StGB III: Versuchsbeginn beim Einbruchsdiebstahl, oder: „jetzt geht’s los“

Und dann zum Tagesschluss noch der BGH, Beschl. v. 28.04.2020 – 5 StR 15/20. Das LG hat den Angeklagten wegen schweren Wohnungseinbruchdiebstahls, Diebstahls und versuchten Diebstahls verurteilt. Dagegen die Revision mit der Sachrüge. Der BGH verwirft nach § 349 Abs. 2 StPO unbegründet, u.a. zwar auch, soweit der Angeklagte wegen versuchten Diebstahls verurteilt worden ist:

„1. Nach den Feststellungen des Landgerichts wollte der Angeklagte einen Zigarettenautomaten aufbrechen, um Zigaretten und Bargeld zu entwenden. Er legte am Automaten verschiedenes Einbruchswerkzeug ab (Kuhfuß, Trennschleifer mit Trennscheiben, Hammer, Schraubenzieher, Kabeltrommel). Mit einem Handtuch und einer Plane verhüllte er den Automaten, um die Geräusche seines Tuns zu dämpfen. Er ging davon aus, in unmittelbarer Nähe einen Stromanschluss zu finden, und legte deshalb mit der Kabeltrommel über die Straße zu einem Schuppen hin eine Stromleitung. Weder dort noch anderswo fand er allerdings in erreichbarer Nähe eine Steckdose. Er erkannte, dass er den Zigarettenautomaten mit dem Trennschleifer nicht würde öffnen können. Zwar hatte er von vornherein auch alternative Möglichkeiten des Aufbruchs des Automaten in Betracht gezogen und deshalb auch anderes Werkzeug davor deponiert. Dazu kam er aber nicht mehr. Da er sich – zutreffend – entdeckt wähnte und die Alarmierung der Polizei fürchtete, verließ er unter Zurücklassen der Aufbruchswerkzeuge fluchtartig den Tatort.

2. Diese auf rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen tragen die Annahme, der Angeklagte habe bei Tat 3 einen strafbaren Diebstahlsversuch begangen.

a) Versucht ist eine Tat, wenn der Täter nach seiner Vorstellung unmittelbar zur Tat ansetzt (§ 22 StGB). Nach der Formel der höchstrichterlichen Rechtsprechung muss der Täter dafür aus seiner Sicht die Schwelle zum „jetzt geht’s los“ überschreiten. Das ist der Fall, wenn er eine Handlung vornimmt, die nach dem Tatplan in ungestörtem Fortgang ohne Zwischenschritte unmittelbar in die Tatbestandsverwirklichung einmünden oder in einem unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen soll; dies kann schon gegeben sein, bevor der Täter eine der Beschreibung des gesetzlichen Tatbestandes entsprechende Handlung vornimmt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 26. Oktober 1978 – 4 StR 429/78, BGHSt 28, 162, 163; vom 9. März 2006 – 3 StR 28/06, BGHR StGB § 22 Ansetzen 34; Beschlüsse vom 14. März 2001 – 3 StR 48/01, BGHR StGB § 22 Ansetzen 29; vom 7. August 2014 – 3 StR 105/14, NStZ 2015, 207; vom 20. September 2016 – 2 StR 43/16, NStZ 2017, 86). Der Annahme unmittelbaren Ansetzens stehen Zwischenakte nicht entgegen, die keinen tatbestandsfremden Zwecken dienen, sondern wegen ihrer notwendigen Zusammengehörigkeit mit der Tathandlung nach dem Plan des Täters als deren Bestandteil erscheinen, weil sie an diese zeitlich und räumlich angrenzen und mit ihr im Falle der Ausführung eine natürliche Einheit bilden (vgl. BGH, Urteile vom 30. April 1980 – 3 StR 108/80, NJW 1980, 1759; vom 12. Dezember 2001 – 3 StR 303/01, NJW 2002, 1057, 1058; vom 9. März 2006 – 3 StR 28/06, NStZ 2006, 331; vom 20. März 2014 – 3 StR 424/13, BGHR StGB § 22 Ansetzen 38; Beschlüsse vom 24. Mai 1991 – 5 StR 4/91, BGHR StGB § 22 Ansetzen 14; vom 16. Juli 2015 – 4 StR 219/15).

Das vom Täter zur Verwirklichung seines Vorhabens Unternommene muss stets zu dem in Betracht kommenden Straftatbestand in Beziehung gesetzt werden. Ob er zu der in diesem Sinne „entscheidenden“ Rechtsverletzung angesetzt hat oder sich noch im Stadium der Vorbereitung befindet, hängt von seiner Vorstellung über das „unmittelbare Einmünden“ seiner Handlungen in die Erfolgsverwirklichung ab. Gegen ein Überschreiten der Schwelle zum Versuch spricht es deshalb im Allgemeinen, wenn es zur Herbeiführung des vom Gesetz vorausgesetzten Erfolges noch eines weiteren – neuen – Willensimpulses bedarf (BGH, Urteil vom 21. Dezember 1982 – 1 StR 662/82, BGHSt 31, 178, 182; Beschlüsse vom 11. August 2011 – 2 StR 91/11, NStZ-RR 2011, 367; vom 7. August 2014 – 3 StR 105/14, aaO). Wesentliches Kriterium für die Abgrenzung zwischen Vorbereitungs- und Versuchsstadium ist das aus der Sicht des Täters erreichte Maß konkreter Gefährdung des geschützten Rechtsguts (BGH, Urteile vom 9. März 2006 – 3 StR 28/06, BGHR StGB § 22 Ansetzen 34; vom 27. Januar 2011 – 4 StR 338/10, NStZ 2011, 517, 518; vom 20. März 2014 – 3 StR 424/13, aaO mwN). In der Regel kommt es bei Qualifikationen und Regelbeispielen auf den Versuchsbeginn hinsichtlich des Grunddelikts an (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. September 2016 – 2 StR 43/16, NStZ 2017, 86 mit Anm. Engländer, und vom 7. August 2014 – 3 StR 105/14, NStZ 2015, 207 mit Anm. Kudlich JA 2015, 152; HansOLG NStZ-RR 2017, 72; Schönke/Schröder/Eser/Bosch, StGB, 30. Aufl., § 22 Rn. 58 mwN).

b) Bei Diebstahlsdelikten ist demgemäß darauf abzustellen, ob aus Tätersicht bereits die konkrete Gefahr eines ungehinderten Zugriffs auf das in Aussicht genommene Stehlgut besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 14. März 2001 – 3 StR 48/01, BGHR StGB § 22 Ansetzen 29; siehe auch schon RGSt 54, 254, 255). Hierfür ist entscheidend, ob der Gewahrsam durch Schutzmechanismen gesichert ist (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2016 – 2 StR 43/16, aaO; OLG Hamm MDR 1976, 155). Ist dies der Fall, reicht für den Versuchsbeginn der erste Angriff auf einen solchen Schutzmechanismus regelmäßig aus, wenn sich der Täter bei dessen Überwindung nach dem Tatplan ohne tatbestandsfremde Zwischenschritte, zeitliche Zäsur oder weitere eigenständige Willensbildung einen ungehinderten Zugriff auf die erwartete Beute vorstellt (vgl. bereits RGSt 53, 217, 218; 54, 35). Sollen mehrere gewahrsamssichernde Schutzmechanismen hintereinander überwunden werden, ist schon beim Angriff auf den ersten davon in der Regel von einem unmittelbaren Ansetzen zur Wegnahme auszugehen, wenn die Überwindung aller Schutzmechanismen in unmittelbarem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit paraten Mitteln erfolgen soll (vgl. auch BGH, Beschluss vom 8. Februar 2018 – 1 StR 228/17, NStZ-RR 2018, 203: Einbruch in ein Bürogebäude, um anschließend in einzelne Büros einzubrechen). Wird der Schutz des Gewahrsams durch eine hierzu bereite Person gewährleistet, liegt Versuch vor, wenn auf diese (durch Täuschung oder Drohung) mit dem Ziel einer Gewahrsamslockerung eingewirkt wird und die Wegnahme in unmittelbarem zeitlichen und örtlichen Zusammenhang damit erfolgen soll (vgl. BGH, Urteile vom 16. September 2015 – 2 StR 71/15, BGHR StGB § 22 Ansetzen 39, und vom 10. August 2016 – 2 StR 493/15, StV 2017, 441, jeweils mwN: Begehren um Einlass beim Trickdiebstahl aus der Wohnung).

Nicht erforderlich für das unmittelbare Ansetzen zur geplanten Wegnahme ist, dass der angegriffene Schutzmechanismus auch erfolgreich überwunden wird (vgl. BGH, Urteil vom 7. Februar 1952 – 5 StR 12/52, BGHSt 2, 380; Beschlüsse vom 18. November 1985 – 3 StR 291/85, BGHSt 33, 370, und vom 27. November 2018 – 2 StR 481/17, BGHSt 63, 253, 254; OLG Hamm, MDR 1976, 155). Deshalb reicht der Beginn des Einbrechens, Einsteigens oder Eindringens im Sinne von § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB regelmäßig aus, um einen Versuchsbeginn anzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Februar 1984 – 3 StR 414/83, NStZ 1984, 262 mwN). Soweit die bisherige Rechtsprechung des Senats entgegensteht (vgl. insbesondere Beschlüsse vom 4. Juli 2019 – 5 StR 274/19, und vom 1. August 2019 – 5 StR 185/19, NStZ 2019, 716; hierzu näher Kudlich, NStZ 2020, 34), hält er hieran nicht fest.

Demnach liegt ein versuchter Diebstahl noch nicht vor, wenn der Täter lediglich einen gewahrsamssichernden Schutzmechanismus anleuchtet, um ihn zu untersuchen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2016 – 2 StR 43/16, aaO; Rollo; HansOLG, StV 2013, 216: Türgriff eines PKW), wenn er in der Nähe des Tatorts eintrifft, aber noch nicht sogleich mit der Benutzung des bereitgelegten Einbruchswerkzeugs beginnen will (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Juli 1989 – 2 StR 342/89, NStZ 1989, 473), er sich lediglich mit Mittätern zur Rückseite des Gebäudes begibt, in das eingebrochen werden soll (vgl. BGH, Beschluss vom 2. April 2019 – 5 StR 121/19), wenn mit zeitlicher Verzögerung erst noch umfangreiches Werkzeug herbeigeschafft werden muss, um einen Bankautomaten aufbrechen zu können (vgl. BGH, Beschluss vom 7. August 2014 – 3 StR 105/14, aaO), oder wenn lediglich das Treppenhaus betreten und noch nicht auf den Wohnungsinhaber mit dem Ziel eingewirkt wird, den von ihm geschützten Gewahrsam anzugreifen (BGH, Urteil vom 10. August 2016 – 2 StR 493/15, StV 2017, 441). Beim Übersteigen eines Gartenzauns oder -tors mit der Absicht, in ein dahinter liegendes Haus einzubrechen, kommt es darauf an, ob Zaun oder Tor schon eine gewahrsamssichernde Funktion zukommt (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2016 – 2 StR 43/16, aaO, einerseits und BGH, Beschluss vom 14. Juni 2017 – 2 StR 14/17, NStZ-RR 2017, 340 andererseits; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 17. November 1988 – 1 Ws 202/88). Ein unmittelbares Ansetzen zum Diebstahl ist hingegen zu bejahen, wenn der Täter das Einbruchswerkzeug bereits angesetzt hat, um damit einen Schutzmechanismus zu überwinden und anschließend in ein Gebäude zum Stehlen einzudringen (BGH, Urteil vom 7. Februar 1952 – 5 StR 12/52, BGHSt 2, 380).

c) Nach diesen Maßstäben ist die Wertung des Landgerichts, der Angeklagte habe zur Verwirklichung des Diebstahls bereits unmittelbar angesetzt, revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.

Die Verhüllung bedeutete den ersten Schritt hin zum Aufbruch des Automaten. Dieser war damit dem Blick anderer entzogen und dem Zugriff des Angeklagten in besonderem Maße ausgesetzt. Nach dessen Vorstellung sollte der Einsatz des Trennschleifers oder anderer Aufbruchsmittel unmittelbar folgen. Für den Fall, dass der Trennschleifer nicht zum Einsatz kommen konnte, hatte sich der Angeklagte weitere Werkzeuge bereit gelegt. Die fremden Sachen, die durch den Zigarettenautomaten vor Wegnahme besonders geschützt waren, waren damit bereits konkret gefährdet.“

Bei solchen doch recht umfangreich begründeten Beschlüssen habe ich immer Probleme mit dem Begriff „offensichtlich unbegründet“ in § 349 Abs. 2 StPO. Ich frage mich dann immer, ist/war die Revision wirklich „offensichtlich unbegründet“, wenn man so viel zu ihrer Verwerfung schreiben muss? Und: der Beschluss ist für BGHSt bestimmt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert