 338 Nr. 8 StPO.

Dazu der BGH, Beschl.:

„Die in diesem Zusammenhang erhobene Rüge eines Fairnessverstoßes ist unzulässig. Der erst nach dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft erteilte Hinweis des Landgerichts auf veränderte Konkurrenzen hätte, wenn die Verteidigung ihn als verspätet beanstanden wollte, einen Zwischenrechtsbehelf erfordert: Die als Maßnahme der Verhandlungsleitung unmittelbar danach ergangene Aufforderung an den Verteidiger, den Schlussvortrag zu halten, wäre gemäß § 238 Abs. 2 StPO zu beanstanden gewesen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 238 Rn. 22), anstatt – wie geschehen – widerspruchslos den Schlussvortrag zu halten. „

Allerdings: Wenn die Rechtsprechung an immer mehr Stellen den Widerspruch/Zwischenrechtsbehelf verlangt, dann darf man sich nicht beklagen, dass die Hauptverhandlungen so unruhig werden/sind. Der Verteidiger hat dann keine andere Wahl.