Und im zweiten Posting dann etwas zu den Verfahrenskosten, die der Angeklagte im Fall seiner Verurteilung zu tragen hat.
Dem LG Halle, Beschl. v. 10.08.2023 – 16 KLs 540 Js 17049/21 (16/21) – lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Mit Anklageschrift der Staatanwaltschaft wurden dem Angeklagten drei Straftaten zur Last gelegt, nämlich unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG (Tat 1.), unerlaubter Erwerb von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BtMG (Tat 2.) und unerlaubter Besitz von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BtMG (Tat 3.).
Mit Beschluss der Strafkammer wurde das Verfahren bezüglich der Tat 3. der Anklageschrift mit Zustimmung der Verfahrensbeteiligten gemäß § 153 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 StPO eingestellt. Soweit das Verfahren eingestellt wurde, wurden die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Erinnerungsführers der Staatskasse auferlegt, § 467 Abs. 1 StPO. Am 14.12.2022 wurde der Angeklagte durch die große Strafkammer wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln (Tat 2.) zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 40,00 EUR verurteilt. Im Übrigen (wegen der Tat 1.) wurde das Verfahren gemäß §§ 206a, 260 Abs. 3 StPO eingestellt, da dem Verfahren ein Verfahrenshindernis wegen rechtsstaatswidriger Tatprovokation entgegenstand. Soweit der Angeklagte verurteilt wurde, wurden ihm die Kosten des Verfahrens auferlegt. Soweit das Verfahren eingestellt wurde, wurden die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Landeskasse auferlegt. Das Urteil vom 14.12.2022 ist seit dem 22.12.2022 rechtskräftig.
Mit Kostenrechnung vom 18.04.2023 stellte die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten Kosten des Verfahrens in Höhe von insgesamt 7.981,42 EUR in Rechnung. Hierunter fielen ausweislich der lfd. Nr. 5 dieser Kostenrechnung auch „an Rechtsanwälte zu zahlende Beträge“ in Höhe von 6.985,02 EUR gemäß Nr. 9007 KV GKG zu § 3 Abs. 2 GKG.
Dagegen die Erinnerung des Angeklagten, die Erfolg hatte:
„Die Erinnerung, die sich nach ihrer insoweit auszulegenden Begründung ausschließlich gegen den Ansatz der Pflichtverteidigerkosten in Höhe von 6.985,02 Euro richtet, ist gemäß § 66 Abs. 1 GKG zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Die Staatsanwaltschaft Halle hat zu Unrecht die Pflichtverteidigerkosten in Höhe von 6.985,02 Euro in Ansatz gebracht.
Der Erinnerungsführer hat aufgrund der rechtskräftigen Kostengrundentscheidung aus dem Urteil der Kammer vom 14.12.2022 die Kosten des Verfahrens nur insoweit zu tragen, soweit er verurteilt wurde, also für die Verurteilung wegen Erwerbs von Betäubungsmitteln. Konkret wurde er wegen des Erwerbs von 4 g Methamphetamin zum Preis von 200,00 Euro, die für seinen Eigenkonsum bestimmt waren, verurteilt.
Die Ermittlung der im Zusammenhang mit dieser Verurteilung entstandenen Kosten hat nach der sog. Differenzmethode zu erfolgen. Nach dieser muss der Kostenbeamte auf ein fiktives Verfahren nur wegen der rechtskräftig verurteilten Taten abstellen und bei jeder Auslagenposition prüfen, ob diese auch in diesem fiktiven Verfahren angefallen wäre (exemplarisch: Gieg, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 9. Aufl., § 465 Rn. 7). Im Hinblick auf die hier in Rede stehende Verteidigervergütung ist mithin zu prüfen, welcher Honoraranspruch dem Verteidiger gegen den Erinnerungsführer tatsächlich zusteht und wie hoch sich dieser Anspruch belaufen würde, wenn nur die von der Verurteilung umfasste Tat Gegenstand des Verfahrens und der Verteidigerbemühungen gewesen wäre. Dies zugrunde gelegt, ist vorliegend davon auszugehen, dass der Erinnerungsführer bei einer Anklage nur der Tat, wegen der er letztlich verurteilt worden ist (Tat 2.), gar keinen Verteidiger in Anspruch genommen hätte, jedenfalls keinen hätte in Anspruch nehmen müssen. Beim Erwerb von 4 g Methamphetamin zum Eigenkonsum handelt es sich angesichts der geringen Menge des Betäubungsmittels um eine minder schwere Form der Kriminalität, deren Einordnung als Bagatelldelikt jedenfalls nicht fernliegt. Wegen dieser Tat hätte die Staatsanwaltschaft Anklage vor dem Amtsgericht erhoben, gegebenenfalls hätte sie sogar nur den Erlass eines Strafbefehls beantragt. Letztlich hat allein die Tat 14, die als Verbrechen zu qualifizieren ist und deretwegen der Erinnerungsführer in Untersuchungshaft war und Anklage vor dem Landgericht erhoben wurde, die Bestellung eines Pflichtverteidigers erforderlich gemacht. Im Hinblick auf diese Tat wurde das Verfahren jedoch mit Urteil der Kammer vom 14.12.2022 eingestellt. Die Verteidigung des Erinnerungsführers durch dessen Pflichtverteidiger war von Anfang an auf die Tat 1. fokussiert; die Tätigkeit des Verteidigers hinsichtlich der Tat 2., hinsichtlich der der Erinnerungsführer verurteilt wurde, war hingegen von völlig untergeordneter Bedeutung. Insoweit wäre es unbillig, den Erinnerungsführer auch nur mit einem geringen Teil der Pflichtverteidigerkosten, der seiner Verurteilung entspricht, zu belasten.“
M.E. richtig. Zu der Entscheidung passt der Satz: Es röhrt der Elefant, er gebiert eine Maus.