Im „Kessel Buntes“ heute dann erneut zwei BGH-Entscheidungen zum „Dieselskandal“ und seinen Auswirkungen. Ich räume ein, dass ich bei der Vielzahl der Entscheidungen, die dazu in der letzten Zeit vom BGH erlassen worden sind, ein wenig 🙂 den Überblick verloren habe.
Hier dann das BGH, Urt. v. 05.10.2021 – VI ZR 495/20 – zur Frage des Wegfalls des Anspruchs auf Schadensersatz wegen Mitverschuldens nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB bei Nichtaufspielen des Software-Updates.
In dem Verfahren nimmt die Klägerin die Beklagte wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasreinigung auf Schadensersatz in Anspruch. Die Klägerin hatte im Februar 2012 von einem Autohaus einen gebrauchten Pkw Audi A 4 Avant zum Kaufpreis von 26.000 EUR erworben. Das Fahrzeug war mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor des Typs EA189 EU 5 ausgestattet. Dieser enthielt die („berühmte“) Abgassteuerungssoftware. Das Kraftfahrtbundesamt hat dann ja die Abgassteuerung als unzulässige Abschalteinrichtung eingestuft und der Beklagten aufgegeben, die beanstandete Software bei den betroffenen Motoren zu entfernen. Die Klägerin lehnte das Angebot der Beklagten, ein Software-Update aufzuspielen, ab.
Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin Erstattung des Kaufpreises nebst Delikts- und Prozesszinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs, hilfsweise Feststellung, dass die Beklagte zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet ist, außerdem die Feststellung des Annahmeverzugs und die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten
Das LG hat die Beklagte unter Klageabweisung im Übrigen zur Zahlung von 6.478,32 EUR nebst Delikts- und Prozesszinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs sowie zur Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten verurteilt und den Annahmeverzug festgestellt. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG das Urteil des Landgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Anschlussberufung der Klägerin hat es zurückgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte Erfolg:
„Das Berufungsgericht, dessen Urteil unter BeckRS 2020, 4861 und in juris veröffentlicht ist, hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Zwar spreche viel für die Annahme, dass das der Beklagten vorgeworfene Verhalten gegen die guten Sitten verstoße und die für die Beklagte tätigen Personen vorsätzlich gehandelt hätten. Der Klägerin stehe dennoch kein Anspruch aus § 826 BGB zu. Dass die Klägerin immer noch einen Schaden habe, beruhe überwiegend auf ihrem eigenen Verschulden, da sie der Aufforderung der Beklagten nicht nachgekommen sei, sich das Software-Update aufspielen zu lassen. Daher sei ihr Anspruch auf Ersatz dieses Schadens nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB ausgeschlossen.
II.
Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Mit der Begründung des Berufungsgerichts kann ein Schadensersatzanspruch der Klägerin wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung aus § 826 BGB nicht verneint werden.
1. Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, ein Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB sei wegen eines überwiegenden Mitverschuldens der Klägerin nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB ausgeschlossen, da die Klägerin das von der Beklagten angebotene Software-Update nicht habe auf ihr Fahrzeug aufspielen lassen.
Dieser Ansicht liegt die rechtsfehlerhafte Annahme des Berufungsgerichts zugrunde, dass der Schaden der Klägerin durch das Aufspielen des ab November 2016 angebotenen Software-Updates entfallen wäre. Der gemäß § 249 Abs. 1 BGB mit dem Vertragsschluss entstandene Anspruch des Kfz-Käufers auf Erstattung des für das bemakelte Fahrzeug gezahlten Kaufpreises erlischt nicht, wenn sich der (objektive) Wert oder Zustand des Fahrzeugs in der Folge aufgrund neuer Umstände wie der Durchführung des Updates verändert (vgl. Senatsurteile vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19 , BGHZ 225, 316 Rn. 44 ff., insbesondere Rn. 58; vom 18. Mai 2021 – VI ZR 452/19 ,VersR 2021, 1116Rn. 12 f.; vom 20. Juli 2021 – VI ZR 633/20 , WM 2021, 1657 Rn. 18; vom 27. Juli 2021 – VI ZR 698/20 , juris Rn. 9)….“