StGB I: Heimtückemord, oder: Arg- und Wehrlosigkeit erkennen und ausnutzen…

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Am heutigen Mittwoch, dem Buß- und Bettag – früher war es ein bundesweiter Feiertag, der 1995 als Beitrag zur Pflegeversicherung gestrichen worden ist, und huet nur noch in Sachsen Feiertag ist – dann wieder mal ein wenig materielles Recht.

Und da weise ich zunächst hin auf den BGH, Beschl. v. 16.05.2018 – 1 StR 123/18, in dem der BGH zum „Heimtückemord“ Stellung genommen hat. Das LG hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie Bedrohung verurteilt. Die Revision des Angeklagten hatte hinsichtlich des Schuldspruchs wegen versuchten Mordes keinen Bestand.

„b) Das Landgericht hat sowohl einen bedingten Tötungsvorsatz bei der Messerattacke als auch die Arg- und Wehrlosigkeit des Geschädigten K. in diesem Zeitpunkt angenommen. Es hat jedenfalls das für das Mordmerkmal der Heimtücke erforderliche Ausnutzungsbewusstsein des Angeklagten nicht ausreichend belegt.

In subjektiver Hinsicht setzt der Tatbestand des Heimtückemordes nicht nur voraus, dass der Täter die Arg- und Wehrlosigkeit des Tatopfers erkennt; erforderlich ist außerdem, dass er die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tatbegehung ausnutzt (BGH, Urteil vom 24. September 2014 – 2 StR 160/14, NStZ 2015, 214, 215). Dafür genügt es, wenn er die die Heimtücke begründenden Umstände nicht nur in einer äußerlichen Weise wahrgenommen, sondern in dem Sinne in ihrer Bedeutung für die Tatbegehung erfasst hat, dass ihm bewusst geworden ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber dem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 14. Juni 2017 – 2 StR 10/17 Rn. 10, NStZ-RR 2017, 278, 279 mwN).

Das Ausnutzungsbewusstsein kann bereits dem objektiven Bild des Geschehens entnommen werden, wenn dessen gedankliche Erfassung durch den Täter – wie bei Schüssen in den Rücken des Opfers – auf der Hand liegt (BGH, Beschluss vom 30. Juli 2013 – 2 StR 5/13, NStZ 2013, 709, 710; Urteil vom 15. November 2017 – 5 StR 338/17 Rn. 15, NStZ-RR 2018, 45, 47). Das gilt in objektiv klaren Fällen bei einem psychisch normal disponierten Täter selbst dann, wenn er die Tat einer raschen Eingebung folgend begangen hat. Denn bei erhaltener Unrechtseinsicht ist die Fähigkeit des Täters, die Tatsituation in ihrem Bedeutungsgehalt für das Opfer realistisch wahrzunehmen und einzuschätzen, im Regelfall nicht beeinträchtigt (BGH, Urteile vom 27. Februar 2008 – 2 StR 603/07, NStZ 2008, 510, 511; vom 31. Juli 2014 – 4 StR 147/14, NStZ 2015, 30, 31 mwN und vom 15. November 2017 – 5 StR 338/17 Rn. 15, NStZ-RR 2018, 45, 47). Danach hindert nicht jede affektive Erregung oder heftige Gemütsbewegung einen Täter daran, die Bedeutung der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers für die Tat zu erkennen. Allerdings kann die Spontaneität des Tatentschlusses im Zusammenhang mit der Vorgeschichte der Tat und dem psychischen Zustand des Täters ein Beweisanzeichen dafür sein, dass ihm das Ausnutzungsbewusstsein fehlte (BGH, Urteil vom 15. November 2017 – 5 StR 338/17 Rn. 15, NStZ-RR 2018, 45, 47).

Vorliegend hat das Landgericht aus dem objektiven Geschehensablauf darauf geschlossen, dass der Angeklagte sich die Arg- und Wehrlosigkeit des Geschädigten K. zunutze machen wollte. Maßgebliche Bedeutung hat es dabei dem Überraschtsein des Geschädigten K. sowohl von den zwei Faustschlägen als auch von der unmittelbar folgenden Messerattacke und den aufgrund der Dunkelheit eingeschränkten Sichtverhältnissen beigemessen. Angesichts der Feststellungen, dass dem mit Tötungsvorsatz ausgeführten Messerstich zwei mit Körperverletzungsvorsatz ausgeführte Faustschläge unmittelbar vorausgingen, ist vorliegend das objektive Bild des Geschehens – anders als etwa bei Schüssen in den Rücken eines Opfers – nicht derart eindeutig, dass allein daraus auf ein Ausnutzungsbewusstsein beim Angeklagten im maßgeblichen Zeitpunkt der Messerattacke geschlossen werden könnte. Hinzu kommt, dass der Angeklagte wegen des kurz zuvor erfolgten Messereinsatzes gegen den Taxifahrer Ü. davon ausgehen konnte, dass sein Messer und seine Bereitschaft dieses einzusetzen dem Geschädigten K. gegenwärtig waren. Dies gilt besonders auch vor dem Hintergrund, dass das Landgericht zugleich eine affektive Erregung sowie eine Alkoholisierung des Angeklagten, der eine nicht vollkommen unerhebliche Menge hochprozentigen Alkohols konsumiert hatte, und die Spontaneität der Tatbegehung festgestellt hat (UA S. 6, 36), und damit allesamt Umstände, die nach dem zuvor Ausgeführten gegen ein Ausnutzungsbewusstsein sprechen können. Zudem ist angesichts des raschen Tatgeschehens und der zuvor genannten Gesichtspunkte nicht nachvollziehbar belegt, dass das Vorgehen des Angeklagten einem Tatplan entsprochen habe (UA S. 16, 36 f.) und der Tatort von diesem gewählt worden sei (UA S. 37).“

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