Den eröffne ich mit Entscheidungen zur Akteneinsicht. Zuletzt hatte ich darüber im August berichtet (vgl. OWi I: Rechtsprechungsmarathon zur Einsicht in Messunterlagen, oder: Der Kampf geht weiter). Ich hatte in dem Bitrag ja schon darauf hingewiesen, dass ich wegen der Fülle des Materials nicht mehr alle Entscheidungen verlinke, sondern zum Teil auf dejure und den Verkehrrechtsblog des Kollegen Gratz verweise, der nach wie vor ja unermüdlich Entscheidungen online stellt und über sie berichtet.
M.E. bewegt sich bei dem Thema derzeit nichts. Es stehen sich zwei Lager unversöhnlich gegenüber und jedes wartet darauf, dass es den Lorbeerkranz des Siegers umgehängt bekommt. Wem er gebührt, ist m.E. klar. Das ist das Lager derjenigen, die wie der VerfGH Saarland (vgl. den VerfG Saarland, Beschl. v. 27.04.2018) von einerm weiten „Einsichtsrecht“ ausgeht und die sich Cierniak und Niehaus in ihren Beiträgen angeschlossen haben. Aber: Wie man – aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreiesen hört 🙂 – ist die Lösung oder das Ende des Streits vielleicht ja gar nicht mehr so weit. Denn beim BVerfG sind zwei Verfassungsbeschwerden zu diesen Fragen anhängig, beide gegen Entscheidungen des OLG Bamberg, darunter auch der unfassbare OLG Bamberg, Beschl. v. 13.06.2018 – – 3 Ss OWi 626/18. Und das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerden zugestellt. Das ist doch schon mal was. Man darfa also gespannt sein.
Bis dahin geht es weiter im Kampf und dazu dann folgende Rechtsprechungsübersicht von Entscheidungen der letzten Zeit:
KG, Beschl. v. 06.08.2018 – 3 Ws (B) 168/18 | Rügt die Rechtsbeschwerde, keinen Zugang zur sog. Lebensakte und den Rohmessdaten erhalten zu haben, so hat sie substantiiert vorzutragen, was sich aus diesen Unterlagen ergeben hätte. Sollte ihr dies nicht möglich sein, weil ihr die Unterlagen noch immer nicht vorliegen, so muss sich der Rechtsbeschwerdeführer bis zum Ablauf der Rechtsmittelbegründungsfrist weiter um die Einsicht bemüht haben und die entsprechenden Anstrengungen substantiiert dartun. |
LG Baden-Baden, Beschl. v. 14.09.2018 – 2 Qs 104/18 | Im Hinblick auf die Rechtsprechung des OLG Karlsruhe (zfs 2018, 471), wonach es Ausfluss des Anspruchs auf ein faires Verfahren (Art. 6 Abs. 1 S. 1 MRK) ist, dass dem Betroffenen auf seinen Antrag hin auch nicht bei den Akten befindliche amtliche Unterlagen, die er für die Prüfung des Tatvorwurfs benötige, zur Verfügung zu stellen sind, sind dem Betroffenen bzw. seinem Verteidiger die Daten derjenigen Messreihe, die den begangenen Verkehrsverstoß des Betroffenen erfasst hat, – ggf. in anonymisierter Form –zugänglich zu machen. |
LG Weiden, Beschl. v. 05.09.2018 – 2 Qs 50/18 OWi | Eine Beschwerde gegen die Ablehnung eines nach Abgabe des Bußgeldverfahrens an das AG beim AG erneut gestellten Antrags auf „Einsicht“ in Messdaten ist wegen § 305 Satz 1 StPO unzulässig . Die gegenteilige, vom LG Trier (NZV 2017, 589 ) und in der Literatur vertretene Auffassung überzeugt nicht. |
AG Freising, Beschl. v. 05.07. 2018 – 3 OWi 30/18 | Der Verteidiger hat im Bußgeldverfahren keinen Anspruch auf Einsicht in Messunterlagen, wie z.B., das Originalbeweisfoto und das Originalvideo, das Messprotokoll, den Eichschein des Messgerätes und die Lebensakte des Messgerätes. Diese gehören nämlich regelmäßig nicht zum Inhalt der dem Gericht vorliegenden Akten. |
AG Köln, Beschl. v. 22.10.2018 – 814 OWi 210/18 (b) | Dem Betroffenen bzw. dessen Verteidiger oder einem von diesem beauftragten Sachverständigen Einsicht in die komplette Messreihe vorn Tattag (inkl. Token) zu gewähren. |
AG Landsberg, Beschl. v. 23.07.2018 – 3 OWi 92/18 | Der Betroffene hat im Bußgeldverfahren keinen Anspruch auf Herausgabe der Messdatei als digitale Kopie, der Lebensakte des Messgerätes, der Konformitätserklärung und Konformitätsbescheinigung und des Schulungsnachweises des verantwortlichen Messbeamten sowie Name und Schulungsbescheinigung des Auswertebeamten. |
AG Mayen, Beschl. v. 31.07.2018 – 3 OWi 171/18 | Bei Geschwindigkeitsmessungen ist dem Verteidiger auch Einsicht in alle Rohmessdaten der Messreihe, die Statistikdatei und – bei ESO 3.0 – den Public Key des Messgeräts zu gewähren. Die angeforderten Daten müssen weder Aktenbestandteil sein noch stehen die Grundsätze des standardisierten Messverfahrens der Einsicht entgegen. |
AG Mayen, Beschl. v. 03.07.2018 – 3 OWi 160/18 | Beim Abstandsmessverfahren VKS 3.0 hat der Verteidiger ein Einsichtsrecht in die Videoaufzeichnung vom Tattag, in das Referenzvideo mit Protokoll betreffend die Einrichtung der Messstelle sowie Wartungs-, Instandsetzungs- und Eichnachweise des Messgeräts seit der ersten Inbetriebnahme des Messgeräts und, soweit vorhanden, in Lebensakte, Geräteakte, Gerätebegleitkarte etc. |
AG München, Beschl. v. 16.08.2018 – 953 OWi 155/18 | Es besteht kein „erweitertes“ Akteneinsichtsrecht des Verteidigers. Die Rechtsprechung des VerfG Saarland hat darauf keinen Einfluss. |
AG Neuburg an der Donau, Beschl. v. 01.08.2018 – 3 OWi 75/18 | Der Verteidiger des Betroffenen ist Akteneinsicht in die Messdatei als digitale Kopie im eso-Format, die gesamte Messreihe in elektronischer Form, die Lebensakte des Gerätes, die Schulungsbescheinigung des Auswertebeamten, die Schulungsbescheinigung des Messbeamten, den Beschilderungsplan und die Konformitätsbescheinigung und Konformitätserklärung zu gewähren. |
AG Remscheid, Beschl. v. 06.11.2018 – 63 OWi 270/18 (b) | Dem Verteidiger sind die angeforderten Rohmessdaten (Messfilm) zur Verfügung zu stellen. |
AG Saarburg, Beschl. v. 22.08.2018 – 8 OWi 8112 Js 16807/18 | Endgültige Rückgabe des Verfahrens an die Verwaltungsbehörde wegen nicht ausreichender Ermittlungen. |
AG Siegen, Beschl. v. 09.08.2018 – 430 OWi 1508/18 | Das Gericht schließt sich der h.M. in der obergerichtlichen Rechtsprechung an, wonach die Herausgabe der kompletten Messrohdaten einer Messserie über die die Messung des betroffenen Kraftfahrer hinausgehenden Messrohdaten nicht erforderlich ist. Der VerfG Saarland (vgl. VA 18, 122) hat zudem übersehen, dass das von ihm angenommene Einsichtsrecht zu einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG führt, da sich eine umfassende Begutachtung einer kompletten Messserie durch einen Sachverständigen immer nur ein Teil der Bevölkerung leisten kann. |
AG Weiden i. d. OPf., Beschl. v. 10.7.2018 – 311 OWi 287/18 | Die Nichtüberlassung von Messdaten, Messreihe oder Lebensakte (Gerätestammkarte) verstößt weder gegen das Recht des Betroffenen auf ein faires Verfahren noch auf rechtliches Gehör. Es ist ausreichend, die Ermittlungsakte einzusehen, amtlich verwahrte Beweisstücke zu besichtigen und in der Hauptverhandlung Zeugen und Sachverständige zu befragen. |
AG Wittlich, Beschl. v. 06.08.2018 – 36b OWi 8011 Js 21030/18 jug | Der Verteidiger hat im Bußgeldverfahren Anspruch auf Einsicht in die gesamten digitalen Falldaten im gerätespezifischen Format für die gesamte Messreihe inklusive der Rohmessdaten, in die Statistikdatei/Gase-List der Messreihe, in alle Wartungs- und Instandsetzungsnachweise für das gegenständliche Messgerät seit der letzten Eichung vor der gegenständlichen Messung, die Eichnachweise des Messgeräts seit der ersten Inbetriebnahme sowie in die Baumusterprüfbescheinigung und Konformitätsbewertung des Messgeräts |
AG Wuppertal, Beschl. v. 20.09.2018 – 26 OWi 154/18 [b] | Dem Betroffenen bzw. seinem Verteidiger ist Einsicht in die gesamte Messreihe zu gewähren. Ist der Betroffene nämlich dazu gezwungen, relevante Tatsachen, die die Ordnungsgemäßheit eines im standardisierten Messverfahren gewonnenen Ergebnisses erschüttern können, selbst vorzutragen, muss er in die Lage versetzt werden, an derartige Informationen zu gelangen. |
Ist wieder eine ganze Menge, was da so in den letzten Monaten angefallen ist. Über den ein oder anderen „bemerkenswerten“ Beschluss hatte ich ja auch schon berichtet, so z.,B. über den AG München, Beschl. v. 16.08.2018 – 953 OWi 155/18 (siehe hier: Erweiterte (Akten)Einsicht im Bußgeldverfahren, oder: Wenn das AG München dem VerfG Saarland die Leviten liest).
Bemerkenswert – auch der LG Weiden i.OPf, Beschl. v. 12.09.2018 – 2 Qs 50/18 -, in dem das LG die Beschwerdemöglichkeit gegen eine die Einsicht ablehnende Einsicht des Gerichts verneint. Darin findet man dann abschließend folgende Passage:
„Mit der Entscheidung ist auch keine besondere – durch Urteil oder Urteilsanfechtung nicht behebbare – Beeinträchtigung verbunden (a.A. LG Trier, Beschluss vom 14. September 2017- 1 Qs 46/17 -, juris). Es trifft zwar zu, dass in der obergerichtlichen und verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung Streit darüber besteht, ob der Betroffene in einem Bußgeldverfahren einen Anspruch auf die auch hier begehrten Unterlagen unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs oder der fairen Verfahrensgestaltung hat (OLG Bamberg Beschluss vom 13.6.2018- 3 Ss OWi 626/18 -, BeckRS 2018, 11527; VerfGH Saarland, Beschluss vom 27.4.2018 – Lv 1/18 -, NZV 2018, 275). Dies ändert aber nichts daran, dass die Frage, ob ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör oder auf faire Verfahrensgestaltung vorliegt, grundsätzlich der Prüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren zugänglich ist (vgl. OLG Bamberg, aaO). Damit ist mit der Entscheidung aber keine nicht durch Urteilsanfechtung behebbare Beeinträchtigung verbunden. Besteht nämlich kein Anspruch, liegt auch keine Beeinträchtigung vor. Besteht ein Anspruch, ist dies der Prüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren zugänglich. Es besteht deshalb keine Veranlassung, dass die Landgerichte als weitere Entscheidungsebene in der „Kakophonie der Judikative“ zum strittigen Anspruch „mitmischen“ (a.A. Krenberger, NZV 2017, 589).“
Ja richtig gelesen: „Kakophonie der Judikative“ zum strittigen Anspruch „mitmischen“. Egal, dass es sich bei dieser Wortwahl um ein Zitat aus einer Anmerkung des Kollegen Krenberger zum LG Trier, Beschl. v. 14.09.2017 – 1 Qs 46/17,es ist schon „bemerkeneswert, dass ein LG meint, diese Formulierung in seinen Beschluss übernehmen zu müssen. Das zeitg,w as man im Grunde genommen von den Rechten des Betroffenen hält. Nämlich nichts. Hoffen wir, dass Karlsruhe das anders sieht.
Und <<Werbemodus ein >> und <<Werbemodus<< aus. Hier geht es zur Bestellseite. Das abgebildete Verkehrsrechtspaket gibt es derzeit mit einem erheblichen Preisnachlass für sog. Mängelexemplare (vgl. auch Sale/Preiskracher/Sonderverkauf, oder: Weihnachten steht vor der Tür).
Also nur weil das LG eine Gegenauffassung zu seiner Rechtsauffassung unter Wiedergabe der saloppen Wortwahl dieses argumentativen Gegners zitiert, hält es nicht von Betroffenenrechten?
Ich denke, Sie verrennen sich da argumentativ im Streit um den „Teufelskreis“ etwas.
Zumal das LG ja ausdrücklich ausführt, der Betroffene habe schon diese (Akteneinsichts bzw. eher Aktenergänzungs) Rechte, müsse sie aber im Rahmen der Rechtsbeschwerde und nicht mittels einer selbständigen Anfechtung geltend machen.
wohl kaum, wenn das LG die „saloppe Wortwahl“ übernimmt.
Sie verrennen sich mal wieder im Gesundbeten der Entscheidungen Ihrer Kollegen.
> Und das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerden zugestellt.
Das ist ja mal eine erfreuliche Nachricht.
Möglicherweise wird man in Karlsruhe ja doch noch ein wenig Rechtsstaat wagen …
Falsche Grammatik.
„Das ist das Lager derjenigen, DAS (nicht die) davon ausgeht…“
Das Lager geht davon aus, auch, wenn es aus „derjenigen“ besteht, wollten Sie gerade NICHT sagen, dass „diejenigen“ davon ausgehEN (also auch nicht diejenigen davon ausgeht), sonst hätten Sie gleich sagen können und müssen, „Das sind diejenigen, die davon ausgehen…“
Und hinter das „die, wie der VerfGH…“ gehörte ein Komma. Aber, wie bereits gesagt, muss es „das“ heißen, denn Bezugswort und Subjekt des Satzes ist „das Lager“.
„Wie man – aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreiesen hört 🙂 – “ Tippfehler zum Einen, aber zum Anderen, was viel mehr auffällt, handelt es sich bei dem Versuch eines Einschubs NICHT um eine Parenthese, sondern um einen normalen Bestandteil des angefangenen Satzes „Wie man…“, den Sie einfach sinnlos durch Bindestriche getrennt haben. Wozu? Könnten Sie diese Nicht-Parenthese auch einfach entfernen, und stünden dann immer noch ein vollständiger Satz da? Nein, eben nicht. Dann stünden dort nur noch „Wie man ist die Lösung oder das Ende des Streits nicht mehr weit.“ Ebenfalls Grammatik 6. Einfache Regel, nicht mehr versuchen aus einem Satz zu machen, als er eigentlich nur ist. Sagen Sie es in einfachen, möglichst kurzen Sätzen. Wenn Sie sich nicht sicher sind, machen Sie lieber einen Punkt und beginnen einen neuen satz, das liest sich viel flüssiger, als Schachtelsätze im Allgemeinen und verunglückte Schachtelsätze im Besonderen. Einfach ist nämlich nicht gleichbedeutend mit primitiv, sondern einfach ist gut! Nicht die Sache von Rechtsanwälten, die immer gerne schwurbeln und an Substantivitis leiden (besser, ihre Umwelt hat darunter zu leiden), aber einen Versuch ist es wert,m oder auch zwei, dabei könnten lesbarere Texte herauskommen. Und weniger Peinlichkeit, komplexere Grammatik nicht zu beherrschen.
@ Claude Eckel
Kann ich von dem Zeug, was Sie offenbar geraucht oder getrunken haben, etwas bekommen? Mit Verlaub: Sie sind nicht ganz bei Trost oder haben zu viel Zeit.