Und zum Tagesschluss dann noch eine Entscheidung aus dem inzwischen auch fast unüberschaubaren Reservoir der Beleidigungen (§ 185 StGB). Es geht um den Vorwurf der Beleidigung eines Familienrichters durch eine Partei. Der ist in einem Strafbefehl dann folgendes zur Last gelegt worden:
„Am 09.09.14 um 13:22 Uhr sandten Sie eine E Mail an die PI Sbr. Brebach, die Poststelle der Justiz des Saarlandes, Poststelle des Landtags des Saarlandes, Fr. O. und um 02.53 Uhr diesselbe E Mail auch an die Poststelle des AG Saarbrücken, Franz-Josef Röder Str. 13 in Saarbrücken. In dieser E Mail bezeichneten Sie den Richter am Amtsgericht C. als ignoranten kranken Penner, Schläfer, Folterer, Abschaffer bzgl. Rechte GG und Konventionen. Sie erklärten, ihm fehle jedes christliche Verhalten und jede Empathie und vielleicht nutzte ja ein Hirnschrittmacher.“
Dabei handelt es sich um einen „Zusammenfassung“ aus einer längeren E-Mail der Angeklagten.
Das AG hat nach Einspruch wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe verurteilt. Das LG hat auf die Berufung der Angeklagten hin auf der Grundlage einer Entscheidung des OLG Saarbrücken (Beschl. v. 16.08.2011 – Ss 50/11) aus Rechtsgründen frei gesprochen (vgl. LG Saarbrücken, Urt. v. 16.03.2017 – 11 Ns 151/16). Aus dem recht umfangreichen Urteil die Zusammenfassung des LG:
„Zwar handelt es sich um eine schwerwiegende, die Ehre des Richters am Amtsgericht C. verletzende Äußerung. Die E-Mail erschöpft sich jedoch keineswegs in der Ehrverletzung. Vielmehr enthält die E-Mail über Seiten hinweg eine Auseinandersetzung in der Sache selbst. So machte die Angeklagte in der E-Mail Ausführungen gesellschaftlicher, einfachgesetzlicher und verfassungsrechtlicher Art zum Umgangsrecht und auch damit in Zusammenhang stehender ethischer Fragen. Dass die Angeklagte als Mutter von vier Kindern, die sie zum Tatzeitpunkt aufgrund familienrechtlicher Entscheidungen bereits seit Jahren nicht gesehen hatte, die Rechtmäßigkeit ihres Ausschlusses vom Umgangs- bzw. Besuchsrecht anders beurteilt als das Familiengericht, ist für die Kammer nachvollziehbar. Der weit überwiegende Teil ihrer E-Mail enthält eine im weitesten Sinne sachbezogene Kritik. Dass diese nicht zu überzeugen vermag, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Entscheidend ist, dass die Angeklagte weit überwiegend eine sachbezogene Auseinandersetzung anstrebte. Die sich am Ende ihrer mehrseitigen schriftlichen Äußerung befindende und auf 3 Sätze beschränkende ehrverletzende Äußerung tritt demgegenüber gänzlich in den Hintergrund. Aus Sicht der Kammer ist die der Angeklagten zur Last gelegte Äußerung vor dem Hintergrund obiger Darlegungen zu § 193 StGB vorliegend bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalles (noch) zu tolerieren.“
Mag jetzt jeder für sich beurteilen, ob er das in Ordnung findet. Fazit: Je mehr Sachargumente ich bringe, desto beleidigender darf ich im Rest meines Textes werden.
Ich bin kein Freund der Strafbarkeit von Beleidigungen und neige selbst zu deutlichen Ansagen.
Hier war das Maß eigentlich voll. Da hat die Frau eine sehr wohlwollende Kammer erwischt.
Man muss auch mal Glück haben. Es sei Ihr gegönnt 😉
Wer immer das Faß aufgemacht hat: Ich hätte es nicht getan, getreu dem Satz: Wer mich beleidgt, bestimme immer noch ich :-).
Allerdings räume ich ein: Grenzwertig.
Eine derart überlegene Haltung hat halt nicht jeder.
Spart in diesen Fällen Arbeitszeit für Stellungnahmen, Termine usw. :-)….
Klaus Kinski sagt einmal „Wer mich beleidigt, bestimme noch immer ich!“.
Na ja, es gibt ja auch den Spruch: der Klügere gibt so lange nach, bis er der Dumme ist. Ob man eine derartige Pöbelherrschaft wirklich will?
Nach der Rechtsprechung des BVerfG kann ein Verfahrensbeteiligter praktisch nie eine Beleidigung begehen, dort ist man offenbar Anhänger der Homöopathie: auch in milliardenfacher Potenz ist bei einem Schreiben eines Verfahrensbeteiligten immer noch irgendwie gerade noch ein Verfahrensbezug dabei, der auch übelste Beleidigungen mit dem Mäntelchen des Kampfs ums Recht bedeckt.
Wenn man sich den Sermon der Angeklagten durchliest, fragt man sich, ob nicht § 20 StGB zum selben Ergebnis geführt hätte. Richtiger wird das Urteil dadurch allerdings auch nicht.