Berufungsverwerfung: Wie muss/sollte die Vertretungsvollmacht formuliert sein.

© Gerhard Seybert - Fotolia.com

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Mit dem OLG Hamm, Beschl. v. 06.09.2016 – 4 RVs 96/16 – wird ein Strafverfahren abgeschlossen, in dem die Berufung des Angeklagten nach § 329 Abs. 1 StPO verworfen worden ist. In der Berufungshauptverhandlung war der Verteidiger des Angeklagten anwesend. In der Revision macht der Angeklagte geltend, der Verteidiger sei mit einer schriftlichen Vertretervollmacht versehen gewesen, so dass die Berufung nicht hätte verworfen werden dürfen. Die Revision scheitert an § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. In dem Zusammenhang macht das OLG Ausführungen zur „Vertretungsvollmacht“, die mich als Verteidiger vielleicht veranlassen sollten, die eigenen Vollmachten mal zu prüfen:

Die vom Angeklagten erhobene Verfahrensrüge wegen einer gesetzeswidrigen Verwerfung der Berufung des in der Berufungshauptverhandlung abwesenden Angeklagten nach § 329 Abs. 1 StPO entspricht schon nicht den Begründungsanforderungen des § 344 Abs. 2 StPO. Danach muss eine Verfahrensrüge so ausgeführt werden, dass das Revisionsbericht allein auf Grund der Revisionsrechtsfertigungsschrift prüfen kann, ob der geltend gemachte Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen zutreffen.

Da die Rüge sich dagegen richtet, dass das Berufungsgericht die Berufung des Angeklagten verworfen hat, obwohl ein Verteidiger mit schriftlicher Vertretungsvollmacht in der Berufungshauptverhandlung erschienen sein soll, hätte es des Vortrags bedurft, dass eine solche schriftliche Vollmacht für diesen Verteidiger vorgelegen hat. Das ist nicht der Fall. Der Angeklagte trägt in der Revisionsbegründung lediglich vor, dass sein Verteidiger in der Berufungshauptverhandlung seine schriftliche Vollmacht zu den Akten gereicht habe. Er trägt auch vor, dass diese Vollmacht von dem Angeklagten unterzeichnet gewesen sei. Er zitiert dann die Vollmacht. Darin heißt es allerdings zum Vollmachtgeber lediglich: „Herr/Frau (Vorname und Name – nachfolgend Mandant)“. Kann man eventuell – trotz der fehlenden Wiedergabe des Namens des Vollmachtsgebers – noch davon ausgehen, dass der Angeklagte die Vollmacht für sich selbst und nicht etwa seinerseits in Vertretung für einen Dritten erteilt hat, so fehlt es jedoch an der Angabe, dass sich die (Vertretungs-)Vollmacht, die auch in dem Vollmachtsformular, welches zur Verteidigerbeauftragung enthalten sein kann (vgl. BGH NJW 1956, 1727, 1728; zweifelnd: OLG Hamm, Beschl. v. 03.04.2014 – 5 RVs 11/14), zumindest auch auf das vorliegende Verfahren bezog. Insoweit heißt es in dem in der Revisionsbegründungsschrift wiedergegebenen Zitat aus der Vollmacht lediglich: „Herr/Frau (Vorname und Name– nachfolgend Mandant) bevollmächtigt Herrn Rechtsanwalt S (nachfolgend: „Auftragnehmer“) mit der anwaltlichen Beratung und Vertretung in der Angelegenheit gegen … wegen (Gegenstand) [Anm. des Senats: Auslassungen jeweils aus der Revisionsbegründungsschrift übernommen]“. Damit wird zwar deutlich, dass sich die Vollmacht auf eine bestimmte Angelegenheit beziehen soll, offen bleibt aber, auf welche. Der weitere Angriffspunkt, der sich auf die Begründung im angefochtenen Urteil im Zusammenhang mit § 411 Abs. 2 S. 1 StPO bezieht, kann angesichts der schon fehlenden Darlegung einer Vertretungsvollmacht ebenfalls nicht zum Erfolg der Revision führen.

Der Senat kann daher dahinstehen lassen, ob – wie die Generalstaatsanwaltschaft meint – sich aus der Formulierung der Vertretungsregelung in der Vollmacht ergebe, dass sie sich nicht auf die Vertretung in der Berufungshauptverhandlung beziehe. Dort heißt es: „Die Vollmacht wird ferner erteilt zur Verteidigung und Vertretung in allen Instanzen, und zwar auch für den Fall der Abwesenheit des Auftraggebers zur Vertretung nach § 411 Abs. 2 StPO mit ausdrücklicher Ermächtigung auch nach §§ 233 Abs. 1, 234 StPO […]“.  Angesichts der klaren Regelung „Vertretung in allen Instanzen“ wird man den Einschub („und zwar auch[…]“), wohl eher nicht als Beschränkung auf diesen Fall, sondern als Verdeutlichung für diesen Fall verstehen müssen. Schon die Formulierung „auch“ deutet nicht auf eine Einschränkung von „in allen Instanzen“ hin. Dafür spricht auch, dass nach zu § 411 Abs. 2 S. 1 StPO ergangener Rechtsprechung eine ausdrückliche Erwähnung der Vertretungsberechtigung für den Fall der Abwesenheit des Mandanten ohnehin nicht erforderlich ist (BGH NJW 1956, 1727; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.05.1991 – 5Ss 171/91 – 53/91 I – juris LS; Gössel in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 411 Rdn. 31 m.w.N.).

Für künftige Fälle gibt es dann noch einen Hinweis an das LG:

„Vorsorglich weist der Senat für zukünftige Fälle darauf hin, dass die Auffassung des Landgerichts, dass der mit einer (ordnungsgemäßen) schriftlichen Vertretungsvollmacht erschienene Verteidiger erklären müsse, dass er für den Angeklagten in dessen Abwesenheit verhandeln wolle, so nicht zutreffen dürfte. In den Gesetzgebungsmaterialien zu § 329 StPO in der aktuellen Fassung heißt es vielmehr: „Im Hinblick auf den Verteidiger setzt ein „Erscheinen“ im Rechtssinne weiterhin voraus, dass der mit Vertretungsvollmacht ausgestattete Verteidiger auch zur Vertretung bereit ist, mit anderen Worten also nicht von vornherein erklärt oder zu erkennen gibt, den Angeklagten nicht vertreten zu wollen.“ (BT-Drs. 18/3562 S. 69). Weiter ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien, dass der Gesetzgeber an den Sinngehalt des „Erscheinen“ nach alter Rechtslage anknüpfen wollte. Nach der seinerzeitigen Rechtsprechung zur vergleichbaren Regelung in § 411 Abs. 2 S. 1 StPO war es so, dass eine ausdrückliche Erklärung seiner Vertretungsbereitschaft durch den Verteidiger nicht erforderlich war, sondern diese lediglich verneint wurde, wenn Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass er es überhaupt nicht zu einer Sachverhandlung habe kommen lassen wollen (OLG Bremen, Beschl. v. 18.12.2007 – Ss 42/07; OLG Celle, Beschl. v. 09.04.2009 – 32 Ss 21/09 – juris; Kurth/Brauer in: HK-StPO, 5. Aufl., § 411 Rdn. 12; vgl. auch: Gössel a.a.O., § 411 Rdn. 30; weitergehend – aber zwflh. – sogar: BayObLG MDR 1981, 73). Auch dem Gesetzeswortlaut lässt für das Erfordernis einer ausdrücklichen Erklärung nichts entnehmen. Es ist also zwar grundsätzlich eine Bereitschaft des Verteidigers zur Vertretung des Angeklagten erforderlich. Diese kann aber nur bei Vorliegen konkreter Anhaltspunkte in dem o.g. Sinne verneint werden. Solche Anhaltspunkte ergeben sich vorliegend aus dem angefochtenen Urteil nicht. Indes ist die Verneinung der Vertretungsbereitschaft durch das Berufungsgericht nicht von der Angriffsrichtung der Verfahrensrüge erfasst und könnte deswegen auch dann nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen, wenn die Rüge – was diesbezüglich dahinstehen kann – ordnungsgemäß ausgeführt worden wäre (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 08.12.2005 – 4 RBs 291/15 – juris m.w.N.). In der Revisionsbegründungsschrift wird auf diesen Umstand überhaupt nicht eingegangen.“