Das Leben liefert doch die schönsten Sachverhalte, manche sind so schön, dass man sie nicht erfinden kann. So der, der dem OLG Koblenz, Urt. v. 15.01.2014 -5 U 1243/13 – zugrunde gelegen hat; passt ganz schön zu „Weiberfastnacht“ 🙂 , und zwar:
Die Beklagte vermietet Zimmer an Prostituierte. Dort warf der Kläger an zwei Tagen Stinkbomben. Es gelang der Beklagten, ihn zu identifizieren, nachdem sie in ihrer Videoüberwachungsanlage gespeicherte Fotos seiner Person ins Internet gestellt hatte. Der Versuch, den Kläger dann in seiner Wohnung zur Rede zu stellen, schlug fehl. Danach kam es aber zu einem Gespräch mit einem Generalbevollmächtigten der Beklagten (!!) und nachfolgend zu einem gemeinsamen notariellen Termin, bei dem der Kläger im Hinblick auf die durch sein Verhalten entstandenen Schäden ein auf 12.000 € nebst Zinsen lautendes Schuldanerkenntnis gegenüber der Beklagten unterzeichnete und sich deswegen der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein Vermögen unterwarf. Die Beklagte versprach in derselben Urkunde, die Fotos des Klägers aus dem Internet herauszunehmen und alle über den Kläger gespeicherten Daten unter Verschluss zu halten. Des Weiteren sollten die gegen ihn gestellten Strafanträge zurückgezogen werden, sobald er seine Zahlungszusage erfüllt hatte. Jetzt streiten Kläger und Beklagte um das notarielle Schuldanerkenntnis. Der Kläger will, dass die Vollstreckung aus der notariellen Urkunde für unzulässig erklärt wird. Das LG hat die Klage abgewiesen, das OLG hat ihr dann stattgegeben. Begründung:
a) Der Kläger hat innerhalb des Rechtsstreits die Anfechtung wegen Drohung erklärt und dazu erläutert, er sei insbesondere durch die Veröffentlichung seiner Fotos im Internet hochgradig unter Druck gesetzt worden. Mit dieser Erklärung, die den inhaltlichen Anforderungen des § 143 Abs. 1 BGB (vgl. dazu Ellenberger in Palandt, BGB, 73. Aufl., § 143 Rn. 3) genügte und innerhalb der Frist des § 124 BGB erfolgte, ist das am 28.01.2013 gegebene Zahlungsversprechen hinfällig geworden (§ 142 Abs. 1 BGB); denn der Anfechtungstatbestand des § 123 Abs. 1 BGB ist erfüllt.
b) Das streitige deklaratorische Schuldanerkenntnis wurde durch unzulässig ausgeübten Zwang veranlasst. Dieser Zwang ging von der – möglicherweise nicht wörtlichen, aber nach den Umständen zumindest konkludent vermittelten – Ankündigung der Beklagten aus, die laufende Veröffentlichung der Fotos des Klägers erst dann zu beenden, wenn dieser die notarielle Verpflichtungserklärung abgab. Ein entsprechender Zusammenhang wird aus dem Urkundstext selbst deutlich, demzufolge die Herausnahme der Fotos aus dem Internet als Gegenleistung zum Schuldanerkenntnis des Klägers ausgestaltet wurde. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Beklagte zum Ausdruck gebracht hätte, auch ohnedies – nämlich im Sinne einer eigenständigen, von jeder Verknüpfung mit dem Verhalten des Klägers freien Vorleistung – zu einem solchen Schritt bereit zu sein. Ein dahingehendes, nach außen gerichtetes Signal gibt auch die in ihrem nachgereichten Schriftsatz aufgestellte Behauptung, sie sei willens gewesen, die Verbreitung der Aufnahmen mit der Entdeckung des Klägers zu beenden, nicht zu erkennen. Von daher besteht kein Anlass, deshalb die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen. Das gilt umso mehr, als die Behauptung angesichts des gegenläufigen tatsächlichen Verhaltens der Beklagten der Plausibilität entbehrt.
Indem die Beklagte die notarielle Zahlungszusage des Klägers durch den Hinweis auf die ansonsten fortdauernde Publikation der Fotos herbeiführte, übte sie eine widerrechtliche Drohung aus, weil die Veröffentlichung gegen das Gesetz verstieß und unabhängig von jedwedem Entgegenkommen des Klägers hätte beendet werden müssen (vgl. Ellenberger in Palandt, BGB, 73. Aufl., § 123 Rn. 16). Die Publikation war gemäß § 22 KunstUrhG verboten und damit ohne Weiteres zu unterlassen. Die Vorschrift gestattet die Verbreitung und öffentliche Zurschaustellung von Bildnissen einer Person nur mit deren Erlaubnis, an der es im vorliegenden Fall fehlte.
c) Es bedarf keiner Auseinandersetzung mit der Auffassung des Landgerichts, die Beklagte habe ein legitimes Interesse daran gehabt, „denjenigen ausfindig“ zu machen, „der die Stinkbomben im Bordell zerplatzen ließ“, „nicht zuletzt, um weitere Anschläge zu vermeiden“. Selbst wenn man darin – was aus der Sicht des Senats freilich eher fern liegt – primär einen Rechtfertigungsgrund gemäß § 227 BGB oder § 34 StGB (zu dessen Anwendung im Zivilrecht vgl. Ellenberger in Palandt, BGB, 73. Aufl., § 227 Rn. 10) sähe, war für einen solchen Rechtfertigungsgrund jedenfalls kein Raum mehr, nachdem die Beklagte die Identität des Klägers ermittelt hatte und dessen Urheberschaft feststand. Diese Situation war bei der Errichtung der notariellen Urkunde längst eingetreten.