Vermögensabschöpfung neu, oder: Rechtsmittelbeschränkung und Rückwirkung

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Die zweite Entscheidung, die ich heute vorstelle, kommt vom OLG Köln. Das OLG Köln, Urt. v. 23.01.2018 – 1 RVs 274/17 – betrifft Fragen, die mit dem seit dem 1.7.2017 neuen Recht der Vermögensabschöpfung (§§ 73 ff. StGB) zu tun haben.

Das AG hat die Angeklagte wegen Betruges in 17 Fällen verurteilt. Dem lagen in allen Fällen Warenangebote auf Internetplattformen zugrunde, zu deren Erfüllung die Angeklagte weder willens noch in der Lage war. Sie erzielte auf diese Weise insgesamt einen gegenleistungsfreien Betrag von 2.485,– EUR wovon sie einen – allerdings von ihr nicht bezifferbaren – Teil bereits zurückgezahlt hatte. Das AG hat in seinem Urteil keine Entscheidung über Anordnung der Einziehung des (Wertes des) Tatertrags getroffen hat. Dagegen richtet sich die Sprungrevision der Staatsanwaltschaft, die sie auf die Frage der unterbliebenen Einziehungsentscheidung beschränkt hat. Das Rechtsmittel hatte Erfolg.

Das OLG hat zunächst die Beschränkung der Revision der StA als wirksam angesehen:

„Wirksam ist aber auch die erklärte Beschränkung auf die unterbliebene Einziehungsentscheidung. Für den Verfall gemäß § 73 StGB in der bis zum 30. Juni 2017 geltenden Fassung war in der Rechtsprechung anerkannt, dass dessen Anordnung und die Verhängung der Strafe grundsätzlich unabhängig voneinander sind und nicht in einer inneren Wechselwirkung stehen. Strafe und Verfallsanordnung können jeweils isoliert mit Rechtsmitteln angefochten werden (BGH NJW 2002, 2257 [2258 f.]; BGH NStZ-RR 2005, 104; Fischer, StGB, 64. Auflage 2017, § 73 Rz. 41). Da sich – worauf zurückzukommen sein wird – am fehlenden Strafcharakter der an die Stelle des Verfalls getretenen Einziehung (des Wertes) des Tatertrags gemäß §§ 73, 73c StGB in der aufgrund des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872 ff.) seit dem 1. Juli 2017 geltenden Fassung nichts geändert hat, ist auch für den neuen Rechtszustand grundsätzlich von einer Trennbarkeit auszugehen (s. insoweit auch BGH NStZ-RR 2017, 342 [343 f.])…..“

Das AG-Urteil leidet zudem an einem „Erörterungsmangel“

„…..Das Tatgericht hat rechtsfehlerhaft von einer Prüfung der Voraussetzungen einer Einziehung des (Wertes des) Tatertrags gemäß §§ 73, 73c StGB n. F. abgesehen.

Durch das bereits genannte Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung ist dieses Rechtsinstitut grundlegend umgestaltet worden. Gemäß § 73 Abs. 1 StGB n. F. ordnet das Gericht die Einziehung dessen an, was der Täter aus einer rechtswidrigen Tat erlangt hat. Mit dieser Neuregelung ist namentlich die vorherige Einschränkung in § 73 Abs. 1 S. 2 StGB in Fortfall gekommen, wonach eine Verfallanordnung unterblieb, wenn und soweit dem Verletzten aus der Tat ein Anspruch erwachsen war, welcher dem Täter im Erfüllungsfall den Wert des aus der Tat Erlangten entzog (vgl. dazu Trüg NJW 2017, 1913). Die Opferentschädigung ist nunmehr in das Vollstreckungs- oder das Insolvenzverfahren verlagert (Köhler/Burkhard, NStZ 2017, 665 [680]). Gemäß § 73c S. 1 StGB n. F. (entsprechend § 73a StGB S. 1 a. F.) ordnet das Gericht die Einziehung eines dem Wert des Erlangten entsprechenden Geldbetrages an, wenn dessen (physische, vgl. Köhler NStZ 2017, 497 [498 f,]) Einziehung wegen dessen Beschaffenheit oder aus einem anderen Grund nicht möglich ist. Letzteres kommt namentlich im Falle des Verbrauchs des Erlangten in Betracht (zum neuen Recht: Fischer, StGB, 65. Auflage 2018, § 73c Rz. 5; zum alten Recht: Schönke/Schröder-Eser, StGB, 29. Auflage 2014, § 73a Rz. 5).

Hier hat die Angeklagte nach den getroffenen Feststellungen einen Gesamtschaden von 2.485,– € verursacht; dieser Betrag ist im Grundsatz (vgl. § 73d StGB n. F.) mit dem (Wert des) Erlangten identisch. Ausgehend von dieser Feststellung hätte sich das Tatgericht zu einer Erörterung der Voraussetzungen der §§ 73 ff. StGB n. F. gedrängt sehen müssen. Soweit Rückzahlungen erfolgt sind, wäre hierbei § 73e Abs. 1 StGB n. F. zu beachten gewesen (vgl. dazu Köhler a.a.O. S. 500). Eine Entscheidung über den Verfall nach altem Recht (vgl. § 316h S. 2 EGStGB) ist nicht getroffen.“

Und: Kein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot:

§§ 73, 73c StGB n. F. sind auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbar, obwohl die Anlasstaten im Zeitraum bis Oktober 2016 begangen worden sind, das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung aber erst mit Wirkung ab dem 1. Juli 2017 in Kraft getreten ist. Abweichend von der Regelung des § 2 Abs. 5 StGB bestimmt nämlich Art. 316h S. 1 EGStGB, dass in solchen Verfahren, in welchen nach dem 1. Juli 2017 über die Anordnung der Einziehung des Tatertrages oder des Wertes des Tatertrages wegen einer vor dem 1. Juli 2017 begangenen Tat entschieden wird, die durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 bewirkte Neuregelung anzuwenden ist. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt, da das Tatgericht am 7. Juli 2017 entschieden hat.“

Mit den letzten Ausführungen schließt sich das OLG der h.M. in der Rechtsprechung an., nämlich u.a. wie das BGH, Urt. v. 05.09.2017 – 1 StR 677/16, OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.10.2017 – 1 Ws 163/17, anders: LG Kaiserslautern, Beschl. v. 20.09.2017 – 7 KLs 6052 Js 8343/16 (3). Das OLG zitiert ein paar Entscheidungen mehr, u.a. einen „KG, Beschl. v. 01.02.2017 – 161 Ss 146/17“. Den kann ich aber nicht finden. Und es zitiert: „OLG Celle NJW 2017, 3731“. Die gibt es (auch) nicht. Gemeint ist da der vorstehend angeführte „OLG Stuttgart“-Beschluss. Aber sonst ist alles ok. 🙂

Nachtrag: 28.03.2018 – 15.18 Uhr: Die o.a. Unstimmigkeiten hatte ich mit dem 1. Strafsenat des OLG Köln „erörtert“. Und die Anwtort kam fix: Bei dem Beschluss des KG handelt es sich um den „KG, Beschl. v. 01.12.2017 – 161 Ss 148/17„. Kann passieren. Besten Dank nahc Köln für die schnelle Reaktion.

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