Und als zweite Entscheidung des Tages dann ein weiterer BGH-Beschluss, der ein Geschehen – besser „Nichtgeschehen“ – in der Hauptverhandlung zum Gegenstand hat. Es ist der BGH, Beschl. v. 05.07.2018 – 5 StR 180/18 –, in dem der BGH noch einmal zur Mitteilungspflicht nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO Stellung nimmt. Immer wieder ein Problem, bei dem auch neun Jahre nach Inkrafttreten der Abspracheregelung immer noch/wieder Fehler gemacht werden.
Hier war es ein Verfahren mit dem Vorwurf u.a. des besonders schweren Raubes. Kurz vor Beginn der Hauptverhandlung hatte auf Initiative der Verteidigung ein Rechtsgespräch zwischen der Vorsitzenden der Strafkammer, dem Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft sowie den Verteidigern des Angeklagten und der Mitangeklagten über die Möglichkeiten einer Verständigung nach § 257c StPO stattgefunden. Hinsichtlich des Angeklagten stellte die Vorsitzende für den Fall eines Geständnisses eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren bis zu vier Jahren und sechs Monaten in Aussicht. Der Staatsanwalt lehnte eine Verständigung auf dieser Grundlage ab, da seiner Auffassung nach die schuldangemessene Strafe „eher bei fünf Jahren“ zu finden sei. Auf Nachfrage des Verteidigers des Angeklagten erklärte er, im Falle einer Strafobergrenze von fünf Jahren einer Verständigung zustimmen zu können. Die Vorsitzende kündigte an, das Gesprächsergebnis mit den weiteren Mitgliedern der Strafkammer zu erörtern.
In der Hauptverhandlung teilte die Vorsitzende mit, dass nach einem Rechtsgespräch mit den Verteidigern und dem Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft eine Verständigung in Betracht komme, die für den Beschwerdeführer im Falle eines Geständnisses eine Freiheitsstrafe zwischen vier und fünf Jahren vorsah. Die von ihr zu Beginn des Vorgespräches in Aussicht gestellte Strafobergrenze von vier Jahren und sechs Monaten sowie die insoweit ablehnende Stellungnahme der Staatsanwaltschaft erwähnte die Vorsitzende nicht. Anschließend schlug die Strafkammer eine Verständigung vor, die dem in der Hauptverhandlung mitgeteilten Ergebnis des Rechtsgespräches entsprach. Der Angeklagte stimmte dem Vorschlag zu und räumte in der Folge die Anklagevorwürfe ein.
Der Angeklagte hat dann (dennoch) Revision eingelegt, die beim BGH Erfolg hatte:
„b) Die Mitteilung über das Rechtsgespräch genügt nicht den Informationspflichten nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO. Denn die Vorsitzende hat lediglich das Ergebnis des Vorgespräches mitgeteilt, nicht aber ihren anfänglichen Vorschlag und den hierzu vertretenen (ablehnenden) Standpunkt der Staatsanwaltschaft (vgl. BVerfGE 133, 168, 217; BGH, Beschluss vom 10. Januar 2017 – 3 StR 216/16, NStZ 2017, 363, 364). Dass an dem Gespräch lediglich die Vorsitzende der Strafkammer teilgenommen hat, nimmt ihm nicht den Charakter einer die Mitteilungspflicht des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO auslösenden Erörterung über die Möglichkeit einer Verständigung nach §§ 202a, 212 StPO (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juli 2017 – 3 StR 470/14, NStZ 2016, 221, 222; Beschluss vom 12. Juli 2016 – 1 StR 136/16).
2. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Urteils. Nach der insoweit von der herkömmlichen Dogmatik zum Beruhen (§ 337 StPO) abweichenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Niemöller NStZ 2015, 489, 490, 494) kann der Senat nicht ausschließen, dass der Schuldspruch auf der Verletzung der Mitteilungspflicht nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO beruht (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 15. Januar 2015 – 2 BvR 2055/14, NStZ 2015, 172, 173 f.; vom 23. Mai 2016 – 2 BvR 2477/15).“
Und es gibt dann auch einen „Hinweis für die Praxis“:
„Ergänzend bemerkt der Senat:
Um die Aufhebung materiell-rechtlich fehlerfreier Urteile allein wegen einer Verletzung der Mitteilungspflichten nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO zu vermeiden, empfiehlt es sich, den über ein Verständigungsgespräch (alsbald) zu fertigenden, den Erfordernissen des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO genügenden Aktenvermerk (§ 202a Satz 2, § 212 StPO) in der Hauptverhandlung zu verlesen und als Anlage zum Sitzungsprotokoll zu nehmen.“
Schön 🙂 der Hinweis des BGH auf „die Aufhebung materiell-rechtlich fehlerfreier Urteile “ – damit haben wir es also offenabr zu tun; der Hinweis wird die neue Strafkammer sehr freuen. Ebenfalls schön der „Hinweis“/die Wendung: „von der herkömmlichen Dogmatik zum Beruhen (§ 337 StPO) abweichenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts“. 🙂