Neues zum Pflichtverteidiger in der Revisions-HV, oder: Das kann man schnell übersehen

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Und als zweites Posting dann etwas zu einer gesetzlichen Neuregelung, die mir in ihren vollständigen Auswirkungen bisher auch „durchgegangen“ war. Bis gestern, da sind die Fragen in einem anderen Zusammenhang in der FB-Gruppe Strafverteidiger diskutiert worden. Dank an den Kollegen H. Meier für den Hinweis.

Es geht um die Neuregelungen durch das „Gesetz zur Stärkung des Rechts des Angeklagten auf Anwesenheit in der Verhandlung vom 17.12.2018“, das am 21.12.2108 in Kraft getreten ist (BGBl. I S. 2571). Die Neuregelungen gehen zurück auf die EU-Richtlinie 2016/343 vom 09.03.2016 über die Stärkung bestimmter Aspekte der Unschuldsvermutung und des Rechts auf Anwesenheit in der Verhandlung in Strafverfahren (ABl. L 65 vom 11.3.2016). Die StPO ist an verschiedenen Stellen (erneut) geändert worden.

Hier soll heute nur die Änderung des § 350 StPO interessieren – also die Regelung zur Revisionshauptverhandlung. Und da erscheint mir ein Aspekt von Bedeutung. § 350 StPO lautet jetzt:

㤠350
Revisionshauptverhandlung

(1) Dem Angeklagten, seinem gesetzlichen Vertreter und dem Verteidiger sowie dem Nebenkläger und den Personen, die nach § 214 Absatz 1 Satz 2 vom Termin zu benachrichtigen sind, sind Ort und Zeit der Hauptverhandlung mitzuteilen. Ist die Mitwirkung eines Verteidigers notwendig, so ist dieser zu laden.

(2) Der Angeklagte kann in der Hauptverhandlung erscheinen oder sich durch einen Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht vertreten lassen. Die Hauptverhandlung kann, soweit nicht die Mitwirkung eines Verteidigers notwendig ist, auch durchgeführt werden, wenn weder der Angeklagte noch ein Verteidiger anwesend ist. Die Entscheidung darüber, ob der Angeklagte, der nicht auf freiem Fuß ist, zu der Hauptverhandlung vorgeführt wird, liegt im Ermessen des Gerichts.“

Der Kundige erkennt – und nur das soll hier angesprochen werden – sofort: Der alte Abs. 3 der Vorschrift ist entfallen. Der lautete:

„(3) Hat der Angeklagte, der nicht auf freiem Fuße ist, keinen Verteidiger gewählt, so wird ihm, falls er zu der Hauptverhandlung nicht vorgeführt wird, auf seinen Antrag vom Vorsitzenden ein Verteidiger für die Hauptverhandlung bestellt. Der Antrag ist binnen einer Woche zu stellen, nachdem dem Angeklagten der Termin für die Hauptverhandlung unter Hinweis auf sein Recht, die Bestellung eines Verteidigers zu beantragen, mitgeteilt worden ist.“

Die Regelung war die Grundlage für die in Rechtsprechung und Literatur vertretene Auffassung, dass ein Pflichtverteidigerbestellung aus dem Erkenntnisverfahren nicht für die Revisionshauptverhandlung gilt, sondern der Verteidiger für diese vom Revisionsgericht gesondert bestellt werden musste. Das wird man jetzt kaum mehr aufrecht erhalten können. Zumal, wenn man die Gesetzesbegründung in der BT-Drucks. 19/4467, S. 24 f. liest, in der es heißt:

„Zu Buchstabe c (§ 350 Absatz 3)

§ 350 Absatz 3 StPO regelt derzeit ein Antragsrecht des inhaftierten Angeklagten auf Bestellung eines Pflichtverteidigers für die Revisionshauptverhandlung. Diese Regelung, die innerhalb des Rechts der notwendigen Verteidigung einen Fremdkörper darstellt, soll aufgehoben werden. So sollen auch im Bereich der Revisionshauptverhandlung künftig allein die allgemeinen Vorschriften über die notwendige Verteidigung zur Anwendung gelangen. Die bisher vertretene Auffassung, die Bestellung eines Pflichtverteidigers wirke zwar im Revisionsverfahren grundsätzlich fort, ende aber vor der Revisionshauptverhandlung, wird sich nach der Streichung der Sonderregelung des § 350 Absatz 3 StPO und angesichts der systematischen Stellung des § 140 StPO nicht mehr halten las-sen. Vielmehr wird davon auszugehen sein, dass eine bereits erfolgte Pflichtverteidigerbestellung fortwirkt und bei einem nicht verteidigten Angeklagten die Notwendigkeit einer Verteidigung in der Revisionshauptverhandlung – insbesondere am Maßstab des § 140 Absatz 2 StPO – stets zu prüfen ist. Für den im Zeitpunkt der Revisionshauptverhandlung nicht auf freiem Fuß befindlichen Angeklagten bedeutet dies, dass dieser in aller Regel gemäß § 140 Absatz 1 Nummer 4 oder 5 StPO bereits einen Pflichtverteidiger hat. Sollte einmal der Fall eintreten, dass ein unverteidigter Angeklagter erst kurz vor der Revisionshauptverhandlung in anderer Sache inhaftiert oder in eine Anstalt eingewiesen wird, so hat das Revisionsgericht dem Angeklagten jedenfalls nach § 140 Absatz 2 StPO einen Verteidiger zu bestellen. Im Übrigen soll die derzeit in § 140 Absatz 1 Nummer 5 StPO enthaltene Dreimonatsgrenze im Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/1919 über Prozesskostenhilfe für verdächtige und beschuldigte Personen in Strafverfahren (ABl. L 297 vom 26.10.2016, S. 1) ohnehin gestrichen werden.“

Also: Pflichtverteidigerbestellung gilt (jetzt)auch im Revisionsverfahren. Ggf. sollte man sich das, bis die Revisionsgerichte gezeigt haben, wohin der Weg geht, in einem Beschluss „bestätigen“ lassen.

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