Heute stelle ich drei Entscheidungen zu Ablehnungsfragen (§§ 24 ff. StPO) vor.
Ich eröffne mit dem BGH, Beschl. v. 14.04.2020 – 5 StR 14/20. Das LG hat den Angeklagten wegen Totschlags und gefährlicher Körperverletzung verurteilt; es hat sich um den sog. Chemenitzer Stadtfest-Fall gehandelt. Der BGH hat die Revision verworfen. Er macht in seinem Verwerfungsbeschluss dann auch Ausführungen zur einer Rüge des Angeklagten, mit der geltend gemacht worden war, ein Befangenheitsgesuch sei zu Unrecht abgelehnt worden:
„c) Die Rüge, ein Befangenheitsgesuch sei zu Unrecht abgelehnt worden, bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Zu der Beantwortung des von der Verteidigung vorgelegten „Fragenkataloges“, mit dem etwaige Befangenheitsgründe erfragt werden sollten, waren die Mitglieder der Schwurgerichtskammer unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt verpflichtet.
Nach den Regelungen über den Ausschluss und die Ablehnung von Gerichtspersonen gibt es einerseits gesetzliche Ausschlussgründe, die nach §§ 22, 23 StPO von Amts wegen zu berücksichtigen sind. Richter und Schöffen sind zum anderen nach §§ 30, 31 StPO dienstlich verpflichtet, von Verhältnissen Anzeige zu machen, die ihre Ablehnung nach § 24 StPO rechtfertigen könnten. Jenseits davon hat der Antragsteller die von ihm behaupteten Gründe, die eine Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen sollen, selbst vorzutragen und glaubhaft zu machen (§ 26 Abs. 2 StPO).
Dass ein Antragsteller ohne hinreichend konkrete tatsächliche Anhaltspunkte – gleichsam „ins Blaue hinein“ und aufs „Geratewohl“ – durch Fragenkataloge mögliche Befangenheitsgründe ausforscht, sieht das Gesetz nicht vor. Eine solche Möglichkeit würde auch der Systematik der Ausschluss- und Ablehnungsregeln widersprechen. Das Regelungsgefüge der §§ 24 ff. StPO würde unterlaufen, wenn ohne konkrete tatsächliche Anhaltspunkte ein gesetzlich nicht vorgesehenes „Ausfragerecht“ der Ablehnungsberechtigten (§ 24 Abs. 3 Satz 1 StPO) etabliert würde. Dass derartige tatsächliche Anhaltspunkte bei einzelnen Mitgliedern der Schwurgerichtskammer konkret bestanden hätten, ist dem Revisionsvorbringen nicht zu entnehmen. Der Hinweis auf allgemeine politische Entwicklungen reicht hierfür nicht aus. Den Anforderungen an ein faires Verfahren ist durch das Verfahren des Schwurgerichts Genüge getan.“
In dem Verfahren war die Antragstellung ja insgesamt recht kreativ, siehe schon BGH 2 ARs 69/19, wobei der BGH meinte, die Antragsbegründung habe einen pauschal die Bevölkerung mehrerer Bundesländer verunglimpfenden Charakter….
Selbst eine präventive vernichtende Urteilsanalyse durch einen Emeritus während des laufenden Revisionsverfahrens (Eisenberg in HRRS 2019, 439: „im Einklang mit wissenschaftlichen Pflichten von keiner Seite beeinflusste Beitrag“) hat die Verwerfung nicht gehindert.
was bringt das jetzt für die vom BGh entschiedene Frage, außer „insgesamt recht kerativ“…?