Zum bevorstehenden Wochenende dann noch eine Entscheidung aus der Rubrik: Klassischer Fehler, m.E. ganz klassisch, nämlich: Der vergessene rechtliche Hinweis, als ein Verstoß gegen § 265 StPO. Das LG hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern und wegen sexuellen Missbrauchs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt und gegen ihn die Führungsaufsicht angeordnet. Nur: Die Anordnung der Führungsaufsicht war bis dahin nicht im Spiel. Das führt dann beim BGH im BGH, Beschl. v. 06.05.2014 – 3 StR 131/14 zur Aufhebung:
„Erfolg hat die Revision jedoch mit der Beanstandung, es habe keinen gerichtlichen Hinweis darauf gegeben, dass die Anordnung von Führungsaufsicht in Betracht komme (RB S. 3). Zwar wird diese Einwendung im Rahmen der Sachrüge vorgebracht. Jedoch ergibt die Ausle-gung, dass hiermit eine Verfahrensbeanstandung erhoben werden soll, wofür auch spricht, dass in diesem Zusammenhang eine Einschränkung des Rechts auf einen fairen Prozess gerügt wird. Das Vorbringen enthält nach seiner Angriffsrichtung die Rüge eines Verfahrensverstoßes gegen § 265 Abs. 2 StPO. Sie ist auch begründet, da weder die Anklageschrift noch der Eröffnungsbeschluss, die vom Revisionsgericht von Amts we-gen zur Kenntnis zu nehmen sind (Senat StraFo 2002, 261), noch das Hauptverhandlungsprotokoll die notwendigen Hinweise darauf enthalten, dass die Anordnung der Führungsaufsicht als Maßregel der Sicherung und Besserung nach § 61 Nr. 5 StGB in Betracht kommt. Der Verfahrensverstoß führt zur Aufhebung dieser Maßregel und zur Zurückver-weisung der Sache in diesem Umfang.“
Dazu: Sollte man als Kammer wissen. Als Verteidiger sollte man allerdings wissen, dass in den Fällen die Verfahrensrüge zu erheben ist, dann muss der BGH nicht solche Klimmzüge machen. Aber er wollte an die „Führungsaufsicht wohl ran“, weil sie ihm auch materiell (nohc) nicht gepasst hat. Denn er „bemerkt ergänzend:
Die Anordnung der Führungsaufsicht in dem angefochtenen Urteil war unabhängig von dem Verfahrensverstoß auch in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht rechtsbedenkenfrei. Voraussetzung der Anordnung der Führungsaufsicht nach § 68 Abs. 1 StGB ist, dass die Gefahr der Begehung weiterer Straftaten durch den Angeklagten besteht. Die Bejahung einer solchen weiteren kriminellen Gefährlichkeit erfordert eine Prognoseentscheidung des Tatgerichts, die nur aufgrund einer Gesamtwürdigung von Tat und Täter getroffen werden kann (LK/Schneider, StGB, 12. Aufl., § 68 Rn. 13 mwN). Diesen Anforderungen genügen die knappen Ausführungen des Landgerichts nicht, zumal es nicht in den Blick genommen hat, dass der Angeklagte trotz seiner Angabe, sich seit seiner Jugend zu Kindern hingezogen zu fühlen, die erste Tat zum Nachteil des Nebenklägers im Alter von 57 Jahren beging und zuvor strafrechtlich nicht in Er-scheinung getreten war. Ist der Täter aber noch nicht vorbestraft, müssen handfeste Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er nach seinem Zustand und seiner Persönlichkeit, dem Milieu, in dem er lebt, und nach dem Charakter der Anlasstat auch in Zukunft gefährlich sein wird (LK/Schneider aaO).
Das neue Tatgericht wird bei der Prüfung, ob gegen den Angeklagten wiederum die Führungsaufsicht anzuordnen ist, in den Blick zu nehmen haben, ob die Hinzuziehung eines Sachverständigen geboten erscheint (vgl. insoweit LK/Schöch aaO, vor § 61 Rn. 120).“
Schöner Begriff: „handfeste Anhaltspunkte“. Hatte ich bisher beim BGH so auch noch nicht gelesen bzw. kann mich daran nicht erinnern.