Das LG Dessau-Rosslau hat im Beschl. v. 24.05.2011 – 6 Qs 101/11 in der Tat deutliche Worte zur Akteneinsicht in die Bedienungsanleitung eines Messgerätes gefunden, die dem Betroffenen bzw. seinem Verteidiger offenbar mit dem Hinweis auf das Urheberrecht des Verfassers der Anleitung verwehrt worden war. Es heißt:
„Grundsätzlich kann jeder Betroffene bzw. Angeklagte über seinen Verteidiger Akteneinsicht nehmen, ohne dass das Gesetz hierfür irgendwelche Einschränkungen kennt. Die Annahme, dass die Übersendung Urheberrechte verletze ist abwegig. Selbst wenn solche Urheberrechte bestanden hätten, so sind sie durch den Erwerb auf das Land Sachsen-Anhalt übergegangen. Selbstverständlich ist jede nach dem Zweck des Erwerbes zu erwartende Verwendung des Kaufgegenstandes auch eine berechtigte Nutzung durch den Erwerber. Es ist abstrus anzunehmen, dass das Land Sachsen-Anhalt eine Bedienungsanleitung für ein technisches Gerät erworben hat, wobei diese Bedienungsanleitung nur von einzelnen Polizeibeamten oder nur einer Behörde, dem technischen Polizeiamt, genutzt werden darf. Abstrus ist diese Überlegung auch, weil offensichtlich eine Einsichtnahme innerhalb der Behörde, also eine Kenntnisnahme des angeblich urheberrechtlich geschützten Inhalts für zulässig gehalten wird.„
Wann spricht ein Gericht schon mal von „abstrus“? Ist dieser Einwand m.E. aber auch wirklich. Insoweit sind die deutlichen Worte aus Dessau berechtigt. Nach der Entscheidung des LG Ellwangen die zweite LG-Entscheidung zu der Problematik. Sehr schön. 🙂
Eine sehr zu begrüßende Entscheidung, wobei ich ganz offen sowohl mit Ellwangen wie auch mit Dessau aus urheberrechtlicher Sicht ein kleines Problem habe. So einfach dürfte die Sache nämlich nicht sein.
das habe ich nicht :-),; allerdings wird jetzt wahrscheinlich wieder ein Kommentar von anderen Mitlesern kommen, der Betroffene könne die Bedienungsanleitun ja käuflich beim Hersteller erwerben. 🙁
Das kommt davon, wenn Strafgerichte das Urheberrecht beurteilen 🙂 Natürlich geht nicht das Urheberrecht an der Dokumentation auf das Land Sachsen-Anhalt über, sondern das Land Sachsen-Anhalt erwirbt Nutzungsrechte. Das hat das AG offenbar auch ausdrücken wollen, nur ist es dennoch ein grober Schnitzer, von einem „Übergang“ des Urheberrechts zu sprechen.
Das Ergebnis mag man moralisch billigen, an der rechtlichen Vertretbarkeit muss man aber ernsthafte Zweifel haben – spätestens dadurch, dass es (jdf. in dem obigen Zitat) an jeglicher Prüfung und Begründung fehlt. Es hätte wahrscheinlich sogar einer Beweiserhebung bedurft, denn um eine konkludente Einwilligung zu begründen, hätte man wohl den diesbezüglichen Sachverhalt ermitteln müssen. Es ist alles andere als fernliegend, dass der Gerätehersteller sowie der Urheber des Textes mit einer Kopie alles andere als einverstanden sind, da dies ihr Gerät angreifbar macht.
Wer hier kann – mit Normnennung – sagen, wieso es keinen Urheberrechtsverstoß darstellen soll, das fragliche Schriftstück zu kopieren?
Wer sagt denn, dass hier überhaupt kopiert wurde/werden sollte?
@ Stefan: Wie sonst sollte die Bedienungsanleitung dem Verteidiger zur Verfügung gestellt werden, im Original? Dann hätten die Meßbeamten keine Anleitung mehr (wäre für die entsprechenden Verteidigungen sehr hilfreich! 😉 ).
Aber im Ernst: Mir fällt es grad erst auf: § 45 UrhG!
Schönen Gruß von § 45 UrhG…
Im übrigen ist aus meiner Sicht das Recht auf Akteneinsicht die Ermächtigungsgrundlage für die Überwindung etwaiger urheberrechtlicher Schranken. Ebenso § 299 ZPO. Es bedeutete Stillstand der Rechtspflege, wenn Urheber bestimmter Aktenbestandteile einwenden könnten, mit der Einsicht durch Dritte nicht einverstanden zu sein. Urheberrechtliche Hinweise, wie man sie oftmals auch in Sachverständengutachten findet, gehen daher ins Leere. Zum Teil meinen ja sogar Anwälte, ihre Ergüsse unterlägen dem Urheberrecht. Goldig sind im Hinblick auf § 5 UrhG auch die Hinweise auf den Webseiten vieler Gerichte (bis hin zum BGH und BVerfG), wonach die Entscheidungen urheberrechtlich geschützt seien…
In Prozessen muß mitunter auch Einsicht in Werke der Literatur, der Musik, des Films, usw. genommen werden, die eindeutig dem Urheberrecht unterliegen. Ggf. ist auch ein öffentlicher Augen- und „Ohren“schein dieser Werke durchzuführen. Wer wollte ernsthaft bestreiten, daß die öffentliche Vorführung im Gerichtssaal oder die Einsichtnahme der Verfahrensbeteiligten in die betroffenen Werke Urheberrechte entgegenstehen könnten? Demnächst kommt vielleicht auch noch die GEMA auf die Idee für gerichtliche Beweisaufnahmen über Werke der Film- und Musikkunst Gebühren zu erheben…. Wirklich „abstrus“.
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🙂
Manchmal sieht man ja den Wald vor lauter Bäumen nicht, aber auf welcher Rechtsgrundlage entscheiden denn die Beschwerdekammern über eine „zulässige“ Beschwerde? Nach meinem Verständnis von § 62 OWiG ist die Entscheidung des AG in Sachen Akteneisicht unanfechtbar, und eine „andere Bestimmung“ finde ich nicht.
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