Die schwangere Verteidigerin und das AG Bonn

Da war ich ja dann doch mal wieder erstaunt, als ich den Beschl. des AG Bonn v. 14.03.2011 – 804 OWi-665 Js 923/10-356/10 zum Lesen bekam, weil die Verteidigerin in der Sache eine Frage hatte. Hintergrund der Sache, in der während des Verfahrens ein Richterwechsel stattgefunden hat, bereits einmal eine HV stattgefunden hat und nun noch ein Sachverständigengutachten eingeholt worden ist: Die Kollegin/Verteidigerin ist schwanger und entbindet voraussichtlich am 30.04.2011. Sie ist für den 04.05.2011 als Verteidigerin zu der neuen Hauptverhandlung geladen. Sie hat um Terminsverlegung gebeten und gebeten den HV-Termin um rund vier Wochen zu verlegen. Das AG lehnt ab und begründet seine Entscheidung wie folgt:

„Ein Anspruch auf die Verlegung eines Termins besteht nicht. Die Entscheidung steht vielmehr im Ermessen des Gerichts. Denn die Terminsbestimmung ist Sache des Vorsitzenden und steht in seinem Ermessen. Dabei ist im Rahmen des Ermessens den Belangen der Beteiligten unter Berücksichtigung des Gebots der Verfahrensbeschleunigung Rechnung zu tragen. Diese Grundsätze gelten auch für Terminsverlegungsanträge.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze wird der Termin vorliegend nicht verlegt. Die Verteidigerin gibt an, voraussichtlich am 30.04.2011 zu entbinden. Vor diesem Hintergrund ist sie nachvollziehbar an der Terminswahmehmung gehindert. Allerdings wird sich wegen des Mutterschutzes auch zu einem späteren Termin in absehbarer Zeit nicht zur Verfügung stehen. Deshalb wird sich der Betroffene ohnehin nach einer bzw. einem anderen Verteidiger umsehen müssen bzw. auf Verteidigung verzichten müssen. Es handelt sich nicht um einen Fall notwendiger Verteidigung sondern um eine Verkehrsordnungswidrigkeit. Das Vertrauensverhältnis zwischen Wahlverteidiger und Mandant hat seine Grenze dort, wo ansonsten ein Verfahren auf unbestimmte Zeit vertagt werden müsste. Dies ist vorliegend der Fall. Es ist nicht möglich, die Terminierung bis auf die nicht absehbare Zeit des Endes des Mutterschutzes zurückzustellen, zumal etwaige Komplikationen im Verlauf der Entbindung auch eine Terminierung nach Ablauf der Mindestfrist nicht sicherstellen.“

Die Frage, was man (noch) tun könne, hatte die Kollegin schon selbst beantwortet: Sie hat Beschwerde eingelegt. Das wird dann als zulässig angesehen, wenn die Ablehnung des Terminsverlegungsantrags rechtswidrig ist. Davon wird man hier m.E. ausgehen können. Denn: Kein Wort zu dem Antrag, um rund vier Wochen zu verlegen – also nicht auf absehbare Zeit. Es muss also nicht auf unbestimmte Zeit vertagt werden. Und: Nach der OLG-Rechtsprechung hat der Betroffene auch in OWi-Sachen grds. einen Anspruch auf Verteidigung durch seinen Anwalt des Vertrauens. Auch damit setzt sich das AG nicht auseinander.

Ich bin gespannt, wie das LG entscheiden wird.

//Edit vom 26.04.2011: siehe hier.

10 Gedanken zu „Die schwangere Verteidigerin und das AG Bonn

  1. RA JM

    Ekelhafte richterliche Arroganz! Ansonsten schön, dass hier jedenfalls eine Beschwerde noch möglich ist – anders als im Zivilprozessrecht.

  2. RA Müller

    Der Fall zeigt wieder einmal deutlich, für wie unbedeutend manche Richter die „kleinen“ OWi-Verfahren halten. Aber wehe man ist selbst betroffen und hält den Vorwurf für unbegründet…

  3. Leser

    Mutterschutz? Die Rechtsanwältin ist doch vermutlich selbstständig tätig… da gelten Vorschriften des Arbeitsschutzes zumindest praktisch ohnehin nicht. Entscheidungen aus der Perspektive des öffentlichen Dienstes. 😉

  4. RA Anders

    Ich selber war in einer ähnlich Situation (obwohl ich ein Mann bin). In einem Umfangsverfahren war auf den Geburtstermin meiner Tochter terminiert worden, meinen frühzeitiger Hinweis, dass ich an dem Tag nicht kann, wurde lange ignoriert, obwohl immer wieder Termine abgesprochen worden sind. Am Ende sollten dann die Plädoyers der StA und der Nebenklage an dem Tag stattfinden, das wäre der 41. Verhandlungstag gewesen. Es war ein K(r)ampf, den Termin zu verlegen. Das erste Angebot des Vorsitzenden war, ich solle doch morgens bei der Geburt dabei sein und dann schnell in Gericht kommen, die Plädoyers brauchen ja nicht den ganzen Tag.

  5. Potratz

    Sehr geehrter Herr Kollege,

    dass der Betroffene einen Anspruch auf Verteidigung seines Wahlanwaltes hat, findet nach LG Karlsruhe dann seine Grenzen, wenn es um die Kosten geht.
    Wortlaut des Beschwerdebeschlusses:
    “ Auch nach der Änderung des für die Bestellung des Pflichtverteidigers geltenden § 142 StPO sind nach § 464a Abs. 2 Nr.2 i.V.m. § 91 Abs. 2 ZPO Auslagen eines Rechtsanwalts nur insoweit zu erstatten, als zur sie zweckentsprechenden Rechtsverteidigung „NOTEWENDIG“ waren. Die Voraussetzungen für die Hinzuziehung eines auswärtigen „Verteidiger des Vetrauens“, wie sie z.B. bei gewichtigen Strafsachen vorliegen können, sind im vorliegenden Bußgeldverfahren nicht gegeben.“
    Geldbuße 505,00 €, 4 Punkte, 2 Monate Fahrverbot-> Freispruch

  6. Denny Crane

    @Leser:

    Völlig richtig. Seit wann gilt für Selbständige so etwas wie Mutterschutz oder Urlaub? Da sitzt einer wieder einmal im Elfenbeinturm des öffentlichen Dienstes und hat keine Ahnung. Meine Frau hat bis zum Tage der Entbindung Gerichtstermine wahrgenommen und in der Kanzlei gearbeitet – und freundlicherweise den Geburtstermin auf einen Samstag gelegt. Schon am übernächsten Montag saß die Rabenmutter wieder in einer Verhandlung, während ich in der Kanzlei Muttermilch aus Fläschchen verabreicht habe. Selbstredend erhalten wir als selbständige Anwälte bei einer solchen Sachlage auch nur minimal Elterngeld. Denn, so das Versorgungsamt, wie die Sachlage zeige, sei es doch als Anwalt problemlos möglich, sofort nach der Geburt wieder mindestens 30 Stunden die Woche zu arbeiten. Daß entweder der eine oder der andere Elternteil wegen Kindesbetreuung eben nicht arbeiten kann, versteht der rundumversorgte öffentliche Dienst nicht. Aus den gleichen Gründen wurden natürlich auch keine Gerichtstermine verlegt (mit Ausnahme des insoweit verständnisvollen FamG).

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  8. RA Heimes

    Es muss vorstehend natuerlich heissen, dass das LG nur eingreifen durfte wenn evident rw und die Folgen fuer den Betroffenen erheblich. Wenn das Gesetz so ist finde ich die Entscheidung nicht so verkehrt (jedenfalls des LG)

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