Heute stelle ich drei Entscheidungen, die alle drei mit Beweis(antrags)fragen zu tun haben. Zwei stammen vom BGG, eine kommt vom KG.
Ich beginne mit dem BGH, Beschl. v. 19.12. 2023 – 3 StR 160/22 -, mit dem der BGH ein ehemals beim KG anhängiges Staatsschutzverfahren erledigt hat. Hier interessieren aber nur die vom BGH entschiedenen Verfahrensfragen, von denen zwei für eine Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen sind.
Im Verfahren ging es u.a. um die Fristsetzung zur Stellung von Beweisanträgen. Das KG hatte die Angeklagten wegen verschiedener Kriegsverbrechen gegen Personen in Tateinheit mit Mord und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland verurteilt. Die dagegen gerichteten Revisionen der Angeklagten sind vom BGH als unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen worden.
Für dieses Posting ist folgendes Verfahrensgeschehen von Bedeutung: Die Angeklagten hatten ihre Revisionen u.a. auch mit der Verfahrensrüge eines Verstoßes gegen § 244 Abs. 6 Satz 3 StPO unbegründet. Zur Begründung hatten sie sich auf Folgendes bezogen: Die Hauptverhandlung vor dem KG fand ab dem 22.11.2018 statt. Im Termin am 30.10.2020 teilte der Vorsitzende mit, der Staatsschutzsenat beabsichtige derzeit nicht, die Beweisaufnahme über die fortzusetzende Vernehmung eines Zeugen hinaus von Amts wegen auf weitere Zeugen zu erstrecken. Mit Blick auf das verbleibende Beweisprogramm bat er die Bundesanwaltschaft und die Verteidigung, etwaige Anträge möglichst bis zum 05.11.2020 zu stellen. Anschließend wurden noch weitere Beweise erhoben und von den Verteidigern Anträge gestellt. Nachdem die Sachverständigen ihre Gutachten erstattet hatten und entlassen worden waren, verkündete der Vorsitzende im Termin am 05.03.2021, dem 151. Hauptverhandlungstag, drei Beschlüsse und stellte fest, dass damit alle Anträge erledigt seien. Ferner teilte er mit, dass er beabsichtige, für die Verfahrensbeteiligten eine Frist gemäß § 244 Abs. 6 Satz 3 StPO zur Anbringung von Beweisanträgen bis zum 12.03.2021 zu bestimmen, und gab Gelegenheit zur Stellungnahme. Von dieser Möglichkeit wurde kein Gebrauch gemacht. Sodann gab der Vorsitzende eine Anordnung mit dem vorbezeichneten Inhalt bekannt und begründete sie. Auf einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung bestätigte der Staatsschutzsenat die Fristsetzung durch mit Gründen versehenen Beschluss vom 19.03,2021. Die nach Fristablauf gestellten Beweisanträge sind überwiegend in den Urteilsgründen beschieden worden.
Der BGH hat die Verfahrensrüge als unbegründet angesehen, denn die Bestimmung der Frist begegne keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Fristsetzung zur Anbringung von Beweisanträgen gemäß § 244 Abs. 6 Satz 3 StPO erfordere nämlich nicht die Feststellung oder den konkreten Verdacht einer Absicht der Prozessverschleppung. Das begründet der BGH umfangreich; der Beschluss hat – mit den Ausführungen zur materiellen Seite – insgesamt 36 Seiten, so viel also zu „offensichtlich unbegründet“.
Ich stelle hier nur die Leitsätze aus dem Beschluss ein. Den Rest empfehle ich dem Selbststudium:
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- Die Fristsetzung zur Anbringung von Beweisanträgen nach § 244 Abs. 6 Satz 3 StPO erfordert nicht die Feststellung oder den konkreten Verdacht einer Absicht der Prozessverschleppung.
- Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gemäß § 244 Abs. 6 Satz 4 Halbsatz 1 StPO im Urteil abgelehnt, so ist eine rechtsfehlerhafte Begründung unschädlich, wenn das Tatgericht ihn ohne Rechtsfehler hätte zurückweisen dürfen und die Ablehnungsgründe vom Revisionsgericht aufgrund des Urteilsinhalts nachgebracht werden können.
M.E. sind die Ausführungen des BGH zu der Frage recht überzeugend. Jedenfalls ist damit die Streitfrage obergerichtlich geklärt. Als Verteidiger muss man sich auf diese Rechtsprechung einstellen.
Zudem: Das KG hatte einen Beweisantrag nach Fristablauf gemäß § 244 Abs. 6 Satz 4 Halbsatz 1 StPO im Urteil abgelehnt. Die gewählte Begründung war nach Auffassung des BGH aber fehlerhaft. Der BGH hat diese rechtsfehlerhafte Begründung jedoch als unschädlich angesehen – das ist der o.a. Leitsatz zu 2. – , da das KG den Beweisantrag ohne Rechtsfehler hätte zurückweisen dürfen und „die Ablehnungsgründe vom Revisionsgericht aufgrund des Urteilsinhalts nachgebracht werden können.“ Auch insoweit ist die Entscheidung im Volltext lesenswert.