So, dann noch einmal in diesem Jahr StPO-Entscheidungen.
Zunächst der BGH, Beschl. v. 03.12.2020 – 4 StR 541/19 – zum zulässigen Inhalt einer Verständigung (§ 257c StPO). Das LG hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Ferner hat das LG die Unterbringung der Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und auch insoweit die Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.
Dagegen die Revision des Angeklagten. Zur Begründung der erhobenen Verfahrensrüge bezieht sich der Angeklagte auf folgendes Verfahrensgeschehen:
„Am ersten Hauptverhandlungstag kam es auf Initiative des Verteidigers zu einem Rechtsgespräch, bei dem das Landgericht nach kammerinterner Beratung für den Fall eines Geständnisses der Angeklagten folgenden Vorschlag unterbreitete: „Sollte sich die Angeklagte zu einem Adhäsionsvergleich mit der Geschädigten über einen Betrag von 4.000,00 Euro bereit erklären, sowie einer stationären Therapie mit engen Auflagen über Beginn, Andauern, Medikation und Beendigung der Therapie nur aufgrund ärztlicher Entscheidung, könnte unter Anordnung einer Bewährungszeit und einer Zeit der Führungsaufsicht über jeweils 4 Jahre sich das Gericht eine Gesamtfreiheitsstrafe bis maximal 2 Jahre mit Strafaussetzung zur Bewährung sowie Anordnung einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB, eine Aussetzung auf [richtig wohl: auch] letzterer Maßregel zur Bewährung, vorstellen. Weitere Geldauflagen kämen bei einer derartigen Gesamtwürdigung nicht in Betracht.“ Die Angeklagte lehnte den Vorschlag zunächst ab, stimmte in der Folge dann einer stationären Therapie und dem Verständigungsvorschlag zu; auch der Verteidiger und der Vertreter der Staatsanwaltschaft erklärten ihre Zustimmung.“
Der BGH hebt auf:
„b) Die zulässig erhobene Rüge ist begründet. Die Verständigung verstößt gegen § 257c Abs. 2 Satz 3 StPO, weil die Anordnung der Unterbringung der Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus zum Gegenstand der Verständigung gemacht worden ist.
Nach § 257c Abs. 2 Satz 3 StPO dürfen der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung nicht Gegenstand einer Verständigung sein. Über die bisherige Rechtsprechung hinaus hat der Gesetzgeber nicht nur die Sicherungsverwahrung (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 2004 – 4 StR 325/04, NStZ-RR 2005, 39; Beschluss vom 18. Juni 2008 – 1 StR 204/08, NStZ 2008, 620), sondern sämtliche Maßregeln der Besserung und Sicherung im Sinne von § 61 StGB aus den vereinbarungsfähigen Rechtsfolgen herausgenommen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 257c Rn. 9; Jahn/Kudlich in: MüKo-StPO, 1. Aufl., § 257c Rn. 114).
Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus war vorliegend Inhalt der Verständigung. Der Wortlaut des der Verfahrensabsprache zugrundeliegenden gerichtlichen Vorschlags lässt insoweit keine Zweifel aufkommen. So hat sich das Landgericht selbst auf die „Gesamtwürdigung“ seines Vorschlags berufen und damit unmissverständlich einen Bezug zwischen den von der Angeklagten erwarteten Prozesshandlungen – dem Abschluss eines Vergleichs im Rahmen des Adhäsionsverfahrens und ihrer Zustimmung zu einer Therapieauflage – einerseits und den im einzelnen dargestellten Rechtsfolgen in ihrer Gesamtheit – also einschließlich einer Maßregelanordnung gemäß § 63 StGB – andererseits hergestellt. Angesichts dieser in dem gerichtlichen Vorschlag eindeutig hergestellten Verknüpfung besteht kein Raum für die Annahme, dass das Landgericht hinsichtlich der Maßregelanordnung lediglich eine vom Prozessverhalten der Angeklagten unabhängige vorläufige Bewertung der Rechtsfolgen abgeben oder – wie der Generalbundesanwalt meint – eine bloße Information über die Rechtsfolgenerwartung erteilen wollte. Vielmehr wurde die Anordnung der Unterbringung der Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus durch ihre Zustimmung zu dem unterbreiteten Vorschlag und ihr nachfolgendes verständigungsbasiertes Verhalten bedingt. Dies ergibt sich auch aus einem Vermerk im Protokoll über den zweiten Hauptverhandlungstag. Danach wurden in dem Verständigungsgespräch sowohl die Dauer der Bewährungszeit als auch diejenige der (bei Aussetzung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus kraft Gesetzes eintretenden) Führungsaufsicht „in Aussicht genommen“. Nachdem sich insoweit aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen eine Änderung ergeben hatte, erklärten sich der Verteidiger, die Angeklagte und der Vertreter der Staatsanwaltschaft „hiermit einverstanden und äußerten, an der Verständigung festzuhalten“.
Da schon die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus einen unzulässigen Verständigungsinhalt darstellt, kann der Senat offenlassen, ob das Verbot des § 257c Abs. 2 Satz 3 StPO auch für Folgeentscheidungen – wie hier die Aussetzung der Vollstreckung der Maßregel zur Bewährung gemäß § 67b StGB – gilt (vgl. zum Streitstand Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 257c Rn. 9 mwN).“
Tja, steht nun mal so im Gesetz.
Warum der 4. Strafsenat zweimal die Zustimmung des Verteidigers erwähnt (Rn 4 und 7), obwohl es darauf nicht ankommt, bleibt offen. – Die Segelanweisungen (orbiter dicta) in den Rn. 11 und 12 sollte das LG Weiden i.d. OPf. beherzigen.
Und was soll dieser Kommentar?
Und was soll Ihre Frage?
Der 4. Strafsenat formuliert ungenau (Beispiel: „Rechtsgeschäft“ statt „Erörterung“ gemäß § 212 bzw. 257b StPO). – Das Gesetz kennt nur die „Verständigung“, nicht eine „Absprache“ oder „Vereinbarung“ über die Strafzumessung. Man kann sich natürlich der Diktion der Medien bedienen, dann wird prächtig aneinander vorbei diskutiert.
Man kann auch einfach mal meinen, nicht alles kommentieren zu müssen.
Auf was bezieht sich der Satz: “ tja, steht nun mal so im Gesetz“?
Als Hinweis für die Richter des LG Weiden i. d. Opf. zu verstehen oder hätten Sie die Gesetzesstelle gerne abgeändert?
das dürfen Sie sich aussuchen…