Als zweite Entscheidung zu der Thematik aus dem Bereich „Corona“ stelle ich ein Verfahren vor, in dem das OLG Naumburg im OLG Naumburg, Beschl. v. 08.06.2022 – 5 U 35/22 – die Berufung gegen ein Urteil des LG Magdebrug zurückgewiesen hat. Die OLG Naumburg-Entscheidung habe ich im Volltext noch nicht gefunden, über sie haben bisher nur LTP und beck-online berichtet. Das zugrunde liegende LG Magdeburg, Urt. v. 01.92.2022 – 10 O 715/21 – habe ich aber vorliegen. Daher stelle ich das vor.
In dem Verfahren geht es um Schadensersatz wegen einer Quarantäneanordnung. Diese war gegen eine vierköpfige Familie aufgrund eines positiven PCR-Testergebnisses im April 2021 angeordnet worden. Alle waren ohne Symptome und haben behauptet, der Test sei falsch gewesen. Sie haben deshalb aus § 839 BGB 3.700 Euro pro Person Schmerzensgeld verlangt. Das LG hat die Klage abgewiesen und führt dazu u.a. aus:
„…. Bei dieser Quarantänemaßnahme handelt es sich entgegen der Auffassung der Kläger nicht etwa um eine Freiheitsentziehung, die in der Tat wohl nur mit richterlicher Genehmigung hätte erfolgen dürfen, sondern lediglich um eine Freiheitsbeschränkung. Denn den Klägern war es gestattet, während der Quarantäneanordnung in ihrer Häuslichkeit alles das zu tun und zu lassen, was sie wollten und über die vorhandenen technischen Medien auch Kontakt zur Außenwelt zu halten.
Eine feste zeitliche Grenze, ab der eine Freiheitseinschränkung als ausgleichspflichtig anzusehen wäre, gibt es nicht. Abzustellen ist vielmehr auf die konkrete Situation des Einzelfalls, bei der es insbesondere auch auf die Ausgestaltung und Intensität des Eingriffs sowie auf herabwürdigende Behandlungen und mögliche rufschädigende Wirkungen ankommt (vgl. LG Göttingen, Urteil vom 30. Januar 1990 – Aktenzeichen: 2 O 322/89 -, NJW 1991, 2.6, beck-online; LG Hannover, Urteil vom 20.08.2021 – Aktenzeichen: 8 O 2/21 -, zitiert nach juris). Daher kann aus dem bloßen Überschreiten der zeitlichen Grenzen, die in der Rechtsprechung als schmerzensgeldbegründend angesehen wurden (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 7. März 2018 – Aktenzeichen: 1 U 1025/17 -, zitiert nach juris: 13 Stunden in psychiatrischem Krankenhaus; Landgericht Göttingen, a.a.O.: 2 Stunden mit 400 weiteren Personen in einem Polizeikessel) nicht abgeleitet werden, dass vorliegend allein wegen der zweiwöchigen Dauer die Billigkeitsschwelle überschritten wurde. Denn die Quarantäne der Kläger unterscheidet sich in gravierender Weise von den genannten Fällen. Die Kläger mussten keine demütigenden Zwangsbehandlungen erdulden. Sie wurden nicht mit psychischen Zwangsmitteln an einem fremden Ort festgehalten, sondern konnten sich innerhalb ihrer Wohnung ohne Überwachung Dritter frei bewegen und ihren Tagesablauf in diesem Rahmen vollkommen frei bestimmen. Schließlich wurde ihre Freiheitsbeschränkung auch auf einen Umstand gegründet, der – anders als bei einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder bei einer Festnahme als möglicher Straftäter – nicht geeignet war, ihr Ansehen und ihren Ruf in der Gesellschaft zu gefährden.
Die von den Klägern vorgetragenen Beeinträchtigungen durch die Quarantäne sind auch nicht geeignet, einen Schmerzensgeldanspruch unter dem Aspekt des Ausgleichsgedankens zu begründen.
Denn die in der Klageschrift geschilderten Einschränkungen in der Lebensführung der Kläger sind dafür zu pauschal gehalten. Die Kläger haben nicht konkret dargelegt, welche sozialen Einschränkungen und welche psychischen Belastungen sie durch die Quarantäne erlitten haben wollen. Konkret haben die Kläger lediglich vorgetragen, dass sie keinen Zugang zur Natur und keine Möglichkeit gehabt hätten, im Freien sportliche Aktivitäten auszuführen. Diese geschilderten Umstände sind jedoch nicht ausreichend, um ein Überschreiten der Geringfügigkeitsschwelle begründen zu können. Die angeordnete Quarantäne hatte eine Dauer von lediglich 14 Tagen. Die Kläger mussten daher für einen Zeitraum zuhause bleiben, wie er auch unter normalen Umständen, z.B. bei einem hinreichenden Auskurieren einer Grippe, eintreten kann. Zudem hätten die Kläger, da sie ja nach eigenem Bekunden symptomfrei waren, auch sportliche Aktivitäten innerhalb ihrer Wohnung durchführen können.
Der Vortrag der Kläger, die Beklagte habe gegen ihre Amtspflichten verstoßen, da sie auch den positiven PCR-Test an das RKI weitergeleitet habe, obwohl sie wisse, dass bei dem überwiegenden Teil der positiv getesteten Personen keine Infektion vorliege und dennoch den positiven PCR-Test dem RKI übermittelt habe, damit die Inzidenz gefälscht werde, ist nicht geeignet, einen Schmerzensgeldanspruch unter dem Aspekt der Genugtuungsfunktion zu begründen.
Denn die Beklagte konnte aufgrund der Pandemielage und der von Bund und den Ländern deswegen getroffenen Maßnahmen sowie der wissenschaftlichen Expertise beim RKI davon ausgehen, dass ein PCR-Test fundierte Ergebnisse für das Bestehen oder Nichtbestehen einer Infektion liefert und sich auch hierauf ohne weitere ärztliche Untersuchungen des Testergebnisses verlassen.
Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat mit Beschluss vom 20. April 2021 – Aktenzeichen: 1 S 1121/21 -, zitiert nach juris, insoweit ausgeführt:
„Der Senat geht davon aus, dass es sich bei einem PCR-Test um ein geeignetes Instrument handelt, das Vorliegen einer akuten SARS-CoV-2-Infektion zu ermitteln. Bei korrekter Durchführung der Tests und fachkundiger Beurteilung der Ergebnisse ist von einer sehr geringen Zahl falsch positiver Befunde auszugehen, denn aufgrund des Funktionsprinzips von PCR-Tests und hohen Qualitätsanforderungen liegt die analytische Spezifität bei korrekter Durchführung und Bewertung bei nahezu 100 %. Die Herausgabe eines klinischen Befundes unterliegt einer fachkundigen Validierung und schließt im klinischen Setting Anamnese und Differenzialdiagnosen ein. In der Regel werden nicht plausible Befunde in der Praxis durch Testwiederholung oder durch zusätzliche Testverfahren bestätigt bzw. verworfen. Die aufgestellte Behauptung, in 71,12 % der Fälle sei das Testergebnis offensichtlich falsch, entbehrt jeder wissenschaftlichen Grundlage“.
Diese Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg gibt auch die insoweit einhellige Rechtsprechung der übrigen Verwaltungsgerichtshöfe bzw. Oberverwaltungsgerichte der Länder wieder. Die von den Klägern dargelegte gegenteilige Auffassung der Professorin Dr. K. von der Universitätsklinik W.burg stellt insoweit eine absolute Mindermeinung dar und ist daher unbeachtlich……“