Und zum Tagesschluss dann noch etwas für Verkehrsrechtler, nämlich den LG Koblenz, Beschl. v. 10.10.2017 – 3 Qs 84/17. Es geht um die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis in einem Verfahren wegen eines gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315b StGB). Begangen haben sollte der Beschuldigte den am 03.01.2017. Im Rahmen der Hauptverhandlung vom 30.08.2017 wurde, nachdem das Gericht dem Angeklagten den rechtlichen Hinweis erteilt hatte, dass eine Strafbarkeit nur nach § 315c Abs. 1 Nr. 2b StGB in Betracht komme, dann gem. § 111a StPO die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen. Eine Begründung des Beschlusses erfolgte ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls nicht. Die Hauptverhandlung wurde sodann ausgesetzt.
Dagegen die Beschwerde, die beim LG Koblnez Erfolg hat. Dem LG gefällt die „Begründung“ der Entscheidung und nicht und hat Bedenken hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit:
„Die gemäß § 304 StPO zulässige Beschwerde ist auch begründet.
Denn gemäß § 34 StPO sind die mit einem Rechtsmittel angreifbaren Entscheidungen zu begründen. Dazu reicht im Falle der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO die knappe Mitteilung des Sachverhalts, seine strafrechtliche Würdigung und die Angabe der Gründe, aus denen sich die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen ergibt (vgl. LG Zweibrücken, Beschluss vom 17.09.2010, Qs 94/10,-juris).
Diesen Anforderungen wird der angefochtene Beschluss – auch unter Berücksichtigung der Nichtabhilfeentscheidung sowie des Ergänzungsbeschlusses – vorliegend jedoch nicht gerecht. Denn der der Entscheidung zugrunde gelegte Lebenssachverhalt wurde bisher überhaupt nicht mitgeteilt. Die bloße Bezugnahme auf die nach Auffassung des Gerichts anwendbaren Rechtsnormen genügt insoweit nicht. Die in dem Ergänzungsbeschluss mitgeteilte rechtliche Würdigung entspricht darüber hinaus weder derjenigen in dem Strafbefehl vom 31.05.2017 noch dem rechtlichen Hinweis in der Hauptverhandlung vom 30.08.2017. Vor diesem Hintergrund bleibt unklar, von welchem Lebenssachverhalt das Amtsgericht bei Beschlusserlass ausgegangen ist.
Das Fehlen einer hinreichenden Begründung stellt auch einen gewichtigen Verfahrensmangel dar. Zum einen erschwert es dem Angeklagten eine sachgerechte Anfechtung der Entscheidung. Zum anderen ist es der Kammer hierdurch verwehrt, die Gründe der angefochtenen Entscheidung zur Kenntnis zu nehmen und zu prüfen. Die fehlende Überprüfungsmöglichkeit würde im Ergebnis auf eine Kompetenzverlagerung hinauslaufen, da die Kammer praktisch in erster Instanz tätig werden und entscheiden müsste. Eine solche Kompetenzverlagerung kommt – da sie mit dem Verlust einer Instanz für den Angeklagten verbunden wäre – nicht in Betracht.
Der angefochtene Beschluss war daher bereits aufgrund seiner unzureichenden Begründung aufzuheben.
Im Übrigen erscheint die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis aber auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht gerecht. Zwar kann grundsätzlich die Fahrerlaubnis auch Verfahrensabschnitt vorläufig nach § 111a StPO entzogen werden. Bei einer vorläufigen Entziehung erst längere Zeit nach der Tatbegehung ist jedoch, da es sich bei § 111a StPO um eine Eilentscheidung handelt, besonders sorgfältig die Einhaltung und Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu prüfen (OLG Hamm, Beschluss vom 13.12.2001 – 2 Ws 304/01). Dabei ist insbesondere die Schwere des Verkehrsverstoßes und der Grad der von dem Täter ausgehenden Gefahr einerseits sowie das Ausmaß einer etwaigen Verfahrensverzögerung, die Dauer des Zeitablaufs und die – etwaigen beruflichen – Belange des Angeklagten andererseits gegeneinander abzuwägen.
Nach Abwägung der Umstände des vorliegenden Falles erscheint die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis aber nicht verhältnismäßig. Denn zum Zeitpunkt der Entscheidung über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis lag die angeklagte Tat bereits nahezu 9 Monate zurück. Der Tatvorwurf erscheint – gegenüber der ursprünglich im Strafbefehl getroffenen Annahme – nach der durchgeführten Hauptverhandlung auch weniger schwerwiegend. Entgegen der rechtlichen Würdigung im Strafbefehl geht das Amtsgericht Mayen nach dem Ergänzungsbeschluss vom 22.09.2017 nämlich selbst „nur“ noch von einer Strafbarkeit gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 2b, Abs. 3 Nr. 1 StGB (Vorsatz-Fahrlässigkeits-Konstellation) aus. Der 53-jährige Angeklagte, der seine Fahrerlaubnis auch zur Ausübung seiner nebenberuflichen Tätigkeit nutzt, ist bisher strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten. Auch sein Fahreignungsregister enthält keine Eintragungen. Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis war auf dieser Grundlage nicht geboten.“