Verkehrte Welt: Keine Befriedungsgebühr auch noch nach einer bereits durchgeführten Hauptverhandlung, aber das führt zur Mehrbelastung der Justiz

Die Befriedungsgebühr der Nrn. 4141, 5115 Vv RVG ist den RSV m.E. ein besonderer Dorn im Auge, denn: Es handelt sich ume „zusätzliche Gebühr“, die nur ungern gezahlt wird. Das hat man bei der Frage, ob die Nr. 4141 VV RV bei Übergang vom Strafverfahren ins Bußgeldverfahren entsteht, gesehen, die übrigens vom BGH im vergangenen Jahr falsch entschieden worden ist. Das sieht man aber auch immer wieder, wenn es darum geht, ob die Gebühr auch noch entstehen kann, wenn nach einer bereits durchgeführten HV noch die Berufung oder der Einspruch zurückgenommen wird. Argumentiert wird dann damit, da ss ja eine HV statt gefunden habe. So auch im Verfahren 275 C 22738/10, das durch Urtl des AG Müncehn v. 11.10.2010 falsch entschieden worden ist. Dort hatte nach Erlass des Bußgeldbescheides und Einspruchseinlegung die erste Hauptverhandlung stattgefunden, die deshalb zu keinem Ergebnis führte, weil auch nach Auffassung des Amtgerichtes ein Sachverständi­gengutachten einzuholen war. Nach Erholung des Sachverständigengutachtens wurde erneut Haupt­verhandlungstermin anberaumt. Dieser wurde rechtzeitig innerhalb des gesetzlich vorgeschriebenen Zeitfensters von zwei Wochen abgesetzt, da der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid infolge eines negativen Gutachtensergebnisses mit Einverständnis des Mandanten zurückgenommen wurde. Das AG München hat die vom Verteidiger geltend gemachte Nr. 5115 Vv RVG nicht gewährt mit der Begründung: Keine Vereinfachung, Verkürzung pp. Dies widerspricht der ganz h.M. in dieser Frage, die darauf abstellt, dass es für die Frage des Entstehens der Gebühr, wenn die HV ausgesetzt wordne ist, immer auf den  nächsten Hauptverhandlungstermin ankommt (so u.a. OLG Bamberg RVGreport 2007, 150 = StraFo 2007, 130 = AGS 2007, 138 = NStZ-RR 2007, 159 = StV 2007, 481;
OLG Hamm AGS 2008, 228 m. Anm. N.Schneider). Das AG sieht das kurzerhand anders. Dabei übersieht es aber, dass seine Auffassung zu Mehraufwand führen wird. Denn aus welchem Grund sollte der Verteidiger den Einspruch nun noch vor der Hauptverhandlung zurücknehmen? Er verliert Gebühren: Also: Rücknahme des Einspruchs erst in der Hauptverhandlung. Folge: Mehrbelastung der Justiz. Und gerade das will das RVG mit den Nrn. 4141, 5115 VV RVG vermeiden.

 

6 Gedanken zu „Verkehrte Welt: Keine Befriedungsgebühr auch noch nach einer bereits durchgeführten Hauptverhandlung, aber das führt zur Mehrbelastung der Justiz

  1. Hubert

    Immerhin hat sich das Gericht noch mit Rechtsprechung und Literatur auseinandergesetzt, wenn vielleicht auch mit „falschem“ Ergebnis. Mich ereilte heute das schneidige Erkenntnis eines Proberichters (Dr. seines Zeichens), in dem meine „seitenlangen“ Rechtsprechungsnachweise des BGH mit dem Hinweis erwidert wurden, das Gericht teile die Auffassung des BGH nicht. Bums. Klageabweisung. Damit hatte auch der Beklagtenvertreter nicht gerechnet. Skandalös, daß man wegen so einer arroganten Haltung ins Rechtsmittel gegen muß.

  2. Dr. F.

    Das AG München sieht das keineswegs anders als das OLG Bamberg und das OLG Hamm, sondern unterscheidet in vollkommener Übereinstimmung mit den beiden Oberlandesgerichten zwischen Aussetzung (mit neuer HV) und Unterbrechung (mit bloß weiterem HV-Termin in identischer und lediglich fortgesetzter HV).

    Könnte es sein, dass sich der Amtsrichter aus München als einziger die Mühe gemacht hat, die zitierte Entscheidung des OLG Bamberg (s. dort insbes. Rn. 14) auch zu lesen?

  3. Detlef Burhoff

    Es ist rührend, wie Sie sich die Sorge darum machen, was andere lesen. Nur, wenn ich den Sachverhalt richtig lese – „Nach Erholung des Sachverständigengutachtens wurde erneut Haupt­verhandlungstermin anberaumt.“ ……..dürfte das AG München mit seiner Entscheidung nicht richtig liegen

  4. Dr. F.

    Abgesehen davon, dass der von Ihnen jetzt zitierte Satz zumindest in Ihrem eigenen Urteilsabdruck nicht zu finden ist, ergibt sich aus dem letzten Satz der amtsgerichtlichen Entscheidung doch nun eindeutig, dass das AG München gerade nicht über einen Aussetzungsfall („erneute HV“), sondern über einen Unterbrechungsfall („weiterer HV-Termin“) entscheiden will.

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