Besuchsüberwachung, oder: Keine Verdachtsüberwachung

© Joachim B. Albers - Fotolia.com

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Der Beschuldigte befindet sich u.a. wegen des (schweren) sexuellen Missbrauch eines Kindes gem. § 176 Abs. 2 Nr. 1 StGB und § 176 Abs. 4 Nr. StGB in U-Haft. Das AG hat gem. § 119 StPO angeorndet, dass Besuche und die Telekommunikation der Erlaubnis bedürfen und diese sowie der Schrift- und Paketverkehr zu überwachen sei. Begründung: Es bestehe die Gefahr , dass der Beschuldigte Verdunklungshandlungen durch Einwirken auf Zeugen vornehme, da eine hohe Straferwartung gegeben sei.

Das LG Magdeburg hat im LG Magdeburg, Beschl. v. 04.07.2016 – 22 Qs 143 Js 14979/16 (29/16)  – die Beschränkungen – wie zu erwarten – aufgehoben. Begründung:

„Für die angeordneten Beschränkungen nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StPO fehlt es jedenfalls im jetzigen Verfahrensstadium an einer Grundlage, weshalb sie aufzuheben waren.

Jede über die Inhaftierung hinausgehende Beschränkung der Freiheitsrechte des Beschuldigten muss in Umsetzung mit der Unschuldsvermutung und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes einzeln auf ihre konkrete Erforderlichkeit geprüft und ausdrücklich angeordnet sowie begründet werden. Die Nichtanordnung von Beschränkungen nach § 119 Abs. 1 ist also der Regelfall, die Beschränkung nach eingehender Einzelfallprüfung die Ausnahme [vgl. Gärtner in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., (Nachtrag), § 119 Rn. 4, 11 m. w. N. Die Anordnung, dass die Telekommunikation und der Empfang von Besuchen der Erlaubnis bedürfen und Besuche, Telekommunikation sowie Schrift- und Paketverkehr zu überwachen sind, ist nur zulässig, wenn im Einzelfall aufgrund konkreter Anhaltspunkte durch den unkontrollierten Kontakt des Untersuchungsgefangenen mit der Außenwelt eine reale Gefahr für die darin genannten Haftzwecke (Flucht-, Verdunklungs- oder Wiederholungsgefahr) besteht, während die bloße Möglichkeit, dass ein Untersuchungsgefangener seine Freiheiten missbrauchen könnte, nicht genügt (vgl. BVerfG StV 2009, 253; OLG Düsseldorf StV 2011, 746; KG StV 2015, 306; OLG Hamm NStZ-RR 2010, 292). Der vom Amtsgericht genannte Aspekt, dass zu befürchten sei, dass der Beschuldigte zu der Geschädigten gegebenenfalls auch über Dritte Kontakt aufnimmt, um diese in ihrem Aussageverhalten zu beeinflussen, ist nicht geeignet, eine solche reale Gefahr für einen Haftzweck zu belegen. Die bloße Möglichkeit eines Missbrauchs rechtfertigt noch keine Haftbeschränkung (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, 59. Aufl., StPO, § 119 Rn. 6 m. w. N.). Anhaltspunkte dafür, dass der Beschuldigte auf die Geschädigte einwirken würde, sind bisher nicht ersichtlich. Allein der Umstand, dass die Geschädigte mit dem Beschuldigten bis zu dessen Inhaftierung offenbar eine „Liebesbeziehung“ geführt hat, spricht noch nicht für das Vorliegen einer realen Gefahr, zumal sich der Beschuldigte bisher im Rahmen des Ermittlungsverfahrens geständig gezeigt hat. Hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür, dass ohne Beschränkungen der Haftzweck real gefährdet wäre, lassen sich dem Beschluss des Amtsgerichts Magdeburg vom 31. Mai 2016 ansonsten nicht entnehmen und sind auch im Übrigen nicht ersichtlich.“

Nichts wesentlich Neues, aber der Beschluss ruft noch einmal ins Gedächtnis: Ohne konkrete Anhaltspunkte für Missbrauch gibt es keine Überwachung, oder: Eine Verdachtsüberwachung ist nicht zulässig.

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