Am Tag nach Pfingsten dann ein wenig Verkehrsrecht.
Ich beginne mit dem BGH, Beschl. v. 24.03.2021 – 4 StR 416/20. Das LG hatte den Angeklagten u.a. wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (§ 21 StVG) in zwei Fällen, davon in einem Fall u.a. in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Entfernen vom Unfallort zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und eine Sperrfrist angeordnet. Dagegen hat sich der Angeklagte mit der Revision gewandt, die hinsichtlich der Sperrfrist Erfolg hatt:
„2. Die Anordnung der isolierten Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis nach § 69a Abs. 1 Satz 3 StGB kann ebenfalls nicht bestehen bleiben. Das Landgericht hat die Ungeeignetheit des Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen maßgeblich auf die Regelvermutung des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB beim unerlaubten Entfernen vom Unfallort gestützt. Das begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil die Regelvermutung nur für Täter gilt.
a) Die Anordnung einer isolierten Sperrfrist kommt in Betracht, wenn der Täter keine Fahrerlaubnis hat ( § 69a Abs. 1 Satz 3 StGB ). Voraussetzung ist, dass der Täter wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt oder wegen Schuldunfähigkeit nicht verurteilt wird und sich aus der Tat ergibt, dass er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist ( § 69 Abs. 1 Satz 1 StGB ). Nach der Rechtsprechung kann die Maßregel zwar gegen einen Teilnehmer angeordnet werden (vgl. bereits BGH, Urteil vom 29. Mai 1957 – 2 StR 195/57 , BGHSt 10, 333 [zu § 42m aF]). Bei Beteiligung mehrerer an der mit Strafe bedrohten Handlung kann ein Teilnehmer diese selbst dann im Zusammenhang mit der Führung eines Kraftfahrzeugs begangen haben, wenn er es nicht eigenhändig gelenkt hat (vgl. BGH, Urteile vom 29. Mai 1957 – 2 StR 195/57 , BGHSt 10, 333 ; vom 5. Juli 1978 – 2 StR 122/78 ; Beschlüsse vom 17. Februar 2004 – 4 StR 585/03 , NStZ 2004, 617; vom 9. Oktober 2003 – 3 StR 322/03 , NStZ-RR 2004, 57; Kinzig in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 69 Rn. 16 mwN).
Die Regelvermutung des § 69 Abs. 2 StGB , wonach bei Begehung einer Katalogtat die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen vermutet wird, gilt aber nur für den Täter. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Vorschrift, der sich ausdrücklich nur auf „Täter“ bezieht. Auch der Gesetzgeber hatte ausweislich der Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Sicherung des Straßenverkehrs vom 27. September 1962 lediglich die täterschaftliche Begehung der Katalogtaten vor Augen (vgl. BT-Drucks. IV/651 S. 18). Zudem sprechen Sinn und Zweck der Vorschrift gegen eine Anwendung der Regelvermutung für Teilnehmer, weil deren Tatbeitrag die Verkehrssicherheit regelmäßig weniger beeinträchtigt als die Tatverwirklichung durch den Täter und daher nicht ohne Weiteres eine Vermutung für eine Ungeeignetheit des Teilnehmers zum Führen von Kraftfahrzeugen trägt. Da die Regelwirkung des § 69 Abs. 2 StGB auf Teilnehmer nicht anwendbar ist, muss dessen Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen im Wege einer Gesamtabwägung der Tatumstände und der Täterpersönlichkeit gemäß § 69 Abs. 1 StGB festgestellt werden (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 26. Juni 1987, NJW 1988, 152; Kinzig in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 69 Rn. 34; SSW-StGB/Harrendorf, 5. Aufl., § 69 Rn. 41; Eschelbach in Matt/Renzikowski, StGB, 2. Aufl., § 69 Rn. 45; LK-StGB/Valerius, 13. Aufl., § 69 Rn. 118; Lackner/Kühl, StGB, 29. Aufl., § 69 Rn. 7; Kerkmann/Blum in Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsstrafrecht, 2. Aufl., § 69 Rn. 24; Dreher/Fad, NZV 2004, 231).
b) Hiervon ausgehend hat das Landgericht der Anordnung der Sperrfrist teilweise unzutreffende Erwägungen zugrunde gelegt.
Zwar liegt es nahe, dass sich der Angeklagte schon aufgrund des von ihm täterschaftlich begangenen typischen Verkehrsdelikts des Fahrens ohne Fahrerlaubnis, seiner insoweit einschlägigen Vorverurteilungen und der deswegen verhängten Sperrfristen für die Erteilung einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat. Darauf hat das Landgericht aber seine Anordnung nicht alleine gestützt, sondern seine Begründung maßgeblich aus der Regelvermutung des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB hergeleitet. Der Senat kann daher nicht ausschließen, dass das Landgericht bei rechtsfehlerfreier Würdigung jedenfalls eine kürzere Sperrfrist angeordnet hätte.“