Strafe II: Nochmals Verhängung einer kurzen Strafe, oder: Anforderungen sollte man kennen

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Im zweiten Posting stelle ich den BGH, Beschl. v. 07.08.2024 – 3 StR 313/24 – vor. In ihm geht es npch einmal um die Verhängung einer kurzfristigen Freiheitsstrafe. Das LG hatte den Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrug in vier Fällen verurteit und vier Einzelstrafen von jeweils vier Monaten festgesetzt. Der BGH beanstandet insoweit die Urteilsgründe als lückenhaft:

„2. Das Urteil hält jedoch hinsichtlich der vier Einzelstrafen von je vier Monaten Freiheitsstrafe sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Denn das Landgericht hat es – entgegen § 267 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 StPO – versäumt, sich in den Urteilsgründen mit den Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 StGB auseinanderzusetzen. Es gilt:

Die Festsetzung einer Freiheitsstrafe unter sechs Monaten hat regelmäßig nur Bestand, wenn sie sich aufgrund einer Gesamtwürdigung aller die Tat und den Täter kennzeichnenden Umstände als unverzichtbar erweist und dies in den Urteilsgründen dargestellt wird (st. Rspr.; s. etwa BGH, Urteile vom 8. Mai 1996 – 3 StR 133/96, BGHR StGB § 47 Abs. 1 Umstände 7; vom 8. April 2004 – 3 StR 465/03, NStZ 2004, 554; Beschlüsse vom 10. Juni 2020 – 3 StR 135/20, NStZ-RR 2020, 273; vom 23. Januar 2024 – 3 StR 455/23, juris Rn. 9 ff.). Die gleichzeitige Verurteilung des Angeklagten zu einer hohen weiteren Freiheitsstrafe oder – wie hier – zu einer sechs Monate erreichenden oder übersteigenden Gesamtfreiheitsstrafe macht die Erörterung nicht entbehrlich; die Prüfung ist vielmehr für jede einzelne Tat vorzunehmen (BGH, Beschluss vom 20. Dezember 1989 – 3 StR 453/89, BGHR StGB § 47 Abs. 1 Umstände 4; vgl. ferner BGH, Urteil vom 17. November 1994 – 4 StR 492/94, BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 9).

Die Verurteilung zu kurzen Freiheitsstrafen war vorliegend nicht derart offensichtlich geboten, dass das Urteil auf der unterbliebenen Erörterung nicht beruht (§ 337 Abs. 1 StPO). Es drängt sich weder auf, dass Freiheitsstrafen unverzichtbar sind, weil die – über 13 Jahre zurückliegenden – Taten ein auffällig hohes Maß an krimineller Energie oder einen Seriencharakter aufweisen, noch liegt auf der Hand, dass besondere Umstände in der Persönlichkeit des Angeklagten eine solche Einwirkung auf ihn unerlässlich machen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. August 2008 – 1 StR 382/08, juris; vom 12. Dezember 2023 – 1 StR 16/23, NStZ 2024, 476 Rn. 4 f.). Der 69-jährige Angeklagte ist vielmehr unbestraft sowie nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen durch die lange Verfahrensdauer psychisch belastet. Die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe hat angesichts seiner positiven Sozialprognose „ohne Weiteres“ zur Bewährung ausgesetzt werden können (zu besonderen Begründungsanforderungen bei Verhängung kurzer Freiheitsstrafen unter gleichzeitiger Strafaussetzung zur Bewährung s. etwa OLG Zweibrücken, Beschluss vom 13. Januar 2022 – 1 OLG 2 Ss 66/21, NStZ-RR 2022, 111, 112).

Nach allem ist die Festsetzung von Einzelgeldstrafen (vgl. auch BGH, Urteil vom 17. November 1994 – 4 StR 492/94, BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 9) nicht sicher ausgeschlossen. Deshalb unterliegen die Einzelstrafen und die Gesamtstrafe der Aufhebung.“

Ich verstehe es nicht. Das ist doch ein Klassiker, den eine Strafkammer kennen sollte.

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