Nochmals: Der „rasende bayerische Notarzt“ – dürre Einstellungsentscheidung

entnommen wikimedia.org Urheber Bubinator

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Ich erinnere: Da hat es vor einigen Wochen die Diskussion um den Strafbefehl gegen einen „rasenden bayerischen Notarzt“ gegeben. Den hatte das AG Neuburg a.d. Donau gegen den Notarzt erlassen. Nach einem „Shit-Storm“ in den Medien ist das Verfahren gegen den Notarzt dann aber von der Staatsanwaltschaft Ingolstadt nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. In den Blogs sind die damit zusammenhängenden Fragen mehr oder weniger heftig diskutiert worden (vgl. z.B. hier Staatsanwaltschaft zieht Strafbefehl gegen Notarzt nach Online-Protesten zurück) . Ich hatte mich dazu „enthalten“, greife das Thema aber jetzt noch einmal auf.

Grund für meine Enthaltsamkeit war, dass ich bei solchen Themen immer lieber erst die Entscheidungen sehe und ungern zu PM ö.Ä. blogge (von Ausnahmen mal abgesehen). Inzwischen habe ich mir die maßgeblichen Entscheidungen aber besorgen können (manchmal sind Connections, die man aufgrund von „Auftritten“ in FA-Kursen hat, ganz hilfreich 🙂 ). Ich stelle sie dann hier ein.

Der Strafbefehl des AG Neuburg a.d. Donau aus Januar 2015, durch den eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen von je 150 € festgesetzt worden war, lautet:

Die Staatsanwaltschaft legt Ihnen folgenden Sachverhalt zur Last:

Sie fuhren am 23.04.2014 gegen 13.30 Uhr mit dem Pkw Notarztfahrzeug, Kennzeichen XXXX, auf der St 2043 im Bereich Neuburg a.d.Donau mit hoher Geschwindigkeit, wobei Sie sich in einem Notarzteinsatz befanden und das Blaulicht eingeschaltet hatten.

Auf Höhe Abschnitt 140 – Km 0,500 im Bereich der Abzweigung Am Kreuz kurz nach der Ort­schaft Zell überholten Sie ein rechtsabbiegendes Fahrzeug und scherten dabei – nur auf Ihr schnelleres Fortkommen bedacht – nahezu ungebremst auf die Gegenfahrbahn aus, obwohl sich zu diesem Zeitpunkt Fahrzeuge im Gegenverkehr näherten. Dies hatte zur Folge, dass der mit dem Pkw VW, a. Kz. XXXXXX entgegenkommende Zeuge ZZZZZZ, sowie auch der hinter ihm mit dem Pkw Saab, a. Kz. ZZZZZZZ fahrende Zeuge ZZZZZZ scharf abbremsen und nach rechts ins Bankett ausweichen mussten, um einen Zusammenprall mit Ihrem Fahr­zeug zu verhindern. Nur durch die sofortigen Ausweichreaktionen der Geschädigten konnte ein Unfall verhindert werden.

Dies hätten Sie bei Beachtung der auch für einen Arzt im Noteinsatz geltenden Sorgfaltspflich­ten im Verkehr erkennen und verhindern können.“

Und die Einstellungsverfügung der StA vom 02.03.2015 lautet:

„….in dem oben genannten Verfahren habe ich mit Verfügung vom 27.02.2015 folgende Entschei­dung getroffen:

Das Ermittlungsverfahren wird gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Hinsichtlich der Ordnungswidrigkeiten wird das Verfahren nach §§ 46 OWiG, 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

Gründe:

Dem Beschuldigten liegt zur Last, am 23.04.2014 gegen 13.30 Uhr auf der Staatsstraße 2043 im Bereich Neuburg/Do. bei einer Einsatzfahrt mit einem Notarztwagen trotz Gegen­verkehr ein rechts abbiegendes Fahrzeug überholt zu haben und dadurch zwei entgegen­kommende Pkws bei voller Fahrt zum Ausweichen ins Bankett gezwungen zu haben, um einen Frontalzusammenstoß zu verhindern. Der Beschuldigte selbst hat sich inzwi­schen in einer schriftlichen Stellungnahme seines Verteidigers zum Vorwurf geäußert.

Bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung des Ermittlungsergebnisses einschließlich der Angaben der beiden Zeugen und der Stellungnahme des Beschuldigten ist als Ergebnis festzustellen, dass das Vorliegen einer Straftat beziehungsweise Ordnungswidrigkeit nicht feststellbar ist.

Etwaige zivilrechtliche Ansprüche werden durch diese Entscheidung nicht berührt.“

Schade, von der Einstellungsverfügung hatte ich mir mehr Inhalt erhofft als nur die Feststellung: „Straftat …. nicht feststellbar“; in den Handakten der StA steht wahrscheinlich mehr 🙂 . Da schließt sich dann aber doch die Frage an: Hätte man das nicht auch in der Zeit zwischen der angeblichen Tat im April 2014 und dem Erlass des Strafbefehls im Januar 2015 auch schon feststellen können? Was hatte sich nach dem Erlass des Strafbefehls verändert, was nicht schon vorher bekannt war und dem Antrag auf und dem Erlass des Strafbefehls entgegen gestanden hat? Alles in allem eine recht dürre Einstellungsentscheidung. Den Notarzt wird es nicht stören. Die Kuh ist für ihn (strafrechtlich) vom Eis.

7 Gedanken zu „Nochmals: Der „rasende bayerische Notarzt“ – dürre Einstellungsentscheidung

  1. Thomas Hochstein

    Nach der Presseberichterstattung ging die – wohl anwaltliche – Stellungnahme erst nach dem Strafbefehlsantrag ein. Der Beschuldigte selbst hat in der Öffentlichkeit ja immer nur erklärt, sich an ein solches „knappes“ Geschehen nicht erinnern zu können.

  2. Florian Englert

    Meine Stellungnahme hat eigentlich keine neuen Sachverhaltsangaben enthalten. Jedenfalls nichts, was nicht schon das Schweigen zum Ausdruck gebracht hätte. Aber eine rechtliche Würdigung, in der Form, wie ich es von meinem Lehrer im FA Lehrgang gelernt hatte. Vielleicht sollten manche Staatsanwaltschaften auch einmal einen Kurs bei Herrn Burhoff besuchen.

  3. Detlef Burhoff

    @ Thomas Hochstein. Was hat denn die anwaltliche Stellungnahme mit der erforderlichen rechtlichen Prüfung vor Beantragung und Erlass des Strafbefehls zu tun?
    @ Ohne Kommentar – danke 🙂

  4. Thomas Hochstein

    „Was hat denn die anwaltliche Stellungnahme mit der erforderlichen rechtlichen Prüfung vor Beantragung und Erlass des Strafbefehls zu tun?“

    Nichts. Sie kann aber gerade dann, wenn die Problematik wohl vor allem im subjektiven Bereich liegen dürfte, zu einer anderen Bewertung führen. Die Sachverhaltsdarstellung aus dem Strafbefehl trägt die rechtliche Folgerung, und für den objektiven Sachverhalt gibt es zwei Zeugen – insofern mag die Stellungnahme im subjektiven neues gebracht, zu einer anderen rechtlichen Bewertung geführt haben, oder es handelt sich doch um eine politische Opportunitätsentscheidung. Wer weiß. Die Gründe der Einstellungsverfügung wirken jedenfalls insoweit nicht erhellend.

  5. Pingback: Das Strafbefehlsverfahren – Gerichte auf Autopilot? « De legibus-Blog

  6. Elmar der Anwalt

    Naja… da gegen Einstellungsverfügungen wohl nur in Ausnahmefällen Rechtsmittel eingelegt werden, können sie entsprechend sparsamer ausfallen.
    Ich recherchiere zur Zeit intensiv zum § 35 StVO und muss feststellen, dass die Einstellung des Strafverfahrens dem „Mainstream“ entspricht – aber die Einstellung des OWi – Verfahrens ein Geschenk ist, da nach § 35 Abs.8 StVO hier wohl die offenliche Sicherheit nicht in hinreichendem Maß beachtet wurde, wenn der Fahrstil des Notarztes (fahren die in Bayern selber?!?!?) für den Gegenverkehr auf „Hecke auf – Hecke Zu – Rauchwolke“ hinausläuft…
    Aber das kann man aus der kompletten Akte sicherlich besser beurteilen.

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