StPO I: Zwangsweises Entsperren eines Mobiltelefons, oder: Auflegen eines Fingers auf Fingerabdrucksensor

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Und heute dann StPO-Entscheidungen, aber mal etwas abseits von dem, was man so kennt.

Zunächst stelle ich den OLG Bremen, Beschl. v. 08.01.2025 – 1 ORs 26/24 – vor, der für die Praxis von Bedeutung sein dürfte. Es geht nämlich um die zwangsweise Entsperrung eines Mobiltelefons.

Der Angeklagte ist vom AG/LG wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte verurteilt worden.

Nach den Feststellungen des LG zur vorgeworfenen Tat wurde am 01.02.2023 die Wohnung des Angeklagten aufgrund eines Durchsuchungsbeschlusses des AG wegen des Verdachts der Verbreitung kinderpornographischer Schriften polizeilich durchsucht. Zu Beginn der Durchsuchungsmaßnahme teilte der Angeklagte auf Nachfrage mit, er besitze kein funktionierendes Smartphone. Während der Durchsuchung klingelte sodann ein Mobiltelefon, welches im Bereich des auf einem Sofa sitzenden Angeklagten aufgefunden wurde. Das Mobiltelefon war gesperrt und der Angeklagte wurde durch die Polizeibeamtin pp.  aufgefordert, das Mobiltelefon mittels Fingerabdruck zu entsperren. Nachdem der Angeklagte die Mitwirkung verweigert hatte, wurde er darüber belehrt, dass andernfalls eine Entsperrung mittels Zwang durchgeführt werde. Der Angeklagte versuchte, sich daraufhin der Maßnahme durch Verlassen des Zimmers in Richtung der Wohnungstür zu entziehen. Um dies zu verhindern, ergriff der Polizeibeamte pp. den Arm des Angeklagten, woraufhin dieser versuchte, sich aus dem Griff zu befreien, indem er mehrfach um sich schlug und sich wegdrehte. Da sich der Angeklagte trotz wiederholter Aufforderungen weiter widersetzte, musste er schließlich zu Boden gebracht und fixiert werden. Nachfolgend wurde das Mobiltelefon durch Auflegen des Fingers des Angeklagten auf den Fingerabdrucksensor entsperrt.

Mit seiner Revision hat der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts gerügt. Er meint, die vorgeworfene Tat sei aufgrund des § 113 Abs. 3 StGB nicht strafbar, da die Diensthandlung nicht rechtmäßig gewesen sei. Der Angeklagte sei aufgrund des strafverfahrensrechtlichen Selbstbelastungsverbots nicht zur Mitwirkung an der Entsperrung des Mobiltelefons verpflichtet gewesen, vielmehr wäre das Mobiltelefon sicherzustellen gewesen und die Eigentumsverhältnisse daran wären dann durch weitere Ermittlungen festzustellen gewesen, ohne dass der Angeklagte hieran hätte mitwirken müssen. Zudem sei die Maßnahme auch unter dem Aspekt nicht verhältnismäßig gewesen, dass es nicht allein um die Bestimmung des Eigentümers gegangen sei, sondern auch um die Sicherstellung von auf dem Mobiltelefon gespeicherten Beweismitteln. Schließlich sei das Landgericht auch zu Unrecht davon ausgegangen, dass ein Irrtum des Angeklagten bezüglich der Rechtmäßigkeit der Diensthandlung vermeidbar gewesen sei.

Die Revision hatte keinen Erfolg. Wegen der Einzelheiten der doch recht umfangreichen Begründung des OLG verweise ich auf den verlinkten Volltext. Hier die Leitsätze zu der OLG-Entscheidung:

1. Die Entsperrung eines Mobiltelefons durch Auflegen eines Fingers eines Beschuldigten auf den Fingerabdrucksensor des Telefons kann auf die Ermächtigungsgrundlage des § 81b Abs. 1 StPO gestützt werden.

2. Als Annexkompetenz ermächtigt § 81b Abs. 1 StPO auch zur Anwendung unmittelbaren Zwanges bei der Entsperrung eines Mobiltelefons durch Auflegen eines Fingers eines Beschuldigten auf den Fingerabdrucksensor des Telefons.

3. Der Zugriff auf die im Mobiltelefon gespeicherten Daten und deren Verwendung für die Zwecke des Strafverfahrens ist nicht auf § 81b Abs. 1 StPO zu stützen, sondern auf die Bestimmungen zur Durchsuchung und Beschlagnahme in den §§ 94 und 110 StPO.

 

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