Ein Teilnehmer eines FA-Kurses, in dem ich im vergangenen Jahr in München referiert hatte, hat mir den von ihm erstrittenen LG Landshut, Beschl. v. 18.09.2013 – 3 Qs 154/13 übersandt, der auf eine m.E. ganz pfiffige Idee des Kollegen zurückgeht.
Vorab: Der Beschluss behandelt eine erfolgreiche Wiederaufnahme eines Bußgeldverfahrens (ja, das gibt es :-)), und zwar mit folgendem Sachverhalt: Im letzten Jahr suchte ein Mandant den Kollegen auf mit einem Schreiben der Fahrerlaubnisbehörde. Man müsse dem Mandanten die Fahrerlaubnis entziehen, da er nun 18 Punkte habe. Der Mandant teilte dem Kollegen jedoch mit, dass er die letzte Tat nicht begangen habe, sondern sein Vater gefahren sei. Dennoch habe er den Bußgeldbescheid als Fahrzeughalter bekommen. Das Problem war, dass zum Zeitpunkt der Mandatierung der zugrundeliegende Bußgeldbescheid schon seit Wochen rechtskräftig war und der Mandant auch schon selbständig (und natürlich erfolglos) eine Wiedereinsetzung beantragt hatte. Der Kollege hat dann zunächst (erfolglos) das Wiedereinsetzungsverfahren betrieben und ist dann – nachdem er die Fahrerlaubnisbehörde dazu bringen konntem zunächst von einem Entzugsbescheid abzusehen, auf die Idee mit der Wiederaufnahme gekommen. Das AG hat zunächst als unzulässig verworfen hatte, auf die Beschwerde hat das LG Landshut dann die Wiederaufnahme des Verfahrens angeordnet. Ende der Geschichte war, dass das AG Landshut den Bußgeldbescheid aufgehoben und das Verfahren eingestellt hat. Wie schreibt der Kollege so schön: Führerschein gerettet. Mission erfolgreich beendet :-).
Begründet hat das LG u.a. wie folgt:
„Neues Sachverständigengutachten:
Inwieweit die Verwaltungsbehörde tatsächlich im Rahmen der Identitätsfeststellung des Fahrers die Einholung eines anthropologischen Gutachtens erwogen hat, lässt sich aus der Akte weder erkennen noch nachvollziehen. Die Argumentation des Erstgerichts, dies sei offensichtlich unterblieben, weil die Lichtbilder von so guter Qualität seien, dass dies überflüssig sei, vermag die Kammer nicht zu teilen. Wie bereits ausgeführt, schätzt die Kammer die Qualität der Lichtbilder als schlecht ein und gerade die vom Sachbearbeiter handschriftlich neben das Lichtbild des Betroffenen gesetzten Identitätsmerkmale sind für die Kammer auf den Tatfotos nur unzureichend zu erkennen, so dass ein aussagefähiger Vergleich mit dem Foto des Betroffenen auf dem Auszug aus dem Ausländerzentralregister gerade anhand dieser Kriterien nicht möglich ist.
Ein Sachverständigengutachten wäre nur dann kein neues Beweismittel, wenn die Verwaltungs-behörde erkennbar bei ihrer Entscheidung die Erholung eines solchen Gutachtens mit dem Hinweis auf die eigene Sachkunde abgelehnt hätte und in nachvollziehbarer Weise ihr Bewertungsergebnis aufgrund der eigenen Sachkunde detailliert dargelegt hätte. Dies war vorliegend gerade nicht der Fall. Zum einen sind die Bewertungsgrundlagen nur kurz schriftlich skizziert und zum anderen lassen sich diese anhand der Lichtbilder nicht ohne weiteres nachvollziehen.
Demzufolge stellt sich für die Kammer sowohl die Benennung der beiden Zeugen als auch die Beantragung eines anthropologischen Gutachtens jeweils als neues Beweismittel dar. Diese Beweismittel sind auch geeignet, die Freisprechung des Betroffenen herbeizuführen. Dabei kann nicht von vorneherein davon ausgegangen werden, dass der Beifahrer zu Gunsten des Betroffenen eine Falschaussage machen will oder eine Erinnerung an die gegenständliche Fahrt von vorneherein ausgeschlossen erscheint. Auch im Rahmen eines anthropologischen Gutachtens kann nicht von vorneherein ausgeschlossen werden, dass durch die Betrachtung weiterer Identitätsmerkmale und vor allen Dingen durch technische Verbesserungen der Tatortfotos aussagekräftige Erkenntnisse gewonnen werden können.“