Verteidiger I: Verteidigerausschluss, oder: Nebentäterschaft reicht.

© MK-Photo – Fotolia.com

Heute dann drei BGH-Entscheidungen, die während meines Urlaubs „aufgelaufen“ sind. Da die m.E. für die Praxis von Bedeutung sind, will ich sie jetzt schon bringen, also vor älterem Material vorziehen.

Zunächst ist das der BGH, Beschl. v.18.04.2018 – 2 ARs 542/17. Er behandelt diem.E. nicht so häufige Problematik des Ausschlusses des Verteidigers nach § 138a StPO, und zwar wegen Verdachts der Beteiligung, also der Nr. 1. Der BGH nimmt in dem Beschluss zum Begriff der Beteiligung i.S. des § 138a Abs. 1 Nr. 1 StPO Stellung und dann auch noch einmal zum hinreichenden Verdacht (§ 138c StPO).

„2. Die sofortige Beschwerde ist unbegründet. Das Oberlandesgericht hat den Beschwerdeführer im Ergebnis zu Recht als Verteidiger in dem gegen den Beschuldigten M. geführten Strafverfahren wegen unbefugter Abfallbeseitigung ausgeschlossen.

a) Ein Verteidiger ist von der Mitwirkung in einem Verfahren auszuschließen, wenn er dringend oder in einem die Eröffnung des Hauptverfahrens rechtfertigenden Grad verdächtig ist, dass er an der Tat, die den Gegenstand der Untersuchung bildet, beteiligt ist (§ 138a Abs. 1 Nr. 1 StPO). Es besteht in diesen Fällen die Gefahr, dass im Strafverfahren ein Verteidiger mitwirkt, der wegen seiner mutmaßlichen Tatbeteiligung außerstande ist, seine Verteidigeraufgabe so wahrzunehmen, wie dies seine Stellung als Beistand des Beschuldigten und als unabhängiges Organ der Rechtspflege erfordert (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Mai 1991 – AnwSt (B) 2/91, BGHSt 37, 395, 396). Der Begriff der Beteiligung im Sinne des § 138a Abs. 1 Nr. 1 StPO ist unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Norm jedenfalls insoweit zu verstehen, dass grundsätzlich sämtliche Formen der Täterschaft und Teilnahme umfasst sind (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl. § 138a Rn. 5; KK StPO/Laufhütte/Willnow, § 138a Rn. 7; vgl. SSW/Beulke, 3. Aufl. § 138c Rn. 19 mwN).

b) Gemessen hieran ist der Ausschluss von Rechtsanwalt H. G. zu Recht erfolgt.

aa) Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts genügt grundsätzlich die Annahme eines (nur) hinreichenden Verdachts der Beteiligung, um einen Rechtsanwalt auf der Grundlage des § 138c Abs. 1 Nr. 1 StPO von der weiteren Verteidigung auszuschließen. Es ist nicht erforderlich, dass wegen des in Rede stehenden Vorwurfs ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und dieses Ermittlungsverfahren bis zur Anklagereife gediehen ist (vgl. Beschluss des Senats vom 3. März 1989 – 2 ARs 54/89, BGHSt 36, 133, 137; siehe auch KG NStZ-RR 2016, 18). Insoweit ist es auch unschädlich, dass das gegen H. G. eingeleitete Ermittlungsverfahren nach § 154 Abs. 1 StPO eingestellt worden ist.

bb) Ein solcher hinreichender Tatverdacht liegt vor (§ 203 StPO). Auf der Grundlage des dem Senat vorliegenden Akteninhalts besteht hinreichender Grund zu der Annahme, dass Rechtsanwalt H. G. an der auch dem Beschuldigten M. vorgeworfenen und den Gegenstand der Untersuchung bildenden Tat – der auf dem Grundstück B. , W. , erfolgten Lagerung von krebserzeugenden und sonstigen Abfällen, die nach Art, Beschaffenheit oder Menge geeignet sind, nachhaltig den Boden zu verunreinigen – beteiligt ist.

Es bestehen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme, dass er zum Tatzeitpunkt tatsächlicher Nutzer des Grundstücks B. gewesen ist, das im Eigentum seines Sohnes, Rechtsanwalt J. G. , steht. So hat Rechtsanwalt H. G. in einem gegen ihn wegen Verstoßes gegen melderechtliche Vorschriften geführten Bußgeldverfahren vor dem Amtsgericht L. als ladungsfähige Anschrift diese Adresse angegeben; erläuternd hat er darauf verwiesen, dass er fünf Tage in der Woche in W. und zwei Tage bei seiner Familie in R. wohne. Seine Angaben werden bestätigt durch die Bekundungen der Zeugin H. , die sich gemeinsam mit ihrem Ehemann nach vorheriger Terminvereinbarung mit Rechtsanwalt H. G. in der Küche des Hauses B. traf und sich dort in einer Nachlassangelegenheit anwaltlich von ihm beraten ließ. Die Zeugin H. hat insoweit angegeben, dass Rechtsanwalt G. ihrem Eindruck zufolge dort tatsächlich gewohnt habe, und hat zudem bekundet, dass sie Rechtsanwalt G. rund einen Monat später – unangemeldet – erneut im B. aufgesucht und dort erneut seine anwaltliche Beratung in Anspruch genommen habe.

Darüber hinaus haben die Ermittlungen ergeben, dass auf dem Hausgrundstück mehrere Fahrzeuge abgestellt waren, die entweder auf Rechtsanwalt H. G. persönlich oder auf eine KG, deren Geschäftsführer und persönlich haftender Gesellschafter er ist, zugelassen sind. Diese Umstände bieten hinreichenden Grund für die Annahme, dass Rechtsanwalt H. G. nicht nur auf dem Grundstück gewohnt, sondern dieses auch zum Abstellen verschiedener Kraftfahrzeuge genutzt hat.

Aus diesen Umständen ergibt sich der hinreichende Tatverdacht, dass Rechtsanwalt H. G. das Wrack des Fiat-Ducato, in dem sich noch umweltgefährdende Betriebsflüssigkeiten befanden, sowie asbesthaltige Wellzementplatten als krebsgefährdende Stoffe auf dem Grundstück B. vorsätzlich gelagert oder es jedenfalls vorsätzlich als verantwortlicher Abfallbesitzer unterlassen hat, diese Abfälle ordnungsgemäß zu entsorgen (vgl. MK-Alt, StGB, 2. Aufl. § 326, Rn. 121). Dies gilt auch hinsichtlich der asbesthaltigen Wellzementplatten, die hinter einem Fahrzeug aufgefunden worden sind, dessen Halter ein Unternehmen war, dessen Geschäftsführer er gewesen ist. Es liegt auf der Hand, dass ihm insoweit bewusst war, dass sich alte Wellzementplatten auf dem Grundstück befanden, von denen allgemein bekannt ist, dass sie krebserregende Stoffe enthalten.

Damit besteht – wie auch hinsichtlich des Beschuldigten M. – ein hinreichender Tatverdacht hinsichtlich eines Vergehens nach § 326 Abs. 1 Nr. 2 und 4a StGB. Dies rechtfertigt den Ausschluss von Rechtsanwalt H. G. , auch wenn sich aufgrund des Akteninhalts nicht feststellen lässt, dass er an der Tat des Beschuldigten M. beteiligt gewesen ist. Anhaltspunkte dafür, dass beide Abfälle im Sinne von § 326 Abs. 1 Nr. 2 und 4a StGB gemeinsam gelagert oder sich bei deren Lagerung (gegenseitig) unterstützt hätten, haben die Ermittlungen nicht ergeben. Ebenso fehlt es an Umständen, die belegen könnten, dass ein möglicher Unterlassungstäter den anderen hierbei unterstützt haben könnte. Lässt sich so zwar eine Mitwirkung an einer Tat des Beschuldigten M. im Sinne von §§ 25 bis 27 StGB nicht feststellen, so ist doch festzuhalten, dass der gegen Rechtsanwalt H. G. gerichtete Tatvorwurf sich auf denselben Prozessgegenstand, die Lagerung bestimmter Abfälle auf einem Grundstück, richtet, wie bei dem Beschuldigten M. ; insoweit handelt es sich letztlich um dieselbe Tat, an der im Sinne eines hinreichenden Tatverdachts beide unabhängig voneinander „beteiligt“ gewesen sind. Bei dieser Sachlage ist die Anwendung des Ausschließungsgrundes des § 138c Abs. 1 Nr. 1 StPO gerechtfertigt. Der Wortlaut der Norm steht einer auch die „Nebentäterschaft“ umfassenden Auslegung nicht entgegen; denn ihr Zweck, Konflikte des Verteidigers zu vermeiden, der einerseits das Interesse haben könnte, sich selbst zu entlasten, andererseits aber die ihm auch als Organ der Rechtspflege obliegende Aufgabe hat, seinen Mandanten bestmöglich zu vertreten (vgl. SSW-Beulke, aaO, Rn. 17), lassen es in der gegebenen Konstellation geboten erscheinen, Rechtsanwalt H. G. vom Verfahren auszuschließen.“

Also: Verteidiger als „Nebentäter“ reicht für den Ausschluss.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert