Auch so ein Punkt, der mich immer erstaunt: Die Verwertung weiterer – nicht abgeurteilter – Straftaten bei der Strafzumessung. Mit der Frage hatte es der BGH, Beschl. v. 22.07.2015 – 2 StR 214/15 – zu tun bei einer Verurteilung wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a. Das LG hatte bei der Prüfung und Verneinung der Frage, ob ein minder schwerer Fall nach § 176a Abs. 4 StGB vorläge, als auch bei der Zumessung sämtlicher Einzelstra-fen berücksichtigt, dass „über die konkretisierbaren vier Taten hinaus weitere sexuelle Handlungen stattgefunden haben“; andererseits hate es den Angeklagten hinsichtlich dreizehn weiterer angeklagter Fälle aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, weil sich die Strafkammer „nicht mit dem erforderlichen Maß an Gewissheit davon überzeugen (konnte), dass die Taten so, wie sie durch die Anklage konkretisiert worden sind, stattgefunden haben“.
Das geht so nicht bzw.: Entweder oder:
„Zwar ist es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht unzulässig, bei der Strafzumessung zu berücksichtigen, dass der Angeklagte noch weitere – bisher nicht abgeurteilte – Straftaten begangen hat (vgl. BGH, Be-schluss vom 9. April 1991 – 4 StR 138/91, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 14 mwN). Allerdings müssen solche Taten – wie jeder für die Strafzumessung erhebliche Umstand – prozessordnungsgemäß und damit hinreichend bestimmt festgestellt werden und zur Überzeugung des Tatrichters feststehen (Senat, Urteil vom 5. Juni 2014 – 2 StR 381/13, juris Rn. 23; Beschluss vom 18. März 2015 – 2 StR 54/15, NStZ-RR 2015, 207; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 46 Rn. 40 f. mwN).
Hier hat das Landgericht bereits selbst erklärt, dass es sich nicht von weiteren angeklagten Straftaten überzeugen konnte; es bleibt demnach offen, ob, welche und wie viele Straftaten der Angeklagte über die hier abgeurteilten vier Taten hinaus noch begangen haben soll. Dies lässt eine unzulässige Berücksichtigung des bloßen Verdachts weiterer Straftaten besorgen.“
Und in eigener Sache: Die nächsten Tage wird es etwas ruhiger :-). Ich sitze über den rund 1.700 Blatt Korrekturfahnen vom „Handbuch für die strafverfahrensrechtliche Nachsorge“, das im Dezember noch erscheinen soll. Es ist nicht so ganz einfach die Ausführungen eines Teams von rund 20 Autoren zu „vereinheitlichen“, d.h.: Sie sollen aussehen, als ob nur einer geschrieben hat. Das kostet Zeit. Daher muss das Bloggen ein wenig zurückstehen. Aber danach geht es wieder „unruhig“ weiter 🙂 .